Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 18


Das Aufzeichnen der Reden Jesu.

01] (Der Herr:) ”Siehe du, Markus, nun, da die Morgenröte schon die Spitzen der Berge zu färben beginnt, dass wir etwa irgendein Morgenmahl bekommen; denn mit nüchternem Magen wollen wir uns den fünf Verbrechern nicht nahen! Diese werden uns ein arges Wetter machen, bis sie geheilt werden! Wenn sie aber geheilt werden, muß Salz, Brot und Wein in der Bereitschaft sein zu ihrer Stärkung; denn sie werden nach der Heilung sehr schwach sein. Aber Salz, Brot und Wein werden ihnen bald eine rechte Kraft geben!“

02] Sagt Markus: ”Herr, es wird alles gleich besorgt werden!“ - Darauf befiehlt er sogleich seinem Weibe und seinen Kindern, sich nun emsigst in der Küche umzusehen, auf dass zur rechten Zeit alles in der vollsten Bereitschaft sei. Sogleich eilen das Weib, die zwei Söhne und die vier Töchter in die Küche und entwickeln eine große Tätigkeit; auch einige Meiner Jünger bieten ihnen ihren Dienst an, helfen Fische reinigen, was sie als Fischer gut verstehen.

03] Matthäus und Johannes aber lesen nun nach, was sie alles von Meinen diesnächtlichen Reden aufgezeichnet haben, machen aber dabei die leidige Erfahrung, dass sie in ihren sonst sehr fleißigen Aufzeichnungen dennoch starke Lücken gelassen haben.

04] Johannes bittet Mich darob, dass Ich ihnen ansagen möchte das Ausgelassene. Aber es erbietet sich dazu auf Meinen Wink der Raphael und ergänzt in einem Nu all das Ausgelassene. Und als die beiden hernach ihre Aufzeichnungen noch einmal durchgehen, finden sie keine Lücken mehr, und es ist alles in der schönsten Ordnung.

05] Auch Simon Juda schaut die Schriften durch und findet, dass da nach seiner Erinnerung nichts abgehe von allen Reden und Lehren, die in dieser Nacht so reichlich wie sonst kaum je wechselseitig geführt worden waren. Auch die Rettung der dreißig ist umständlich angemerkt, und es haben darob die Jünger eine große Freude.

06] Cyrenius aber äußert auch den Wunsch, dass er davon eine Abschrift bekäme gegen ein gutes Honorar dem, der es für ihn abschriebe!

07] Da ist gleich Judas Ischariot bei der Hand und trägt dem Cyrenius seine Dienste an.

08] Ich aber verweise dem Judas solche selbstsüchtige Schmutzerei und sage zum Cyrenius: ”Siehe dort den Raphael; laß ihm nur etwas Schreibmaterial geben, und er wird damit am ehesten fertig sein!“

09] Cyrenius ruft sogleich nach seiner Dienerschaft, läßt von ihr sogleich eine rechte Menge unbeschriebener Pergamentrollen bringen und übergibt solche des obigen Zweckes wegen dem Raphael, und dieser rührt die Rollen kaum ordentlich an und sagt darauf zum Cyrenius, ihm die Rollen zurückgebend: ”Dein Wunsch ist bereits erfüllt; du kannst nun die Rollen vergleichen lassen mit denen der beiden Jüngerschriften, ob etwas daran mangle!“

10] Cyrenius besichtigt die Rollen und findet sie vollernstlich ganz voll angeschrieben und verwundert sich natürlich, indem er solch eine Schnelligkeit denn doch nicht fassen kann bei aller seiner sonstigen Weisheit.

11] Es beschauen die Rollen aber nun auch die dreißig Pharisäer und Leviten, und der gewisse Redner, der Hebram hieß, sagt: ”Ja, es ist, was ich nun mit gesehen und mit gelesen habe, von Wort zu Wort getreu, was und wie es hier gesprochen wurde; das aber, wie es dem Engel möglich ist, in einem Augenblick mehrere Rollen sehr korrekt und gut leserlich voll anzuschreiben, das geht uns ganz und gar nichts an, und ich möchte darüber auch nicht einen vergeblichen Gedanken verlieren, weil ich im voraus schon zu überzeugt bin, dass da nie etwas herauskommen kann. Denn wir Sterbliche werden die Unsterblichkeit erst dann ganz fassen, wenn wir einmal vollends unsterblich sein werden, und also werden wir die Verrichtungen der Geister auch erst dann völlig begreifen, wenn wir einst selbst ganz reine Geister sein werden; in unserem Fleische aber werden wir das nie völlig imstande sein.

12] Darum ist es besser, über solch eine Erscheinung gar nicht weiter nachzudenken! Gibt es doch Dinge und Erscheinungen in der Naturwelt, die kein Sterblicher je vollends begreifen wird. Und so er, der törichte Mensch, darüber nachzudenken anfinge, so müßte er in kurzer Zeit ein Narr werden! Den Geistern der Himmel wird das sicher sehr klar sein, und uns kann es mit der Zeit auch klarer werden als jetzt, wollten wir es aber nun gleich zu einer klaren Einsicht bringen, da müßten wir ja offenbar sinnenverwirrt werden! Darum sehe ich ein Wunderwerk recht gerne an; aber es ficht mich gar nicht an, weiter darüber nachzudenken. Und würde man davon auch im Ernste etwas verstehen, so könnte man es dennoch nicht nachmachen; und kann man das nicht, so nützt einem eine halbe Einsicht soviel wie nichts!“

13] Sagt Cyrenius: ”Du hast in einer gewissen materiellen Hinsicht wohl recht; aber ums Nachmachen liegt wenigstens mir nichts Besonderes daran, wohl aber, dass ich, da in mir doch auch ein unsterblicher Geist wohnt, auch die geistigen Dinge mit etwas mehr als mit den dickst verbundenen Augen eben in bezug auf meinen Geist beschauen möchte, und es juckt mich nun an allen Enden und Orten meines Seins, so ein wenig nur zu erfahren aus dem Munde eines Weisen unter uns, was es mit dieser engelischen Schnellschreiberei für eine Bewandtnis hat! Ich werde darum sehen, den Mund eines Weisen in die Bewegung zu setzen; denn unser Reden darüber ist nichts denn ein Dreschen leeren Strohes. Wir bringen da sicher nichts Gescheites heraus, während eines Weisen Mund uns darüber gleich stutzen machen wird.“

14] Sagt Hebram, etwas launig: ”Das sicher, aber unser Stutzen wird etwa am Ende hauptsächlich darauf hinausgehen, dass wir des Weisen Rede darüber ebensowenig fassen werden wie dieses Wunder für sich ohne eines beleuchtenden weisen Mundes Rede! Denn um die Weisheit zu fassen, muß man selbst ein mehr oder weniger Weiser sein. Mit dem puren noch so gesunden Verstande faßt man die Weisheit noch lange nicht in ihrer Tiefe; man bekommt wohl so ein bißchen von einem Dunste, aber viel Weiteres nicht. Das Hohelied Salomos, der ein Weiser war, ist sozusagen dem gesunden Menschenverstande noch am nächsten. Wenn man es liest, glaubt man es auch zu verstehen; fängt man aber nachher an, darüber ordentlich nachzudenken, so kommt man bald zu der leidigen Überzeugung, dass man im Grunde dennoch nichts verstanden hat! Ein Pröbchen davon soll meine Überzeugung rechtfertigen!“



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