Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 3, Kapitel 187


Der Sturm.

01] Als der Vorlärm des schnell nahenden Sturmes stets stärker und dröhnender wird und nahe eine völlige Finsternis sich über das Meer und über die ganze Gegend auszubreiten anfängt, da fangen auch die mehr Furchtsamen an, sich in die Zelte (des Ouran) zu begeben, und haben keine Lust mehr, im Freien bei Mir zu verbleiben. Auch die Jünger fangen an, untereinander allerlei Besorgnisse laut werden zu lassen; von den fünfzig Pharisäern bleibt nicht einer im Freien, als sie einige pfundschwere Hagelkörner vor sich auf den Boden fallen sehen.

02] Ebahl ermahnt die Jarah, sich auch mit ihm in ein Zelt des Ouran zu begeben; aber diese ist nicht von der Stelle zu bewegen und sagt: ”Wer kann sich denn wohl also gewaltig fürchten in der Nähe und vollsten Gegenwart des Herrn?! Sollte so ein Sturm wohl mehr vermögen als des Herrn Liebe, Allmacht und ewig höchste Gewalt?“

03] Sagt Ebahl: ”Das sei ferne; aber beim Niederfallen von pfundschweren Hagelkörnern wandelt einen denn doch ganz unwillkürlich eine kleine Furcht an, besonders wenn die Wolken sie in ganz dichten Massen herabschütten werden. So eine Eiskugel, wie nun soeben eine vor mir niedergefallen ist, könnte einem ganz leicht den Kopf zerschmettern!

04] Ich glaube, dass mich und mein Töchterlein auch nicht eine, selbst beim dichtesten Niederfalle, berühren oder uns schaden wird; aber dessenungeachtet befällt einen Menschen, wie ich einer bin, unwillkürlich die altgewohnte Furcht. Aber nun werde ich mich dennoch nicht fürchten; denn von meiner Jarah darf ich mich ja doch nicht zuschanden stellen lassen!“

05] Nun fängt es an, schon etwas dichter zu hageln. Doppelt faustgroße Schloßen fallen mit großer Heftigkeit auf den Erdboden, das Meer fängt an haushohe Wogen zu treiben, ein Blitz folgt dem andern, und es beginnt mit dem dichten Hagel auch der Regen in Strömen herabzustürzen.

06] Hier werden Hebram und Risa mit den dreißig Jungen auch flüchtig und retten sich unter die Tische; aber Suetal, Ribar und Bael, die ersten der zwölf gewesenen Verbrecher, bleiben, und Meine Jünger bis auf Judas Ischariot bleiben auch. Die römischen Soldaten suchen Schutz im Hause und in den Fischerhütten des Markus und unter den Steinfelsen.

07] Mich zunächst umgebend aber sind Cyrenius, Kornelius, Faustus, Julius, Philopold, Kisjonah, Ebahl mit der Jarah, Raphael und Josoe, dann elf Jünger, der alte Markus mit seinen zwei Söhnen und auch Mathael mit Ouran, Rob, Boz, Micha und Zahr.

08] Aber Helena, nun des Mathaels Weib, floh ebenfalls mit dem Weibe und den Töchtern des Herme in die Zelte; Herme aber blieb auch bei Mir.

09] Wie wir aber auch ganz frei am Meeresufer standen, so wurde doch niemand von einem noch so dicht fallenden Hagelkorn oder Regenstrom berührt; auch blieb die Stelle, da wir standen, vollkommen trocken. Blitze schlugen vor und hinter uns in die Erde und belästigten nichts als zumeist nur unsere Ohren durch ihr starkes Gekrache. Nun fing aber auch ein Orkan mit aller Heftigkeit an, das Meer zu bearbeiten, und sogleich gingen Wogen wie kleine Berge dahin und gewährten einen für menschliche Augen ganz fürchterlichen Anblick.

10] Da sagte Markus: ”Herr! Nun bin ich doch schon ein alter Mann geworden und habe Gewitter in Kalabrien und Sizilien gesehen und genossen; aber so ein echt noachisches Sturmgewitter ist mir noch nicht untergekommen! Herr, dieser Hagel verwüstet die Gegend auf mehrere Jahre! Und die furchtbaren Wasserströme schwemmen alles gute Erdreich in den See! Das wird für die armen Menschen eine schöne Wirtschaft abgeben! Und es hört diese Geschichte nicht nur nicht auf, sondern stürmt stets heftiger und dichter! Die dort unter den Tischen werden ersaufen, wenn sie nicht aufstehen! Die Tische nützen ihnen ohnehin wenig mehr, da sie schon vielfach zerschlagen sind! - Herr, wie lange wird denn der Sturm noch währen?“

11] Sage Ich: ”Er hat noch nicht einmal ganz ordentlich angefangen, und da willst ihn schon beendet haben?! Wenn er umschlagen wird, dann wirst da erst seine Heftigkeit sehen! Übrigens kümmere dich dieser Sturm gar nicht! Wäre er nicht nötig, so müßte er weichen auf einen Wink von Mir; aber er ist nun zur Erhaltung der Erde so notwendig, als dir zum Sehen die Augen notwendig sind. Darum lassen wir ihn nun vollends austoben!

12] Anderseits aber müssen ja die gewissen Nimbusfreunde doch auch etwas von so einem wahren Nimbus verspüren, der ihnen bei Mir abgegangen ist! Siehe hin, wie sie verstohlen herauslugen aus den Öffnungen des Zeltes und nicht begreifen, wie wir im Freien das Gewitter so ganz wohlgemut zu ertragen imstande sind! Aber herauszukommen haben sie dennoch keinen Mut; o wie kleinwinzig ist noch ihr Glaube!“

13] Sagt Markus: ”Ist schon alles recht; aber wovon werden die armen Menschen leben? Denn Du siehst es doch, dass der nimmer enden wollende Hagel alles rein zusammenschlägt und die Fluten alles Erdreich in das Meer tragen! Und Tausende von Menschen und Haustieren werden nun erschlagen, und die mit dem Leben davonkommen, werden nachher dem offenbarsten Hungertode preisgegeben sein! Das ist denn doch ein wenig zu hart und zu schwer strafend heimgesucht mit der allerdicksten Zuchtrute von der Welt!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 3  |   Werke Lorbers