Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 1, Kapitel 87


Umgang mit hartnäckigen beziehungsweise reuigen Sündern. Begegnung zwischen Kornelius, dem neuen römischen Hauptmann Kapernaums, mit Jesus.

01] Als sich alle andern entfernt hatten, kam der junge Hauswirt, bei dessen Hochzeit Ich das Wasser in Wein verwandelt hatte, und sagte: »Herr! Die uns aus Judäa und Jerusalem gefolgt sind und sich nun draußen im großen Gastzimmer mit Speise und Trank gestärkt haben, möchten nun noch ein Wörtlein mit Dir reden. Denn, wie ich es merke, so sind mehrere willens, sich auf den Weg in ihre Heimat zu begeben und alldort ihre Wirtschaften zu bestellen. So Du es also erlauben möchtest, da würde ich ihnen solches hinterbringen!«

02] Sage Ich: »Ich meine, dass solches unnötig sei! Wer bei Mir ist und bleibt, der ist wahrhaft in seiner wahren Heimat, und wer sich nicht diese allein wahre und ewig bleibende Heimat erwerben wird, der wird stets in wüster Fremde herumirren gleich einem verscheuchten Wild, das in der Wüste Fraß und Heimat sucht, aber nicht findet weder das eine noch das andere und endlich verschmachtet vor Hunger, Durst und Kälte und wird am Ende zur Beute der reißenden Tiere, deren Heimat die leere Wüste ist!

03] Wem aber ist bei Mir etwas abgegangen?! Ist nicht jeder täglich gesättigt worden leiblich und geistig aus den Himmeln? Hat jemand Hunger und Durst gelitten, oder ist etwa jemandem sonst was Leids geschehen? Ist jemand von einem weltlichen Gerichte belangt worden darum, dass er mit Mir zog?! Ich sage dir: Wer gehen will, der gehe; wer aber bleiben will, der bleibe! Denn Ich bedarf der Menschen nicht; aber die Menschen bedürfen Meiner! Wer Mich verläßt, der wird auch von Mir verlassen sein, und wer Mich nicht sucht, den werde auch Ich nicht suchen mit großem Eifer! - Gehe nun hinaus und hinterbringe ihnen das!«

04] Sagt der Wirt: »Herr, es geschieht mir schwer; demnach wirst Du auch über diese Bürger von Kana ungehalten sein, dass sie nun in ihre Häuser sich zur Ruhe begeben haben!?«

05] Sage Ich: »Du hast Mich nicht verstanden! Sieh, diese Bürger haben Mich vollends schon aufgenommen in ihre Herzen, und Meine Lehre ist Ihnen heilig geworden; diesen Juden aber ist Meine Lehre, die Ich in Sichar gab, nicht anständig in der Fülle, und sie sehnen sich wieder nach ihrem Sauerteige mehr denn nach ihrer Hauswirtschaft und wollen deshalb nun heimziehen! Sie möchten Mir aber ehrenhalber einen Dank abstatten, um von euch nicht als rohe ungeschlachte Klötze angesehen zu werden. Darum gehe du nur hinaus und hinterbringe ihnen unverhohlen alles, was Ich zu dir nun geredet habe!«

06] Mit diesem Bescheid begibt sich der Wirt hinaus zu den Judäern und hinterbringt ihnen wörtlich, was Ich zu ihm geredet habe. Alle stutzen darauf gewaltig, da sie sich einer nach dem andern sehr getroffen fühlen. Einige verdrießt das; anderen aber geht die Sache zu Gemüte, und sie denken darüber nach in ihren Herzen und sagen: »Er hat uns getroffen, und es ist leider also; Er möge es uns vergeben, und wir wollen bleiben!«

07] Die dadurch Beleidigten aber sagen: »Wir aber werden gehen! Es ist uns zwar bei Ihm wahrlich nichts abgegangen, aber uns ist nun dieses müßige Skythenleben überdrüssig geworden; und zudem muß man bei Ihm immer auf der Hut sein, sich mit irgend einem Wörtchen zu verstoßen! Denn da hat man das Urteil sogleich an den Rücken geklebt und kann sehen, wie man mit heiler Haut wieder auf einen guten Fuß kommt; denn von irgend einer Nachsicht ist bei Ihm gar keine Rede! Was Er einmal ausspricht, davon läßt Er aber auch nicht ein Jota mehr handeln! Darum wollen wir auch nicht länger mehr bei Ihm verharren!«

08] Sagen die Reuigen: »Das ist zwar wohl wahr. Die Priester zu Jerusalem lassen wohl sehr mit sich handeln, besonders so die Opfer dafür ihnen zur Genüge entsprechen! Aber Er läßt mit Sich um kein Haar handeln, und könnte man Ihm dafür auch die ganze Erde zum Opfer bringen! Es ist darum mit Ihm freilich wohl etwas hart und schwer auszukommen; aber Er ist einmal unmöglich was anderes als zum allerwenigsten ein größter Prophet, und jedes Seiner Worte ist, genau betrachtet, voll Wahrheit, voll Kraft und Leben, und die noch so stumme Natur gehorcht Seinem Winke! Was wollen wir da anderes tun als bleiben, solange Er uns Selbst nicht von Sich schaffen wird?! Denn die Taten, die Er vor unseren Augen verrichtet hat, hat vor Ihm nie ein Mensch verrichtet, und wir bleiben darum um jeden Preis bei Ihm!«

09] Die Beleidigten aber sagen: »Tut, was ihr wollt; wir aber gehen! So wir dem Wirte was schulden, so mache er uns die Rechnung!«

10] Der Wirt aber sagt: »Ich habe keine Herberge für Fremde, sondern für die einheimischen Kinder Jakobs, und diese sind bei mir zechfrei wie überall in Kanaan, dem Lande, da Milch und Honig in Bächen fließt.«

11] Nach solchem Bescheide erheben sie sich, begeben sich auf den Weg und eilen von dannen. Als sie aber schon mehrere Stunden Weges von Kana entfernt sind und vor Müdigkeit ihre Füße nicht mehr heben können, fallen sie auf der Straße nieder und nehmen da bei etlich hundert an der Zahl die nächtliche Ruhe.

12] Es kommt aber dieselbe Straße von Jerusalem herabgezogen eine starke römische Soldatenlegion und stößt auf diese Karawane. Da die Müden aber nicht zu erwecken sind, so werden sie bis zum Morgen des kommenden Tages bewacht. Und als sie am Morgen erwachen, sind sie an Händen gebunden, und da sie sich nicht mit legitimen Reisebewilligungen ausweisen können, so werden sie samt und sämtlich als Gefangene nach Jerusalem vors Gericht geführt und werden daselbst eine Woche lang verhört, bis sie als erwiesene Juden gegen Straftaxen in die Freiheit gelassen und gegeben werden.

13] Ein Teil dieser römischen Soldaten aber kommt desselben Morgens auch nach Kana. Als sie unser Haus untersuchen und wir uns mit dem Reiseschein aus Jerusalem ausweisen, so machen sie weiter keinen Anstand mehr und ziehen nach Kapernaum weiter, nachdem sich zuvor der Oberste dieser Legion, da er Mich erkannte, noch über manches mit Mir besprach und Mir zugleich eröffnete, dass er nun für längere Zeit in Kapernaum residieren werde, wohin seine Familie schon ein paar Tage vorher sich begeben habe, und er sie daselbst treffen werde. Mit dem ladet er Mich auch ein, nach Kapernaum zu kommen und bei ihm einzusprechen, was Ich ihm nach etlichen Tagen zu tun auch zusage.

14] Zugleich fragt er Mich, ob Ich wüßte, wer die starke Karawane sein mochte, die ihm in der Nacht unterkam, das heißt auf der Straße gen Jerusalem in tiefem Schlaf versunken liegend.

15] Ich sage ihm, wer sie war, und er erwidert Mir freundlich lächelnd: »Habe ich mir's aber auch alsogleich gedacht, dass ich da mit derart Kerlen zusammengekommen bin, die im Grunde des Grundes nichts als pharisäische Spione sind, und es sollte mich sehr wundernehmen, wenn Du sie nicht auf den ersten Blick als solche erkannt haben solltest!«

16] Worauf Ich ihm erwiderte: »Nicht ganz unrecht hast du, so du sie als das ansiehst. Aber als sie aus Jerusalem und Judäa Mir folgten, waren sie das noch nicht; nun aber können und werden einige aus ihnen es werden zu ihrem eigenen größten Nachteile. Denn die Tempelbrut liebt den Verrat wohl, fürchtet aber den Verräter mehr als den verratenen Feind und läßt daher keinem Verräter mehr die Freiheit. Nahe jeder bekommt das verfluchte Wasser zu trinken, und aus zehn kommt kaum einer mit dem Leben davon; die Zerplatzten aber werden dann gewöhnlich des falschen Verrats beschuldigt und werden in Josaphat, allwo eine Stelle verflucht ist, in die verfluchte Erde verscharrt. Und das wird auch das Los einiger sein, die an Mir zu der Tempelbrut einen Verräter machen werden! Denn noch ist Meine Zeit nicht da!«



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