Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 145


Des Cyrenius tiefernste Rede.

01] Hier simuliert der Oberste und ist sehr unschlüssig, ob er wohl mit der Wahrheit uns Tageslicht treten soll oder nicht. Nach einer ziemlichen Weile erst sagt er: ”Hoher Gebieter! Viele Hunde sind des Hasen Tod! Ich überzeuge mich stets mehr, dass nun die Zeugen wider mein Wort sich mehren wie nach einem feuchten Wetter die Pilze. Was will ich dann noch weiter dem, was du wissen willst und auch zu wissen behauptest, Beweise aus meiner Überzeugung entgegenstellen?! Ja zu sagen vermag ich nicht zu etwas gegen meine Überzeugung, und das Nein nützt mir nichts! Darum nimm du nur immerhin das Zeugnis wider mich an; ich werde mir keinerlei Mühe mehr geben, was immer für gerechte oder ungerechte Anwürfe von seiten der vielen Zeugen von mir hinwegzuweisen! Findest du an mir eine Schuld, nun gut, da hast du ja alle Macht, mich darum zu züchtigen und zu strafen nach deinem Sinne; ich habe dir nun als ein total armer Mensch keine Macht entgegenzustellen!“

02] Sagt Cyrenius: ”Es steht in euren Büchern geschrieben: 'Wehe dem, der sich an einem Gesalbten Gottes vergriffe!' Darum weiß auch ich, solange es nur immer tunlich ist, dies euer Gesetz gar wohl zu beachten.

03] Saul, euer erster gesalbter König, war am Ende ein Täter alles Übels, und David, als ein vom Samuel noch Zweitgesalbter zum König über Israel, hatte den ihm nach dem Leben stellenden Saul oft völlig in seiner Gewalt und hätte ihn vernichten können; aber Gottes Geist sprach aus dem Herzen Davids: 'Wehe dir, so du dich vergriffest an dem Haupte Meines Gesalbten!'

04] Und sieh, obschon ich ein Römer und resp. Heide bin, so vernehme ich aber doch auch desselben Geistes Stimme, die da spricht: 'Prüfen kannst du wohl jeden Meiner Gesalbten, und sind sie auf dir wohl erkennbare Abwege geraten, so leite sie auf den rechten Weg zurück durch Rat und Tat; aber wehe dir, so du aus ihnen auch nur einen richten möchtest!'

05] Getraute sich ein Erzengel Michael den Satan ob des verlorenen dreitägigen Kampfes nicht selbst zu richten, sondern übergab ihn dem Gerichte des Herrn, wie sollte ich mich im Angesichte Gottes getrauen, dich zu richten; aber erforschen will ich dich, dir zeigen die große alles Gewissens und aller Liebe bare Handlung an deinen Brüdern und dich darauf erst setzen auf die Bahn des Lebens! Da du aber weißt, dass ich nur solches will, warum redest du denn nicht offen mit mir?“

06] Sagt der Oberste: ”So du ohnehin alles weißt, da sehe ich wahrlich nicht ein, warum du nun noch ein offenes Geständnis von mir verlangst! Ich ersah dich vorher über mein sicher ganz offenes Bekenntnis sehr vom Eifer ergriffen, weil ich dem bewußten Nazaräer dasselbe günstige Zeugnis nicht zu geben imstande war wie du, der du schon irgend seine volle Bekanntschaft gemacht hast; und so werde ich es wohl bleibenlassen, dir noch mehr, offene Geständnisse zu machen! Ich habe dir nun ohnehin schon alles gesagt, und du sagst es auch, dass du alles weißt; wozu sollen wir da noch mehr leere Worte verlieren?!

07] Was übrigens mein Bekenntnis über den Nazaräer betrifft, so ist es nicht auf meinem Grund und Boden gewachsen, und ich könnte dir doch nichts anderes sagen, als was ich selbst von andern über ihn vernommen habe! Nun ich aber von dir ein anderes Zeugnis vernahm, so denke ich denn nun auch anders über ihn! Oder soll ich noch etwas anderes tun?! Wer kann mir denn vorschreiben, über einen Menschen irgend etwas Gutes auszusagen, so mir zuvor nur üble und keine gute Kunde über ihn zu den Ohren gekommen ist? Da mir aber erst jetzt bloß durch dich allein die beste Kunde über den Nazaräer zugekommen ist, so kann ich ihm nun selbst ja auch ein ebenso gutes Zeugnis wie du geben, und obschon ich bei ihm noch keine Erfahrung dir gleich gemacht habe, so genügt mir dennoch dein Zeugnis, und ich denke nun so wie du über den Nazaräer. - Ist das nun denn auch noch nicht recht?“

08] Sagt Cyrenius: ”Ja, das wäre wohl allerdings recht, wenn dein Herz auch also spräche wie dein Mund; aber dein Herz dürfte, so man es vernehmen könnte, eine ganz andere Sprache führen! Denn euer Pharisäertum ist mir nur zu wohl bekannt! Ich weiß es zu bestimmt, dass ihr eigentlich gleich den Essäern gar nichts glaubt, aber das blinde Volk zu eurem materiellen Besten alles glauben machen wollt, was euch nur in den Sinn kommt, dass es euch Zinsen abwerfen könnte.

09] Kommt nun ein Mann, der ein inneres, wahres Licht aus Gott hat, und zeigt den in aller Nacht und großen Finsternis umherirrenden Menschen den rechten und lichten Weg des Lebens, wobei es freilich nicht zu vermeiden ist, dass eure alten Betrügereien dabei offenkundig werden, so werdet ihr gegen einen solchen Lichtpropheten aus Gott ergrimmt und sucht ihn auf jede mögliche Art total zu verderben; denn dies ist ein alter Schandruhm von euch, dass ihr mit Ausnahme des Elias und Samuel noch nahe alle von Gott euch zugesandten Propheten mit Steinwürfen getötet und dabei zum Volke gepredigt habt, dass ihr dadurch Gott einen angenehmen Dienst erwiesen habt.

10] Nach hundert Jahren erst habt ihr den Propheten - aber nie um euretwillen, sondern nur, weil ihr seine Aussagen, die eingetroffen waren, zum Volkschrecken recht gut gebrauchen konntet - aufgenommen, und habt sein Grab, ob echt oder unecht, das war eins, zu übertünchen und zu zieren angefangen!

11] Siehe, das war zu allen Zeiten eure Handlungsweise, die mir nur zu bekannt ist! Wenn sich aber mit euch die Sache der Wahrheit nach allzeit also verhielt, wie möglich könnte ich wohl deinen Mundworten nur irgendeinen geringsten Glauben schenken?! Sage mir, ob es sich mit euch der Wahrheit nach je anders verhielt! Glaubst du in deinem Herzen der vollen Wahrheit nach auch nur ein Jota von dem, was du je dem Volke zum Glauben vorgepredigt hast?“

12] NB.: dass Cyrenius hier also reden konnte, rührte daher, dass Ich ihm die Worte ins Herz und in den Mund legte; was er dann so sprach, ist so gut als von Mir Selbst gesprochen, jedoch in der individuellen Weise des Cyrenius.



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