Jakob Lorber: 'Bischof Martin - Die Entwicklung einer Seele im Jenseits'


118. Kapitel: Aufrichtung und Belehrung des gefallenen Martin durch Borem. Ermahnungen des Herrn an Martin. Unzertrennlichkeit von Besitz und Besitzer im Himmel.

Originaltext 1. Auflage 1896 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text u. Versnummerierung nach 3. Auflage 1960 Lorber-Verlag

01] Borem tritt zum Martin hin, erhebt ihn und spricht: „Lieber Bruder, siehe, du bist zu eifrig; lasse in der Zukunft nur den Herrn handeln; wir aber wollen nur das thun, was uns der Herr anbefiehlt, da werden wir allzeit am allerbesten draus kommen!

02] Mit solchen Wesen, wie dieses da ist, es aufzunehmen, gehört sehr viel mehr dazu, als wir es jetzt zu fassen im Stande sind! Mit diesem Wesen aber kann schon gar kein Engel es aufnehmen für sich, sondern allein mit der knappsten Hilfe des Herrn; denn diesem Urdrachen stehen ja 1000 und abermals 1000 der feinsten Trugmittel aus ihm selbst zu Gebote, durch die er alle Himmel berücken könnte, so es ihm vom Herrn zugelassen würde; wenn aber schon alle Bürger der Himmel vor ihm ohne der Dazwischenkunft des Herrn durchaus nicht sicher wären, was wollten dann wir Zwei als kaum Neulinge dieses Reiches gegen ihn ausrichten?

03] Siehe, als Michael, aller Himmel mächtigster Engel, mit diesem Drachen um den Leib Moses rang, ward er überwunden, und konnte als Besiegter nichts thun, als das Gericht des Herrn über dies allerböseste Wesen rufen, das allein nur im Stande war, diesem Drachen die Beute zu nehmen!

04] Wenn aber schon ein Michael gewisserart den Kürzern ziehen mußte, was sollen dann wir Beide mit ihm ausrichten?! Daher sei in alle Zukunft ja überaus vorsichtig bei irgend einem, vom Herrn bestimmten nöthigen Zusammenstoße mit solchen Wesen; denn ihr Wesen ist eitel Grundböses und Falsches!

05] Nun erhebe dich nur wieder, und danke es dem Herrn, der ganz allein dich nun von einem großen Uebel befreiet hat; denn wenn es auf den Satan angekommen wäre, so hätte er von dir den Kuß auf jeden Fall angenommen; aber dadurch hätte er dann auch all deine himmlische Liebe in seine höllische verkehret, und hätte dich durch seine weibliche Gestalt, die er vor dir nicht leicht wieder abgelegt hätte, mit mehr als ehernen Banden an ihn gekettet.

06] Aber im Augenblicke, als du ihn küssen wolltest, ward er vom Herrn in seine eigenthümliche böseste Natur zurückgerichtet; sein unendlicher Hochmuth tauchte auf, und du warst von ihm elendst zurückgestoßen; worauf er dann sogleich seine Drachengestalt annehmen mußte; der Herr also hat dich gerettet, daher erhebe dich aber nun auch sogleich, und danke dem Herrn für die Rettung deines ganzen schwachen Wesens!"

07] Martin erhebt sich auf diese gute Mahnung des Borem sehr schnell, und stürzet zu Mir hin, bittet Mich um Vergebung solcher seiner Tollheit, und danket Mir aber auch allerinbrünstigst für die ihm ertheilte Rettung und Mahnung durch den Mund Borems.

08] Ich aber sage zu ihm: „Martin, wie lange werde Ich dich denn noch in deiner nur zu oft wiederkehrenden Tollheit ertragen müssen? Wann wirst du denn einmal anfangen, deinen oft gemachten besten Vorsätzen vollends gemäß zu handeln? Wie viele Merkstölpel wirst du wohl noch empfangen müssen, um weise zu werden für bleibend?! O du verkehrte Art! wie viel Geduld doch braucht es, um dich auf den rechten Weg zu bringen!?

09] Erhebe dich nun, aber sei endlich einmal klüger; es ist genug, so du durch irgend eine Wirklichkeit nur zu geschwinde dich hinreißen läßt; aber sich auch von einem eitlen Truge bis auf die letzte Lebensfiber besiegen lassen! sage, wie viel Schwäche gehört dazu?!"

10] Martin schluchzet vor Reue, und bittet Mich unausgesetzt um Vergebung.

11] Ich aber beuge Mich sobald nieder, und erhebe ihn und sage: „Siehe, nun stehest du wieder vor Mir frei, da Ich dich aufgerichtet habe; aber wie lange wirst du wohl also dich aufrecht erhalten?

12] Siehe, jeder rechte Himmelsbürger muß endlich unbedingt aus sich selbst vollkommen frei sein, und darf nicht fallen, wenn er einen noch so schlüpfrigen Weg irgend auf eine Weile zu betreten hätte; was wird aber mit dir sein, so Ich dich vollends frei lassen würde; wirst du wohl das Gleichgewicht erhalten, und nicht fallen, so du irgend allein einen schlüpfrigen Weg wandeln solltest?!"

13] Spricht Martin ganz zerknirscht: „O Herr! lasse nur Du mich nimmer aus! o lasse mich nimmer vollends frei! sonst bin ich verloren! O ich verlange ewig von einer absoluten Freiheit nichts; wenn ich nur als der Allerletzte bei dir sein darf, da bin ich ja für alle Ewigkeiten vollends zufrieden! Also gebe auch dieses Haus dem lieben Bruder Borem; denn ich tauge durchaus nicht für solch einen zu überherrlichsten Besitz!"

14] Rede Ich: „Sei nur ruhig und halte dich in deinem Herzen fest an Mich, so wird alles gut gehen; aber diesen Besitz kann Ich dir nicht abnehmen, und dem Borem überantworten; denn dir solchen Besitz nehmen, hieße dir dein Leben nehmen und es einem Andern geben; denn hier kann Niemand etwas anderes besitzen, als das nur, was da aus ihm hervorgeht; solcher lebendige Besitz aber muß bleiben, wie der Besitzer selbst, weil hier Besitzer und Besitz unzertrennlich sind.

15] Aber nur mußt du dich in solchem deinem Besitze nie als ein Herr dünken, so wird dein Besitz immer herrlicher und herrlicher werden. Jeder Himmelsbürger ist wohl ein ganz freiester Besitzer der Werke seines Geistes, seiner Liebe zu Mir; aber der alleinige Herr über jeden Besitz, wie über jeden Geist bin nur Ich!

16] Nun weißt du, wie hier die Sachen stehen; daher stehe aber auch du von nun an fest in Meiner alleinigen Liebe, so wird dich dieser dein himmlischer Besitz nimmer geniren.

17] Sorge dich auch nicht um den Borem; denn er hat für sich schon alles zur höchsten Genüge; und wann du vollends reif sein wirst, da wird er dich schon auch in seinen Besitz einführen! Gehe aber nun hin zum Borem, und thue, was er thut, Ich aber werde nun mit diesem Gaste ein paar Wörtlein sprechen!"

18] Martin thut wie ihm gerathen.

01] Borem tritt zu Martin hin, erhebt ihn und spricht: »Lieber Bruder, siehe, du bist zu eifrig! Laß in der Zukunft nur den Herrn handeln! Wir aber wollen nur das tun, was uns der Herr anbefiehlt, da werden wir allzeit am allerbesten drauskommen.

02] Mit solchen Wesen es aufzunehmen, wie dieses da, gehört sehr viel mehr dazu, als wir jetzt zu fassen imstande sind! Mit diesem Wesen aber kann gar kein Engel es aufnehmen für sich, sondern allein mit der knappsten Hilfe des Herrn. Denn diesem Urdrachen stehen ja tausend und abertausend der feinsten Trugmittel aus ihm selbst zu Gebote, durch die er alle Himmel berücken könnte, so es ihm vom Herrn zugelassen würde! Wenn aber schon alle Bürger der Himmel vor ihm ohne die Dazwischenkunft des Herrn durchaus nicht sicher wären, was wollten dann wir zwei als kaum Neulinge dieses Reiches gegen ihn ausrichten!

03] Siehe, als Michael, aller Himmel mächtigster Engel, mit diesem Drachen um den Leib Mosis rang, ward er überwunden. Und er konnte als Besiegter nichts tun, als das Gericht des Herrn über dies allerböseste Wesen rufen, das allein imstande war, diesem Drachen die Beute zu nehmen!

04] Wenn aber schon ein Michael gewisserart den kürzeren ziehen mußte, was sollen dann wir beide mit ihm ausrichten? Daher sei in alle Zukunft überaus vorsichtig bei irgendeinem, vom Herrn bestimmten nötigen Zusammenstoß mit solchen Wesen; denn ihr Wesen ist eitel Grundböses und Falsches!

05] Nun erhebe dich nur wieder und danke dem Herrn, der ganz allein dich nun von einem großen Übel befreit hat! Denn wenn es auf Satan angekommen wäre, so hätte er von dir den Kuß auf jeden Fall angenommen. Aber dadurch hätte er dann auch all deine himmlische Liebe in seine höllische verkehrt und hätte dich durch seine weibliche Gestalt, die er vor dir nicht leicht wieder abgelegt hätte, mit mehr als eheren Banden an sich gekettet.


06] Aber im Augenblicke, als du ihn küssen wolltest, ward er vom Herrn in seine eigentümliche böseste Natur zurückgerichtet. Sein unendlicher Hochmut tauchte auf, und du warst von ihm elendst zurückgestoßen, worauf er dann sogleich seine Drachengestalt annehmen mußte. Der Herr also hat dich gerettet! Daher erhebe dich nun sogleich und danke dem Herrn für die Rettung deines ganzen schwachen Wesens!«

07] Martin erhebt sich auf diese gute Mahnung des Borem sehr schnell und stürzt zu Mir hin. Er bittet Mich um Vergebung seiner Tollheit und dankt Mir allerinbrünstigst für die ihm erteilte Rettung und Mahnung durch den Mund Borems.

08] Ich aber sage zu ihm: »Martin, wie lange werde Ich dich noch in deiner nur zu oft wiederkehrenden Tollheit ertragen müssen? Wann wirst du denn einmal anfangen, deinen oft gemachten besten Vorsätzen vollends gemäß zu handeln? Wie viele Merkstölpel wirst du wohl noch empfangen müssen, um weise zu werden für bleibend? O du verkehrte Art - wieviel Geduld doch braucht es, um dich auf den rechten Weg zu bringen!

09] Erhebe dich nun; aber sei endlich einmal klüger! Es ist genug, so du durch irgendeine Wirklichkeit nur zu geschwinde dich hinreißen läßt. Aber sich auch von einem eitlen Truge bis auf die letzte Lebensfiber besiegen lassen - sage, wieviel Schwäche gehört dazu!«

10] Martin schluchzt vor Reue und bittet Mich unausgesetzt um Vergebung.

11] Ich aber beuge Mich alsbald nieder, erhebe ihn und sage: »Siehe, nun stehst du wieder vor Mir frei, da Ich dich aufgerichtet habe; aber wie lange wirst du wohl dich so aufrechterhalten?!

12] Siehe, jeder rechte Himmelsbürger muß endlich unbedingt aus sich selbst vollkommen frei sein und darf nicht fallen, wenn er einen noch so schlüpfrigen Weg auf eine Weile zu betreten hätte! Was wird aber mit dir sein, so Ich dich vollends frei lassen würde? Wirst du wohl das Gleichgewicht erhalten und nicht fallen, so du irgend allein einen schlüpfrigen Weg wandeln solltest?«

13] Spricht Martin ganz zerknirscht: »O Herr, laß nur Du mich nimmer aus. O laß mich nimmer völlig frei, sonst bin ich verloren! Oh, ich verlange ewig von einer absoluten Freiheit nichts! Wenn ich nur der Allerletzte bei Dir sein darf, bin ich ja für alle Ewigkeiten völlig zufrieden! Also gib auch dieses Haus dem lieben Bruder Borem, denn ich tauge durchaus nicht für solch einen zu überherrlichen Besitz!«

14] Rede Ich: »Sei nur ruhig, und halte dich in deinem Herzen fest an Mich, so wird alles gut gehen. Aber diesen Besitz kann Ich dir nicht abnehmen und dem Borem überantworten. Denn dir solchen Besitz nehmen, hieße dein Leben nehmen und es einem andern geben. Denn hier kann niemand etwas anderes besitzen als das nur, was aus ihm hervorgeht. Solcher lebendige Besitz aber muß bleiben wie der Besitzer selbst, weil hier Besitzer und Besitz unzertrennlich sind.

15] Aber nur mußt du dich in solchem Besitze nie als ein Herr dünken, so wird dein Besitz immer herrlicher und herrlicher werden! Jeder Himmelsbürger ist wohl ein freiester Besitzer der Werke seines Geistes, seiner Liebe zu Mir; aber der alleinige Herr über jeden Besitz wie über jeden Geist bin nur Ich!

16] Nun weißt du, wie hier die Sachen stehen. Stehe daher aber auch du von nun an fest in Meiner alleinigen Liebe, so wird dich dein himmlischer Besitz nimmer genieren!

17] Sorge dich auch nicht um Borem, denn er hat für sich schon alles zur höchsten Genüge. Und wenn du vollends reif sein wirst, dann wird er dich schon auch in seinen Besitz einführen. Gehe aber nun hin zu Borem und tue, was er tut! Ich aber werde nun mit diesem Gaste ein paar Wörtlein sprechen.«

18] Martin tut wie ihm geraten.

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