Jakob Lorber: ''Das große Evangelium Johannes', Band 2, Kapitel 220


Erde und Licht. Deutung der Genesis.

01] (Der Herr:) »Was sonach das Licht zu bedeuten hat, wissen wir; aber es heißt zuvor noch, daß die Erde wüst und leer war! Das ist ganz sicher; denn mit der Fähigkeit allein etwas in sich aufnehmen zu können, wie auch mit dem schon gefühlten Bedürfnisse dazu, ist noch kein Gefäß vollgemacht worden. Solange aber im Gefäße nichts ist, so lange auch ist das Gefäß wüst und leer.

02] So auch ist es bei der Urschöpfung der Fall gewesen. Es waren aus Gott wohl eine zahlloseste Menge von Gedanken und Begriffen durch die allmächtige Willenskraft Seiner Liebe und Weisheit in alle Räume der Unendlichkeit hinausgestellt worden, welche Gedanken und Begriffe wir vorher die einzelnen spiegelartigen Intelligenzfähigkeiten genannt haben, und zwar darum, weil jeder einzelne Gedanke gewisserart eine Reflexion (Widerstrahlung) im Haupte von dem ist, was das stets tätige Herz in sich produziert.

03] Wie aber ein Gedanke oder ein Begriff für sich noch gleich einem leeren Gefäße oder auch gleich einem Spiegel im finstersten Keller ist, also ist auch die gesamte gegenseitige (Ideen-) Verwandtschaft noch wüst und leer; und da noch keine Tätigkeit der Intelligenzfähigkeiten untereinander, sondern pure Fähigkeiten zum Sein und zur Tätigkeit vorhanden sind, so ist also auch noch, wie schon ehedem bemerkt, alles kalt, feuer- und lichtlos.

04] Alle diese noch tat- und regungslosen Gedanken und Ideen der göttlichen Weisheit werden auch höchst treffend verglichen mit dem >Wasser<, in dem auch zahllose Spezifikalelemente wie zu einem einfachen zusammengemengt sind, aus dem aber endlich dennoch alle Körperwelt ihr höchst verschiedenartiges Dasein nimmt.

05] Aber all die großen Gedanken und daraus entwickelten Ideen in der Weisheit Gottes, und mochten sie noch so wahr gewesen sein, hätten aber dennoch nie irgendeine Realität erhalten können, sowenig als die Gedanken und Ideen irgendeines Weisen der Erde, so ihm zur Realisierung derselben die Mittel fehlen. Ist je irgendeine Wirklichkeit denkbar, die dem Gedanken und den Ideen folgen soll, so müssen zuerst die entsprechenden Mittel und durch diese die wahre Tätigkeit der Gedanken und Ideen von innen wie von außen her auf diese einwirkend und von einer hohen Kraft und Macht ausgehend herbeigeschafft werden.

06] Wenn irgendein Mensch sonach Gedanken zu Ideen verband und sie bewerkstelligt haben möchte, so muß er, abgesehen, daß er dazu die nötigen materiellen Mittel hat, zu seinen Gedanken und Ideen eine recht übermächtig große Liebe fassen. Von solcher Liebe werden dann seine Gedanken und Ideen also gehegt, wie da hegt eine Henne ihre Küchlein. Dadurch werden die Gedanken und die daraus entstandenen Begriffe als schon mehr konkrete Ideen stets lebendiger und ausgebildeter. Und sehet, solch eine Liebe ist eben der Geist Gottes in Gott Selbst, der da, nach Moses, auf dem Wasser schwebte, das an und für sich nichts anderes besagt, als die noch form- und wesenlose unendliche Masse der Gedanken und Ideen Gottes!

07] Durch diesen Geist belebt, fingen die Gedanken Gottes an, sich zu großen Ideen zu verbinden, und es drängte ein Gedanke den andern und eine Idee die andere. Und seht, da geschieht dann in der göttlichen Ordnung ja wie von selbst das >Es werde Licht!< und >Es ward Licht!< Und sonach erklärt sich nach Moses denn auch sogar der natürliche große Schöpfungsakt von Uranbeginn von selbst - mit dem gleichgehend aber endlich auch, und zwar hauptsächlich, der seelische und geistige Bildungsprozeß vom neugeborenen Kinde an bis zum Greise und vom ersten Menschen der Erde bis auf unsere Zeiten und so fort bis uns einstige Ende dieser Welt - in allem!

08] Nun kommt im Moses freilich ein Satz, demnach es das Ansehen hat, als ob Gott erst nach dem sich aus dem Feuer der Liebetätigkeit des Geistes entwickelten Lichte einzusehen anfinge, daß das Licht gut sei; allein es ist dem bei weitem nicht also, sondern es ist dies nur ein Zeugnis der ewigen und endlosen Weisheit Gottes, laut dem dies Licht ein wahrhaft freies, sich von selbst aus der Tätigkeit der Gedanken und Ideen Gottes nach der Ordnung der Weisheit entwickeltes Geistlebenslicht ist, durch das die auf diese Weise von Gott hinausgestellten Gedanken und Ideen Gottes sich als selbständige Wesen nach eigener Intelligenz weiterhin, natürlich unter dem unvermeidbar beständigen Einflusse Gottes, wie von sich selbst heraus ausbilden können. Dieses wird sonach durch den Beisatz Mosis verstanden, aber nicht, als ob Gott erst dadurch zur subjektiven Einsicht gelangt wäre, daß das Licht etwas Gutes sei!«


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