Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 4, Kapitel 256


Die Außenlebensphäre der Seele und die des Geistes.

01] (Der Herr:) ”Ah, wenn zu Zeiten eines gewissen Verzücktwerdens auf einige Augenblicke der Geist mit seinem Urlebensfeueräther in die vollkommene Seele überstrahlt, dann wird das Fernfühlen, Fernwirken und -schauen sehr potenziert, und der Seele ist es dann in solchen Momenten möglich, sogar bis zu den sehr weit abstehenden Sternen zu reichen und sie dort mit einer großen Genauigkeit zu überblicken; aber wie der Geist sich in der Seele wieder ordnungsmäßig zurückzieht, so kann die Seele mit ihrer puren Außenlebenssphäre nur so weit wirksam reichen, als wieweit sie im günstigsten Falle noch etwas ihr elementar Entsprechendes findet. Es gleicht ihre Außenlebenssphäre der Ausstrahlung eines irdisch ersichtlichen Lichtes. Je weiter von der Flamme abstehend, desto matter und schwächer wird sie, bis am Ende von ihr gar nichts mehr übrigbleibt als Nacht und Finsternis.

02] Aber nicht also steht es mit der Außenlebenssphäre des Geistes. Diese ist gleich dem Äther, der den ganzen, endlosen Raum als völlig gleich verteilt erfüllt. Wenn der Geist denn einmal, als in der Seele frei auftauchend, sich erregt, so erregt sich auch seine Außenlebenssphäre im selben Augenblick endlos weit hinaus, und sein Schauen, Fühlen und Werken geht dann ohne die geringste Beschränkung so endlos weit hinaus, als der Äther zwischen den Schöpfungen und in denselben den Raum durch und durch erfüllt; denn dieser Äther ist - unter uns gesagt - eigentlich ganz identisch mit dem ewigen Lebensgeiste in der Seele. Dieser ist nur ein kondensierter Brennpunkt des allgemeinen Lebensäthers, der die ganze Unendlichkeit erfüllt. Und wie er als ausgewachsen durch die Seele mit dem Außenäther in die Berührung kommt, so vereint sich sein Fühlen, Denken und Schauen augenblicklich mit dem unendlichen Außenlebensäther in die endlosesten Fernen hin ungeschwächt, und was der große Lebensäther im endlosen Raume allenthalben alles umfließend und durchdringend fühlt, sieht, denkt, will und wirkt, das fühlt, sieht, denkt, will und wirkt auch im selben Augenblick der Sondergeist in einer Seele, und das sieht, fühlt, denkt, will und wirkt dann auch die Seele, solange sie von ihrem Geiste durchdrungen wird und dieser im Verbande steht mit dem ihm innigst verwandten unendlichen und allgemeinsten Außenlebensäther.

03] Der Unterschied zwischen der Außenlebenssphäre einer noch so vollkommenen Seele für sich und dem Außenlebensäther des Geistes ist demnach gar leicht begreiflich ein endlos und unaussprechlich großer, und ihr werdet nun etwa wohl schon so einen kleinen Dunst davon zu bekommen anfangen, wie es einem Geiste dann so ungefähr möglich ist, sich fühlend, sehend, denkend, wollend und wirkend in eine noch so große Ferne hin zu versetzen, ja die ganze Unendlichkeit für sich zu durchdringen, weil er in der ganzen, ewigen Unendlichkeit als völligst ununterbrochen auf allen Punkten des ganzen, ewigen Raumes ungeschwächt einer und derselbe ist.

04] Wenn denn durch die Inwohnung in den Seelen Teile des allgemeinen Geistes als abgesondert da sind, so bilden sie aber dennoch gleichfort ein vollkommenes Eins mit dem Allgeiste, sobald sie die Seele infolge der bedungenen Geisteswiedergeburt ganz durchdringen. Sie verlieren dadurch ihre Individualität aber ganz und gar nicht, weil sie als Lebensbrennpunkte in der Menschenform der Seele auch dieselbe Form besitzen und dadurch mit ihrer Seele, die eigentlich ihr Leib ist, als gleich alles sehende und fühlende Geister auch notwendig das fühlen und höchst klar wahrnehmen, was alles als besonders individuell in ihren sie umfassenden Seelen vorhanden ist. Aus diesem Grunde aber kann dann auch eine Seele, die von ihrem Geiste einmal durch und durch erfüllt ist, alles das sehen, fühlen, hören, denken und wollen, weil sie also denn vollends eins ist mit ihrem Geiste.

05] So euch bei dieser nun schon handgreiflichen Erklärung noch kein Licht über das Wesen des Geistes und seiner Fähigkeiten aufgehen sollte, da wüßte Ich Selbst für die Folge wahrlich nicht mehr, auf welche Weise Ich euch das vor eurer Geisteswiedergeburt in eure Seele noch klarer machen könnte! Darum redet ihr nun alle ganz offen, ob ihr Mich nun endlich in diesem allerwichtigsten Punkte wohl verstanden habt!“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 4  |   Werke Lorbers