Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 184


Das Volk bearbeitet die Pharisäer und treibt sie in die Enge.

01] Als sie nun hinkommen zum Hause Barams, sehen sie sogleich eine a große Menge Volks, das sich ob der großen Heilung förmlich entsetzt vor Verwunderung. Da aber die alten Pharisäer diese große Heilung nicht gesehen haben, so meinen sie, das Volk verwundere sich noch immer über die gestrige Heilung des Besessenen, indem es noch in einem fort rufe wie gestern: »Heil dem Sohne Davids! Dieser ist wahrhaftig Davids Sohn!« (a Matthäus.12,23; = Lukas.11,14; jl.ev01.179,10)

02] a Da sonach die alten Pharisäer solches hörte, wurden sie ärgerlich und sagten zum Volke: »Was wundert ihr euch denn gar so mächtig?! Wir wissen es besser denn ihr, wie das zuging! Er, dieser Zauberer, treibt die Teufel nicht anders aus als durch Beelzebub, der Teufel Obersten - und ihr mögt ihn als den Sohn Davids preisen?!« - Da fingen denn einige Schwächere doch an zu stutzen und fragten die Pharisäer, dass sie ihnen diese Sache näher beschreiben sollten, und wie solches möglich wäre, - und ob der Teufel Oberster denn auch göttliche Taten verrichten könnte dann und wann. (a Matthäus.12,24*; = Markus.03,22; = Lukas.11,15b Matthäus.09,34;  ⇒ jl.ev01.179,10)

03] Auf diese Frage waren die alten Füchse nicht gefaßt und wußten daher auch nicht, was sie den Fragenden antworten sollten. Da aber die Fragenden merkten, dass es den Pharisäern an irgendeinem haltbaren Grunde fehlen müsse, weil sie so lange auf eine Antwort warten ließen, so sagten die Frager: »Warum gebet ihr auf unsere gute Frage keinen Bescheid, auf dass wir den Grund einsähen, wie dieser vermeintliche Zauberer die Teufel durch den Beelzebub austreibe, und ob Beelzebub auch göttliche Taten verrichten könne? Es ist ganz leicht, einen Menschen, der wie immer imstande ist, außerordentliche Taten zu verrichten, als einen Knecht des Satans auszuschreien und ihn also zu verdächtigen; aber ganz etwas anderes ist es, davon einen handgreiflich sicheren Beweis zu liefern! Warum schweiget ihr vor uns, wenn ihr eurer Sache sicher seid?«

04] Sagen die Pharisäer: »Wir schweigen, weil wir als vom Geiste Gottes Erleuchtete allzeit wissen und einsehen, was dem Menschen zu wissen not tut, und was wir daher zu reden haben. Nicht, weil wir so was nicht wüßten, sondern - weil wir es nicht dürfen und daher auch nicht wollen, euch über eure Frage irgendeinen haltbaren Beweis zu geben. Eure Sache ist allein, alles zu glauben, was wir euch lehren, und nicht selbst zu forschen; denn darum sind wir von Gott gestellt, alle Dinge bis auf den innersten Grund zu erforschen, die Geheimnisse für uns zu behalten und dem Volke davon nur so viel zu sagen, als es demselben not tut. Habt ihr uns nun verstanden?!«

05] Sagt das Volk: »O ja, wir haben euch recht gut verstanden, und weil wir euch schon seit lange her also verstanden haben, so sind wir eben zufolge solchen nur zu klaren Verständnisses zu den Griechen übergegangen, bei denen es keine solche Geheimniskrämerei gibt! Da gibt es einen Aristoteles, einen Pythagoras, einen Plato, einen Sokrates, und dieser Werke und Schriften sind klar und wahr. Bei euch aber ist alles stets mehr und mehr in die tiefste Nebelnacht gehüllt, so, dass man aber auch nicht eine Spanne weit weder vor sich noch hinter sich her sehen kann.

06] Was wollt ihr diesen von Gott zu uns gesandten Heiland verdächtigen?! Er hat uns Gutes getan und hat geheilt alle unsere Kranken, und ihr heißt Ihn darum einen Satansknecht?!

07] Was seid denn ihr hernach, die ihr uns aber auch noch nie eine noch so kleine Wohltat erwiesen habt?! Wann habt ihr durch eure nichtigen Mittel und durch eure vorgeschützten Gebete jemanden geheilt?«

08] Sagen die Pharisäer: »Haben wir etwa keine Zeugnisse?!«

09] Sagt das Volk: »Zeugnisse habt ihr freilich und sehr großsprechende - vom Tempel aus; aber wo sind denn die Taten, die den Zeugnissen zufolge ihr allzeit sollt auszuüben imstande sein?! Von denen ist uns noch nichts zu Gesichte gekommen!

10] Dieser aber kam ohne Zeugnisse zu uns und verrichtet nun Taten, von denen man ganz füglich sagen kann, daß, solange die Welt steht, solche noch nie von einem Menschen ausgeübt worden sind! Wir sehen wohl recht gut ein, warum ihr diesen göttlichen Menschen bei uns verdächtigen wollt, obschon ihr uns den wahren Grund zu sagen verweigert. Hört! Wir sind so frei, ihn euch unter die Nase zu reiben! Das aber ist der Grund:

11] Dieser göttliche Mensch verübt Taten in allerwunderbarster Wirklichkeit, die zu verrichten ihr - laut eurer Tempelzeugnisse - imstande sein sollt; aber bis jetzt seid ihr mit keiner Tat zum Vorschein gekommen seit dreißig Jahren her, als wielange ihr bei uns seid.

12] Wie viel des schönsten Geldes und anderer kostbarsten Dinge habt ihr von uns dafür bekommen, dass ihr was wirken möchtet zu unserem Besten; wo aber ist die Wirkung?! Unser Gold und Silber habt ihr wohl genommen; aber wir bekamen dafür nichts als leere Verheißungen, die nie erfüllt wurden. So wir euch fragten, wann die Erfüllung käme, da zeigtet ihr uns die üppigen Saaten und unsere gottlob gesunden Herden. Wir aber zeigten euch die noch üppigeren Saaten und ebenso gesunden Herden der Griechen, die von euch an jedem Sabbat sieben Male verflucht werden vor dem Aufgange. Da sagtet ihr: Solche Üppigkeit bewirke der Satan, und das Brot von solchen Feldern und das Fleisch von solchen Herden diene nicht zum Leben, sondern zur Verdammnis! Aber ihr verschmähtet dennoch nicht den pflichtigen und durchaus nicht kleinen Tribut, den euch die Griechen als Duldungsgebühr alljährlich an allen möglichen Getreidesorten zu entrichten hatten! Sagt, was habt ihr dann mit dem nach eurer Sage vom Satan gesegneten Getreide gemacht?«

13] Sagen die Pharisäer, schon voll des bittersten Grimmes: »Wir verkauften es den Heiden, als den Römern und Griechen, auf dass sie desto mehr Verdammnis überkommen sollen am Jüngsten Tage!«

14] Sagt das Volk: »So, schön! Man sagt, der Teufel sei dumm, und seine Lüge könne man mit Händen greifen; aber ihr seid noch zehnmal dümmer, - denn eure Lügen greift man schon mit sogar dickbeschuhten Füßen! Waren nicht wir es, die da euer sämtliches Getreide mit unseren Ochsen und Eseln nach Jerusalem geschafft haben auf den Markt, und wir werden es wohl wissen, an wen wir euer Getreide verkauft haben!? Und ihr seid frech genug, uns ins Angesicht zu sagen, dass ihr das griechische Getreide an die Heiden der größeren Verdammnis wegen verkaufet! Wenn ihr euch schon mit Lügen weiß waschen wollt, so lügt doch etwas pfiffiger, auf dass es nicht herauskomme, als wären wir noch dümmer, denn ihr es seid, und könnten gleichweg schwarz für weiß und weiß für schwarz ohne Anstand kaufen! - Nein, aber so grausig lügen! Das ist ja noch gar nie erhört worden!«

15] Sagen die Pharisäer: »Ihr wisst und versteht nichts! wisst ihr denn nicht, dass ein Pharisäer gar nicht lügen kann?! Denn es steht im Gesetze des Tempels geschrieben für alle, die sich dem Dienste Gottes weihen, dass sie gar nicht lügen können, so sie es auch wollten; denn auch die dickste Lüge wird in ihrem Munde zur leuchtendsten - Wahrheit!«

16] Hier fängt das Volk an zu lachen und sagt scherzweise: »Ja, ja, wir kennen ja auch die von euch nun angezogenen Tempelgesetze; es soll darin ja auch geschrieben sein: So ein Pharisäer Unflat in seinen Mund nehme, so werde daraus alsbald Gold!«



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