Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 13


Die Möglichkeit, Größeres zu wirken als Jesus.

01] Mit diesem Bescheide kam der Anführer, begleitet von seinem Diener, zu Mir und wollte Mir buchstäblich kundtun, was seine Gefährten zu ihm geredet hatten.

02] Ich aber sagte zu ihm: ”Freund, dessen bedarf Derjenige, der der Menschen Herzen und Nieren prüft, nicht! Ich weiß schon so um alles, was deine Gefährten dir recht sehr klug anvertraut haben, und du kannst nun aus Meinem Munde erfahren, was da vollkommen Rechtens ist in eurer strittigen Sache. Siehe, höre und verstehe!

03] Wenn ein Mensch auf dieser Erde oder auch erst jenseits, was zumeist der Fall sein wird, die höchste geistige Lebensvollendung wird erhalten haben, so wird er bloß auch nur durch seinen freien Willen nicht nur das, was Ich nun tue vor euren Augen, und was da in allen Schöpfungssphären ist und geschieht, auch tun und entstehen und bestehen lassen können, sondern noch viel Größeres! Denn ein vollendeter Mensch ist erstens als Mein Kind eins mit Mir in allem, und nicht etwa nur im gewissen Sonderheitlichen, und muß, weil Mein Wille ganz auch der seine geworden ist, ganz natürlich auch alles das zu leisten imstande sein, was Ich Selbst zu leisten vermag.

04] Zweitens aber verliert deshalb kein noch so vollendeter Mensch seinen eigensten freien Willen, wenn er auch noch so willenseins mit Mir geworden ist, und kann deshalb nicht nur alles aus Mir heraus wollen, sondern auch ganz ungebunden frei aus sich heraus, und das wird dann ja doch ein offenbares Mehr über Meinen Willen hinaus sein.

05] Es klingt dir solches nun zwar ein wenig fabelhaft, und dennoch ist es also und wird auch für ewig dann also verbleiben. Damit du aber das ganz klar einsehen magst, will Ich die Sache noch ein wenig heller machen durch die Aufmerksammachung auf eine Sache, die dir von Memphis aus nicht mehr völlig fremd ist.

06] Du hast in Memphis bei eurem ersten Dortsein, und zwar beim Obersten, dem weisen Justus Platonicus, mehrere Arten Spiegel gesehen, aus deren höchst geglätteter Oberfläche dir dein Ebenbild entgegenstrahlte.

07] Der Oberste aber zeigte dir am Ende auch einen sogenannten magischen Spiegel, in welchem du, dich über Hals und Kopf verwundernd, dich selbst um vieles größer erschautest, als du für deine Größe in der Natur bist.

08] Der Oberste zeigte dir aber auch noch eine andere Eigenschaft dieses Spiegels. Er ließ nämlich die Sonne hineinscheinen und zündete dann im überaus lichten Brennpunkte, der so beiläufig eine gute halbe Mannslänge außerhalb der von allen Seiten gegen die Mitte eingebogenen Fläche sich befand, allerlei brennbare Dinge an, was dich in ein noch höheres Erstaunen versetzt hat.

09] Nun frage Ich dich, wie denn das möglich war? Wie ging denn das zu, daß der vom sogenannten magischen Spiegel zurückgeworfene Strahl der Sonne eine viel größere Wirkung zustande brachte als die Sonne mit ihren geraden, ungebrochenen Strahlen? Und doch war der Strahl aus dem magischen Spiegel kein anderer als einer aus einer und derselben Sonne!

10] Der Spiegel blieb dabei sicher ganz kalt! Ja, woher nahm denn hernach der Strahl solche das natürliche, freie Sonnenlicht so weit übertreffende Wirkung? Du siehst doch so manches ein und wirst mir da auch irgendeinen Grund angeben können, wenigstens insoweit, als dir solchen der Oberste anzugeben imstande war!“

11] Sagt der Anführer: ”O Herr, Du weißt wahrlich, wahrlich um alles! Ja, es ist wahr, der Oberste in Memphis hatte uns solche Spiegel gezeigt und auch ihre mannigfache Wirkung; aber mit seinen Erklärungen darüber war ich, geradeheraus gesagt, am allerwenigsten zufrieden. Er schien da stark neben Deinem Stocke, denselben nicht einmal streifend, den Hieb geführt zu haben. Kurz, je länger er mir zwar mit allem Eifer die Sache aufzuhellen suchte, desto dunkler war es bei ihm und mir.

12] Nur das einzige schien mir richtig, daß solch ein eingebogener Spiegel die Eigenschaft habe, die von der Sonne ausgehenden Strahlen zu verdichten, und täte dasselbe in einem viel dichteren und gediegeneren Grade, als so man viele ganz ebene Spiegel, die die Sonne in ihrer ganz natürlichen Größe, wie sie unserem Auge erscheint, zeigen, also aufstellen würde, daß aller Strahlen auf einem und demselben Flecke zusammenkommen müßten, welcher Fleck dann auch um vieles heller leuchten würde, als der Lichtfleck nur aus einem einzigen Ebenspiegel gehend. Und das sei denn eine offenbare Verdichtung des Sonnenlichtstrahles, und die Erfahrung zeige es, daß die Steigerung des Lichtes auch eine gleiche Steigerung der Wärme und Hitze zur Folge habe. So etwas ließe sich zwar nach der Meinung des Obersten nimmer genau berechnen; aber es ist dennoch das von ihm Gesagte der vielfachen und wohlerprobten Erfahrung nach sicher.

13] Das, o Herr, ist nun aber auch schon alles, was ich als Besseres aus des Obersten Munde vernommen habe. Was ich aber daraus etwa für einen weiteren guten Schluß ziehen sollte oder könnte, dazu sind die Erkenntniskräfte meiner Seele zu gering, und ich bitte Dich darum abermals, daß Du mir Lichtlosem ein wahres, verdichtetes Licht in meine Seele gießen möchtest, sonst wird es in ihr ebenso dunkel sein, als wie dunkel und schwarz da ist meines schlechten Leibes Haut durch und durch an meinem Fleische!“



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