Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 103


Die Entwicklung der Materie.

01] (Der Herr:) ”Als Ich im Voranfange die Geister als Meine reifgewordenen Ideen aus Mir hinausstellte und sie erfüllte mit Meiner Kraft also, dass sie selbst zu denken und zu wollen begannen, da mußte ihnen denn auch eine Ordnung gezeigt werden, nach der sie zu denken, zu wollen und endlich zu handeln haben sollten. Mit dieser angezeigten und gegebenen Ordnung mußte aber auch der Reiz zur Nichthaltung der gegebenen Ordnung in diese ersten Wesen gelegt werden, ansonst sie von ihrem Willen nie irgendeinen Gebrauch zu machen imstande gewesen wären. Der in sie gelegte Reiz brachte in ihnen erst eine wahre Lebensregung zustande, der zufolge sie zu schließen, zu wählen, fest zu wollen und zu handeln begannen.

02] Es ist, so man das weiß, dann endlich ganz leicht zu begreifen, dass schon in den erstgeschaffenen Geistern ein gewisses Unkraut sich zu zeigen anfangen mußte, weil der Reiz gar viele der ersten Geister aus der Ordnung hob und sie im stets mächtiger werdenden Widerstreben am Ende verhärten mußten und auf diese Weise den Grund zur materiellen Weltenschöpfung boten.

03] Zuerst wurden Hauptzentralsonnen, und aus ihnen wurden endlich alle zahllosen anderen Sonnen und Weltkörper und mit diesen jedes und alles andere, was ihr auf, über und in ihnen entdeckt und findet.

04] Alles, was nun Materie ist und heißt, war dereinst Geistiges, das da freiwillig aus der guten Ordnung aus Gott getreten ist, sich in den verkehrten Anreizungen begründete und in selben verhärtete, was dann die Materie bildete und ausmachte. Die Materie selbst ist demnach nichts anderes als ein gerichtetes und aus sich selbst verhärtetes Geistiges; noch deutlicher gesprochen, ist sie eine allergröbste und schwerste Umhäutung oder Umhülsung des Geistigen.

05] Das Geistige aber kann mit all der noch so harten und groben Umhülsung nie sofort zur vollkommenen Materie werden, sondern lebt und besteht in der Materie, welcher Art sie auch sei, fort. Ist die Materie sehr hart, so ist das geistige Leben in ihr auch sehr geknebelt und kann sich nicht irgend weiter äußern und entfalten, so ihm nicht irgendeine Hilfe von außen her gegeben wird.

06] Im harten Gesteine kann das Leben erst dann zu einer Äußerung gelangen, wenn der Stein in langer Zeitenreihe von Regen, Schnee, Tau, Hagel, Blitz und noch anderen Elementen erweicht und stets morscher und morscher wird. Dadurch entfleucht dann etwas Leben als Äther in die Luft, ein Teil bildet sich eine neue und leichtere Umhülsung, anfangs in der Form der zarten Schimmel- und dann Moospflanzen; aber für die Dauer mit dieser Umhülsung unzufrieden, ergreift sich das freiere Leben und schafft sich alsbald eine neue Umhülsung, in der es sich freier und selbständiger bewegen kann.

07] Solange die neue Umhülsung zart und weich ist, befindet sich das gefangene Geistige ganz wohl und verlangt nichts Besseres. Aber die anfangs ganz zarte Umhülsung wird durch die innere Tätigkeit der Geister, die nun stets mehr und mehr alles sie drückende Materielle zur Seite schaffen, auch wieder härter und gröber; daher trachtet das geistige Leben nach aufwärts, bildet dadurch des Grases Halm und im weitern Verfolge des Baumes Stamm und sucht sich durch gemachte und stets enger gezogene Ringe und Einschnitte vor der von unten her nachstrebenden stets größeren Verhärtung zu schützen. Aber da aus dieser Tätigkeit am Ende doch keine Rettung vor dem gänzlichen Erstarren zu erwarten ist, so verengern sie den untern Stamm soviel als nur möglich und ergreifen die weitere Flucht in kleine Zweiglein, Fäden, Blätter, Härchen und endlich in die Blüte; weil aber auch alles das in kurzer Zeit wieder härter und härter wird und die Geister zum größten Teile sehen, dass ihr ganzes Mühen ein vergebliches ist, so fangen sie bald gewisserart sich einzupuppen an und verwahren sich in Hülschen, die sie recht fest mit einer ihnen entsprechenden bessern Materie umlagern.

08] Dadurch entstehen dann allerlei Samen und Früchte. Aber der am meisten selbstsüchtige Teil des in einer Pflanze freier gewordenen Lebens gewinnt nicht viel; denn das, was sich in eine feste Keimhülse einschloß, muß so oft denselben Weg durchmachen, als wie oft der Same in die feuchte und lebensgesättigte Erde kommt. Der andere, mehr geduldige Lebensteil, der sich's gefallen ließ, in der unteren Materie als Schildwache und als Träger des eifrigsten, furchtsamsten und ungeduldigsten Lebens zu verbleiben, verwest bald und geht bald in eine noch höhere und freiere Lebenssphäre über, umhäutet sich zwar noch immer, aber gewöhnlich schon mit der ihm entsprechenden Tierform; und was da als Frucht von Tieren und gar Menschen verzehrt ward, wird dem gröberen Teile nach zur Bildung und Nahrung des Fleisches verwendet, und dem edleren Teile nach wird es zum nervenstärkenden und belebenden Geiste, und der ganz edle Teil wird zur Seelensubstanz.“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 4  |   Werke Lorbers