Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 83


Folgen der Sonnenfinsternis.

01] Während dieser Katastrophe brach die Sonne wieder hinter dem Monde auf dessen anderer Seite hervor, und es trat wieder die alte Heiterkeit in die Gemüter aller Anwesenden; einzig der Cyrenius und auch Julius bleiben während der totalen Verfinsterung vollkommen ruhig neben Mir.

02] Selbst Meine Jünger wurden etwas unruhig, und die Jarah und der Josoe sprangen hastig in Mein ans Ufer stoßendes Schiff und zitterten vor Furcht; aber ihre Furcht war dennoch mehr eine Folge des wilden Geheules der Schiffsknechte denn der Finsternis. Denn die Jarah und der Josoe wußten recht gut den Grund der Verfinsterung der Sonne, aber auf das wildeste Geheul waren sie nicht vorbereitet und sprangen darum in großer Angst in Mein Schiff und drängten sich da zu Mir so knapp als möglich hin. Cyrenius und Julius aber haben sich unterdessen an den schönen Sternbildern des Winters ergötzt, die sie im Sommer noch nie geschaut hatten.

03] Nach und nach ward es immer heller, und der alte frohe Mut kehrte wieder in die erschütterten Gemüter der Menschen, und die Schiffsknechte kehrten wieder zu ihren drei Schiffen und baten den Jüngling um Vergebung, darum sie ihn ehedem so hart angegangen.

04] Auch den Griechen baten sie um Vergebung, und dieser (der Grieche) sagte: ”Was jemandem sein Glaube gebietet, solle er tun, so er in sich keinen weiseren Gegengrund findet; aber es soll sich in der Folge euer Glaube heller gestalten, und ihr werdet dann einsehen, dass die hohen Götter aus unseren Händen durchaus keine Menschenopfer verlangen, indem sie selbst zahllose Mittel in den Händen haben, sich Menschen zu Hunderttausenden nach Belieben von dieser Erde zu nehmen.“

05] Mit dieser Belehrung von seiten unseres Griechen sind die Schiffsleute zufrieden und geloben, dass sie in der Zukunft bei einer ähnlichen Erscheinung seiner weisen Belehrung vollends eingedenk sein und bleiben werden. Darauf fragen die Schiffsknechte den Griechen, ob er nun seine Reise weiter fortsetzen werde, oder ob er hier zu verweilen gedenke.

06] Der Grieche aber sagt: ”Seht ihr nicht diesen mächtigen Jüngling unter uns?! Er hat mir Gutes erwiesen und mich gerettet aus eurer blinden Glaubenswut; ihm schulde ich mein und meiner einzigen, allerliebsten Tochter Leben. Er allein ist nun mein Gebieter, und was er sagen wird, das werde ich auch tun; ohne sein Wort und seinen Willen aber wird von hier auch in zehn Jahren nicht um ein Haar breit weiter gereist!

07] Dazu sagt mir eine gute innere Stimme, dass ich auf diesem unansehnlichsten Flecke mehr denn in ganz Jerusalem schon jetzt gefunden habe. Ich werde darum hier verbleiben. Ich werde nun nur mit dem Wirte dieses Ortes reden, ob ich hier verweilen kann. Ist solches hier tunlich, so lasse ich dann gleich meine Lasttiere ans Ufer setzen und dann alle meine mitgenommenen Schätze, und ihr könnt dann wieder eure Schiffe flottmachen.“

08] Während dieser Unterredung kommen aber auch schon Ich, Cyrenius, Julius, Markus, der alte Wirt und die Jarah und der Josoe in das Schiff, in welchem sich der Grieche befand, und Markus spricht ihn sogleich an und sagt: ”Freund! Du siehst, dass ein ehrlicher Hauswirt nie einen Mangel an Gästen hat. Sieh, ich bin der Wirt dieses Ortes und beherberge in meiner kleinen Hütte und unter meinen Zelten alle die lieben Gäste, die du hier siehst; aber für dich ist auch noch Raum, so du hier verbleiben willst!“

09] Sagt gar freundlich der Grieche: ”Freund, ich brauche nur einen Geviertfleck von dreißig Schritten in die Länge und zehn in die Breite, da laß ich sogleich meine drei guten und kostbaren Zelte durch meine mitgenommenen Diener aufrichten, und ich bin dann schon versorgt; denn Speisen und Getränke führe ich in großer Menge mit mir und besitze viel Goldes und Silbers, um mir welche zu erkaufen, so mir die mitgenommenen ausgehen sollten. Also besitze ich auch Futter für meine Lasttiere und bin so und so mit allem möglichen bestens versorgt; nur einen Platz, um alles das unterzubringen, habe ich nicht und werde ihn sonach von dir auf eine Zeit mieten. Was verlangst du für den ausgesprochenen Flächenraum von Tag zu Tag?“

10] Sagt ganz freundlich Markus: ”Wohl weiß ich, dass bei euch Griechen stets genaue Rechnung geführt wird; aber bei uns Römern und besseren Juden ist das nicht üblich. Du bleibst hier, solange es dir beliebt, und es wird von dir nichts verlangt werden als deine wahre und aufrichtige Freundschaft; willst du aber danebst irgendeinem armen, sich hierher verirrten Menschen etwas tun, so wird das deinem Ermessen ohne alle Rechnung anheimgestellt sein. Laß du demnach nur auspacken und mache dir es bequem wie im Hause deiner Stadt; denn solange du hier verweilen willst, steht dir nicht nur der von dir verlangte Fleck Landes, sondern mein ganzer eben nicht ganz kleiner Grund zu Gebote, und auf meinen Tischen wird auch für dich gedeckt sein! - Sage, ob du damit zufrieden bist!“

11] Sagt der Grieche: ”Ja, Freund, wenn du so redest, dann beschämst du mich ja, und ich bin in einer großen Verlegenheit, so Ich dir deine große, höchst uneigennützige Freundschaft gewisserart mit nichts vergelten kann, und ich getraue mir kaum, einen Gebrauch von deiner wahrsten Großmut zu machen!“

12] Sagt Markus: ”Freund, deine Freundschaft wird doch mehr wert sein als alle die großen Erdschätze, die du mit dir führest, deren ich nicht benötige, da ich nun vielleicht noch größere denn du besitze: aber freilich nicht so sehr materiell als vielmehr geistig!“

13] Sagt der Grieche: ”Da hast du demnach also schon lange das, was ich und diese meine Tochter schon lange vergeblich suchen in allen Winkeln der Erde?“

14] Sagt Markus: ”Was dir nun die ganze Erde und alle Sterne und die Sonne und der Mond nicht, kein Tempel und kein Orakel geben können, das findest du hier auf diesem Flecke. Darum lasse nur gleich auspacken, denn du bist nun schon am rechten Flecke!“

15] Der Grieche befiehlt nun sogleich seinen vierzehn Dienern, die Hände ans Werk zu legen.



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 3  |   Werke Lorbers