Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 189


Oubratouvishar schildert seine Heimat Nubien.

01] (Der Herr:) ”Ich fragte dich ehedem, ob ihr Hunger und Durst habet, und ich fragte dich darum, weil Ich nur zu gut sehe, dass ihr alle voll Hungers und Durstes seid; denn der Tag währt schon vier volle Stunden, und ihr habt seit gestern mittag weder etwas gegessen noch getrunken; denn Milch konntet ihr auf dem Schiffe nicht haben, und das Wasser war schon faul und somit schlecht. Und so geht nun Meine Sorge für euch zunächst dahin, dass ihr eine leibliche Stärkung erhaltet; denn ohne sie würdet ihr nicht jene Ruhe einnehmen können, die dazu notwendig ist, um dann die geistige Kost desto haltbarer in sich aufzunehmen. Denn jemandem, dem der Hunger und der Durst schon bei den Augen und Ohren herausschaut, ein Evangelium predigen zu wollen, bevor man ihn gesättigt hat, wäre eine Krone der menschlich eigenliebigen Torheit! Daher müsst auch ihr zuerst leiblich versorgt sein; dann erst wollen wir uns ums Evangelium umsehen!

02] Aber hier werdet ihr euch schon wider eure Gewohnheit mit Meinen Tischen begnügen müssen und eure mottigen Datteln und Feigen von euren Kamelen verzehren lassen. Lasst euch darum an jenen Tischen dort nieder, die da leer stehen, und ihr sollt sogleich mit Speise und Trank versehen werden zur Genüge! Du, Oubratouvishar, setze dich hierher; denn auch du bist deinem Volke ein rechter König, und dies da ist ein Tisch der Könige, die miteinander abzumachen haben, wie ihre Völker zu leiten und zu Menschen heranzubilden sind!“

03] Alle befolgen, was Ich sage, und unser Markus ist mit Hilfe unsichtbarer Helfer auch mit einem Mahle von den besten Fischen in genügender Menge in Bereitschaft; und als die Schwarzen an den Tischen sich befinden, so werden auch schon die Fische, Brot, Salz und Wein aufgetragen, und es wird den Gästen bedeutet, dass sie das Vorgesetzte verzehren sollen. Alsbald fingen diese an, die noch dampfenden Fische zu Verzehren, nahmen Brot und Wein, und fanden alles sehr gut und wohlschmeckend.

04] Der Anführer, der nun schon mehr Mut hatte, sagte: ”Herr meines Lebens, so etwas Wohlschmeckendes hat noch nie meinen Gaumen berührt! Fische haben und essen auch wir zuweilen daheim; aber das ist eine Bußspeise bei uns. Wer sich irgend unartig benommen hat gegen die einmal bestehende Ordnung, der bekommt Fische zu essen; könnten wir sie auch also bereiten, wahrlich, da hörten sie auf, eine Bußspeise zu sein!

05] Was ist denn aber das für Wasser, das wir hier zu trinken bekommen haben? Das schmeckt ja auch unbeschreiblich gut; das könnte man auch ohne Durst zu jeder Zeit trinken und also auch fortessen dieses honigsüße Brot! Ich habe in Memphis von dem Obersten auch zuweilen ein Stück Brotes zu essen bekommen, das mir aber bei weitem nicht so süß vorkam. Vor allem aber bewundere ich hier dies Wasser! Wo ist dieses Wassers Quelle? Kann man es bei euch hier zu kaufen bekommen? Ich möchte davon etwas in meine Heimat mitnehmen und dorten kosten lassen ein Wasser aus der Erde himmlischen Gebieten.

06] Die Erde ist hier auch viel schöner denn bei uns! Hier ist ja eine außerordentliche Mannigfaltigkeit! Überall strotzt üppiger Wuchs der Kräuter, Gesträuche und Bäume; bei uns gibt es nur gewisse Triften, die also bewachsen sind, - sonst aber ist alles öde, wüste und leer. Hier sind die Berge zumeist bis auf die Gipfel mit den schönsten Bäumen bewachsen und sehen ganz sanft aus; bei mir daheim sind sie ein ganz kahles Gestein, selten auf mancher Stelle mit etwas graurötlichem Moose bewachsen. Sie sehen höchst zerstört und verwittert aus. Ihre Farbe ist zumeist verbrannt rot und dunkelgrau, und sie sind zumeist so steil, dass man sie nur hie und da mit der größten Lebensgefahr erklettern kann. Ist man einmal irgend auf einer Höhe, so kann man es da vor Hitze nicht aushalten, an einem Nachmittage schon gar nicht; denn da werden der Berge Gipfel ordentlich ganz glühend, so, dass über sie gelegte Fische in wenigen Augenblicken ganz durch und durch gebraten werden, auch das Fleisch der Lämmer und Ziegen. An den Nachmittagen setzt sich sogar kein Aar auf eine Bergspitze, und die Steinböcke steigen herab in die Gefilde des rauschenden Nils.

07] Oh, wir bewohnen ein sehr hartes und überheißes Land, allwo es wahrlich zu Zeiten höchst schwer wird, ein Mensch zu sein und zu bleiben! Weit vom Nile entfernt wäre es besonders in der Nachsommerszeit unmöglich zu wohnen; denn da kann es solche Tage geben, die die Steine und den Sand schmelzen, - besonders, so an einem Nachmittage der Wind vom Mittage her zu wehen beginnt. Da sieht man förmlich Flammen über die weiten Sandwüsten sich hinwälzen, und den Menschen und den Tieren bleibt nichts übrig, als den guten Nil zu umarmen, der bei uns wunderbarerweise ganz kalt daherströmt.

08] Gegen die drei letzten Monde des Jahres, bevor der Regenmond kommt, ist es bei uns aber schon am allerschrecklichsten, denn da kommen die Feuergewitter. Es wird ganz entsetzlich schwül. Wolken gleich ungeheuren Flammensäulen kommen hinter den Bergen heraufgestiegen und bedecken am Ende den ganzen Himmel, und zahllose Blitze mit dem furchtbarsten Donnergebrülle entstürzen der grauschwarzen Himmelsdecke und versetzen Menschen und Tiere stets in ein großes Entsetzen. Sie richten zwar wenig Schaden an, weil sie zumeist in der hohen Luft verpuffen; aber es ist und bleibt immerhin kein Scherz, oft bei vierzig Tage lang dieses Gekrache, Gebrülle, Gezische und Gebrause Tag und Nacht in einem fort anhören zu müssen und dabei auch noch in der Furcht zu sein, von einem oft dem Erdboden zu nahe kommenden Blitze auf das schmählichste verbrannt zu werden, - was dann und wann schon geschehen ist, besonders jenen Menschen, die in dieser Zeit nicht sorglichst ihren Leib mit Fett überstreichen.

09] Ist dann die Feuerzeit vorüber, da fängt es an zu regnen und regnet dann gute vier bis sechs Wochen oder Mondwechselzeiten hindurch. Der Regen fällt fein und dicht, und auf den höchsten Bergspitzen schneit es wohl auch zuweilen. Gegen das Ende der Regenzeit wird es oft ganz empfindlich kalt, so dass wir dann oft beim Feuer uns erwärmen müssen. Es ist dies zwar auch nichts besonders Wohltuendes, aber doch immer besser als das Sein im Nachsommer.

10] So ist unser Leben und Wohnen, und Tun und Treiben bestellt! Wir haben sehr viel Ungemach und ganz wenig Angenehmes zu bestehen. Oh, welch ein Himmel sind doch diese Gegenden gegen die unsrigen! Wie anmutig muß sich's hier in diesem wahren Himmel der Erde leben lassen, und wie öde und traurig sieht es dagegen bei uns aus! Aber Du, o Herr, hast es also gewollt, dass wir es nicht anders, in unseren schwarzen Häuten steckend, haben sollen, und es wird denn also auch schon ganz vollkommen recht sein, und es hat noch nie jemand gemurrt gegen solch eine Deiner göttlichen Einrichtungen!

11] Unsere kohlschwarze Haut ist uns in mancher Hinsicht wohl eine recht schwere Bürde; denn fürs erste zieht sie nach unserer vielfach gemachten Erfahrung die Hitze bei weitem mehr an als irgendeine mehr helle Farbe, und fürs zweite sind wir stets abschreckend häßlich gegenüber eurer weißen Gestaltung. Wie schön ist zum Beispiel die himmlische Gestalt dieser hier anwesenden Jungfrau, und wie häßlich dagegen die einer Jungfrau bei uns! Wir sehen und wir fühlen das, und dennoch können wir uns nicht anders färben! Welch ein schönes Haar habt ihr, und welch eine häßliche, ganz verwickelte, schwarze Kurzwolle haben wir zum Schmucke unseres Hauptes! Aber wir murren nicht und sind zufrieden mit allem, was Du, o Herr und Meister, uns beschieden hast!

12] Aber nun muß ich euch denn doch mein schönes Naturgebilde zeigen, und Du, o Herr, wirst es gnädigst bestimmen, welchen Wert es etwa wohl haben könnte!“



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