Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 177
Gründe für Jesu Rückzug vor den Pharisäern trotz Gottesmacht: Sanfte Macht Jesu laut Gesetz
01] Nachdem diese abgefertigt waren, da traten die Apostel zu Mir und sagten: »Herr, manchmal bist Du denn doch etwas rätselhaft! Siehe, wir haben von Dir schon so viele Wunderdinge gesehen und an uns selbst erlebt, dass wir auch keinen Augenblick mehr zweifeln könnten, so wir solches auch wollten, dass Du im vollsten und wahrsten Sinne der Sohn des lebendigen Gottes bist und sein mußt; denn die Taten, die Du verrichtest, sind bis jetzt keinem Menschen möglich gewesen. Aber Du hast dabei dennoch so gewisse Momente, in denen Du Dich im Ernste vor den Menschen zu fürchten scheinst, während Dir doch, wie wir uns mehrfach in aller Tat überzeugt haben, alle mächtigsten Engelscharen aus den Himmeln zu Gebote stehen!
02] Die Pharisäer mit ihren unbewaffneten etwa fünfzig Anhängern, von denen einer feiger ist als der andere, hätten wir ganz gehörig zugerichtet; und so ein allmächtig Wörtlein von Dir, - und den Pharisäern wäre die Gier, Dich zu verfolgen, sicher für alle Zeiten vergangen! Wie Du vor jenen Kerlen im Besitze aller göttlichen Macht hast die Flucht ergreifen können, siehe, das ist uns ein Rätsel, das wir im vollsten Ernste bei unserem sicher besten Willen nicht begreifen können! - Erkläre uns doch solch Dein sonderbares Benehmen!«
03a] Sagte Ich: »Ihr seid noch bedeutend schwach und blind, dass ihr so was nicht auf den ersten Blick merken könnt!
03b] seht, das geschah deshalb, auf dass ihr es merken sollt, a dass da in die Erfüllung ging, was der Prophet Jesajas von Mir geweissagt hat, indem er also sprach: b Siehe, das ist Mein Knecht, den Ich erwählt habe, und c Mein Liebster, an dem Meine Seele ein Wohlgefallen hat; Ich will Meinen Geist auf Ihn legen, und Er soll den Heiden das Gericht verkünden (Gericht bedeutet hier soviel als Wahrheit, Licht und Leben; denn die Wahrheit ist es auch, die ein rechtes und gerechtes Gericht schafft.) (a Matthäus.12,17-18*; b Matthäus.12,18*; Jesaja.42,01-04; Apostelgeschichte.03,13 .26; b c Matthäus.03,17)
- Matthäus.12,17*] a damit erfüllt würde, was gesagt ist durch den Propheten Jesajas, der da spricht (a ⇒ jl.ev01.177,03b*; jl.ev01.172,04)
- Matthäus.12,18*] 'Siehe, a das ist mein Knecht, den ich erwählt habe, und mein Liebster, b an dem meine Seele Wohlgefallen hat; ich will meinen Geist auf ihn legen, und er soll den Heiden das Recht verkündigen.' (a Jesaja.42,01-04; Apostelgeschichte.03,13 .26; b Matthäus.03,17; ⇒ jl.ev01.177,03b*)
Matthäus.12,19*] 'Er wird nicht zanken noch schreien, und man wird sein Geschrei nicht hören auf den Gassen'; (jl.ev01.177,03c)
03c] a Er wird nicht zanken und schreien, und man wird Sein Geschrei nicht hören auf den Gassen. (a Matthäus.12,19*)
Matthäus.12,20*] das zerstoßene Rohr wird er nicht zerbrechen, und den glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis dass er ausführe das Gericht zum Sieg; (jl.ev01.177,03d)
03d] a Das zerstoßene Rohr wird Er nicht zerbrechen und einer Lampe glimmenden Docht nicht auslöschen, bis dass Er ausführe das Gericht (die volle Wahrheit). (a Matthäus.12,20*)
Matthäus.12,21*] und die Heiden werden auf seinen Namen hoffen.« (jl.ev01.177,03e)
03e] a Und die Heiden werden auf Seinen Namen hoffen. (a Matthäus.12,21*)
04] seht, darin also liegt der Grund, warum Ich mit den Pharisäern in keinen Streit und noch weniger in irgendein Handgemenge Mich einlassen wollte und konnte.
05] Übrigens wußte Ich es im voraus recht wohl, dass der Kisjonah sie nicht ungezüchtigt werde davonziehen lassen! Sie sind nun zehnmal ärger gestraft, als so wir uns etwa mit ihnen gebalgt hätten; denn fürs erste sind sie von Kisjonahs Leuten ganz entsetzlich durchgeprügelt worden, und fürs zweite dürfen sie von all dem, was sie gesehen, gehört und erlebt haben, in Kapernaum keine Silbe erzählen, was sie am meisten ärgert und geniert.
06] Denn da einer nur mit einer Silbe davon laut wird, so wird er, wie ihm auf dem Berge angedroht wurde, aber auch augenblicklich stumm, taub und, wo nötig, auch blind. Darum aber wollten sie auch einen Versuch machen, ob sie Mich töten könnten; denn dadurch vermeinten sie auch die von ihnen geglaubte sichere Wirkung Meiner ihnen am Berg gemachten Androhung zu vernichten.
07] Denn sie halten Mich noch gleichfort für einen bösen Magier, der wohl lebend, aber als ein Toter nichts mehr zu wirken vermag. Das Schlimmste für sie aber ist, dass sie nun nicht wissen, wohin Ich gezogen bin. Sie haben zwar schon Boten in der Richtung nach Morgen hin gesandt, um Mich auszukundschaften - denn sie haben uns von der Schule weg nach Osten hin fliehen sehen -; dass wir uns aber im Walde nach einer Stunde Weges plötzlich gen Abend hingewandt haben und nun auch sogleich übers Meer auf die andere Seite fahren werden, wissen sie nicht, und es wird daher ihr Suchen ein sehr vergebliches sein. Nun, ist euch euer Rätsel jetzt gelöst?«
08] Sagen die Zwölfe und auch viele andere, die mit Mir ziehen: »Ja, jetzt ist uns schon alles klar! Es ist also im Ernste um vieles besser, als so wir selbst Hand an die Bösen gelegt hätten; es ist nun schon alles wieder in der schönsten Ordnung.«
Auseinandersetzung zwischen Judas, Thomas und Petrus
09] Sagt Judas etwas lakonisch: »Bis auf unsere Mägen! Außer den etlichen rohen Weizenkörnern ist heute, da es doch Abend geworden ist, nichts hineingekommen. Daher wäre es wohl gut, wenn auch für unsere Mägen, bevor wir übers Meer fahren, nur ein wenig gesorgt werden könnte!«
10] Sage Ich: »Heute heißt es einmal fasten, wenigstens bis ans jenseitige Ufer; drüben wird sich wohl etwas finden lassen.«
11] Thomas aber verweist dem Judas solche Gemeinheit und sagt: »Aber wie ist es dir doch möglich, inmitten der erhabensten Belehrung von seiten des Herrn mit einer so echt tierisch gemeinen Bemerkung zu kommen?! Hast denn du gar keine Ehre oder Schande in deinem Leibe?! Wenn du denn schon einen gar so schreienden Wolfshunger hast, so nehme dir in der Zukunft irgendeinen Mundvorrat mit; aber solche Bemerkungen dem Herrn gegenüber zu machen, ist zu entsetzlich gemein, als dass man darüber noch ein Wort verlieren könnte!«
12] Sagt Judas: »Ja, ja, ich habe wieder vergessen, dass du auch noch in unserer Gesellschaft bist! Du bist und bleibst gleichweg mein Hofmeister und scheinst eine ordentliche Freude daran zu haben, mir bei jeder Gelegenheit irgendeinen Hieb zu versetzen. Ist ja auch recht; wenn es dich freut, so tue es immerhin, aber ärgern werde ich mich über dich nimmer!«
13] Sagt Petrus: »Ist auch besser; aber im übrigen hat Thomas dennoch recht, obschon er manchmal auch ein wenig hart ist. So meine aber ich, dass wir stets auf den Herrn schauen sollen; sagt Er etwas, so ist es gut und recht, dass es also gesagt ist, und jeder soll sich dann danach richten! Sagt aber der Herr nichts, dann kommt es uns noch weniger zu, etwas zu sagen! Ich meine, dass wir solches an uns wohl, zumal in des Herrn Gegenwart, allzeit beachten sofern, damit Friede und Einigkeit unter uns sei!
14] Mein lieber Bruder Thomas, sieh, wenn der hungrige Judas schon vor dem Herrn nicht schweigt, so wird er vor dir schon noch weniger eine Furcht haben! Ermahnen wir uns aber schon gegenseitig, da lassen wir alle Schärfe und alles Herbe beiseite, auf dass jener Spruch Jesajas, den zuvor der Herr über Sich uns kundgab, auch an uns, Seinen Jüngern, ersichtlich werde!«
15] Sage Ich: »Also ist es recht, Mein lieber Simon Jona! Also soll es sein unter euch und am Ende unter allen Menschen! Denn wer da hat eine Wunde und legt etwas Scharfes darauf, der wird die Wunde nicht zum Heilen bringen, sondern sie nur vergrößern und ärger machen. Wer aber die Wunde bestreicht mit Balsam und reinem Öl, der wird sie auch bald heilen und wird also den Schaden im Fleische gutmachen.
16] Aber nun steuern auch schon Meines Freundes, des Kisjonah, Schiffer daher ans Ufer, und er selbst ist dabei; darum gehen wir ans Ufer, auf dass wir bei der Hand sind, wann die Schiffer das Tau auswerfen werden; wir werden dann das Schiff voll ans Ufer ziehen und sodann schnell ins Schiff steigen; denn sie haben für dies Ufer einen Gegenwind und können daher schwer voll ans Ufer stoßen. Der Wind aber wird uns sehr gute Dienste leisten bei der Hinüberfahrt und wird uns in kurzer Zeit ans jenseitige Ufer befördern. Aber nun eilen wir hinab ans Ufer, auf dass sie sich nun nicht umsonst abmühen!«
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