Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 118


Goldene Richtlinien für die Verbreitung des Evangeliums.

01] (Der Herr:) ”Wohl liegt nun die Menschheit in einer allerdicksten Nacht begraben und schläft einen Schlaf der Toten; all ihr Wissen ist ein eitles Träumen, und niemand weiß dem andern einen Bescheid zu geben. Es gibt wohl eine Menge von Lehrern und Führern aller Art, - aber was nützen sie?! - Denn sie alle sind ebenso blind wie ihre Führlinge; kommen sie an eine Grube, so fallen Führer und Führling hinein, und keiner findet einen Ausweg aus der verderbenbringenden Grube.

02] Aber darum denke man ja nicht, daß sich die Menschen nicht gern einem rechten Führer anvertraueten! Was ist einem Blinden wohl erwünschter als ein sehender Führer, und dann noch um so mehr, so der Führer zum Blinden sagen kann mit einem guten und reell wahren Gewissen: "Freund, nun bist du zwar noch blind; aber so du treu und gläubig mir folgst, so sollst da in Kürze selbst sehend werden!" Und wenn dann trauig der Blinde mit dem sehenden Führer wandelt und in kurzer Zeit seine Augen anfangen, einen nicht unbedeutenden Tagesschimmer wahrzunehmen, - wie wird sein Herz in aller Freude anzuschwellen anfangen!

03] Oh, Ich sage es dir, es ist nicht gar so schwer, wie du es meinst, einem wahrhaft lichtbedürftigen Blinden ein rechter Führer zu werden! Schwer wird dieses Geschäft erst dann, so der zu führende Blinde von dem ein Irrlicht erzeugenden Wahne beseelt ist, daß er selbst ein Sehender sei. Solche Blinde sind unsere Pharisäer und Schriftgelehrten; auch der Heiden allerlei Priester sind davon nicht ausgenommen. Aber was ist da zu tun? - Ein kurzes Beispiel soll dies Verhältnis, und was da zu tun ist, näher bezeichnen!

04] Es zog ein Feldherr mit seinem Heere aus wider einen sehr lästigen, bösen Nachbarfürsten, der sein Reich mit vielen Festungen und festen Burgen wohl versehen und befestigt und alle mit Kriegern und allerlei Kriegswaffen wohl bespickt hatte. Als der Feldherr sich mit seinem Heere den Grenzen des feindlichen Gebietes zu nahen begann, da sprachen seine Unterfeldherren und -führer zu ihm: "Herr, da werden wir alle nichts oder nur sehr wenig ausrichten; denn der Feind hat sich ganz kurios befestigt, bis an die Zähne bewaffnet, und wir werden mit aller unserer großen Heeresmacht nichts ausrichten gegen ihn und werden mit Mann und Maus in seinem Lande zugrunde gehen! Daher wäre es etwa doch vernünftiger, diesmal diesen Feldzug ganz aufzugeben und irgendeine günstigere Zeit abzuwarten!"

05] Darauf entgegnete der große Feldherr: "Bei dem wird die Zeit nie günstiger, und alle die vielen Ermahnungen sind an seinen tauben Ohren und an seinem Herzen stets total abgeprallt. Da heißt es mit bewaffneter Hand ihm zeigen, daß nicht er allein der Mensch ist, alle Güter der Erde für sich in Beschlag zu nehmen. Er hat in seinem Lande wohl eine Menge Festungen und Burgen erbaut und sie bis an die Zähne bewaffnet; allein die gehen uns nichts an! Wir dringen dort ins Land, wo keine Festungen und Burgen stehen, ziehen mit leichter Mühe seine mit ihm höchst unzufriedenen Völker an uns, geben ihnen Licht und weise Gesetze, und er soll da sehen, was ihm alle seine Festungen und Burgen nützen werden. Greift er uns aber an, die wir vom Kopfe bis zur kleinen Zehe bestens gewappnet sind und das Schwert, die Lanze, die Pfeile und die Wurfspieße wohl zu gebrauchen verstehen, so reiben wir ihn durch unsere große Übermacht und durch unseren Mut und durch unsere anerkannt größte Waffengebrauchsgeschicklichkeit bis auf den letzten Kriegsmann auf!"

06] Als die Unterfeldherren solchen weisen Angriffsplan von ihrem Oberfeldherrn bekamen, da bekamen sie nicht nur die sehr löbliche Einsicht, daß es also sicher am allerbesten gehen werde, sondern auch den rechten Kriegsmut und die volle Überzeugung für ein sicheres Gelingen ihres Kriegsplanes. Sie kamen an des Feindes Landesgrenze, allwo keine Festungen und Burgen standen, und drangen also ohne einen Schwertstreich ins Land. Das Volk strömte ihnen mit weißen Fahnen haufenweise entgegen und begrüßte sie als seine Lebensretter.

07] Als des Tyrannen Kriegsleute aus ihren Burgen das sahen, wie alles Volk sich um das fremde Heer stets mehr und mehr zu scharen begann, da fingen sie an, sehr ernstlich zu beraten, was da nun zu tun sein werde. Der Tyrann gebot ihnen, alles aufzubieten, um den Feind aus dem Lande zu treiben; aber seine Feldherren sagten zu ihm: "Das ist zu spät! Was nützen uns unsere Festen und Burgen?! Der Feind hat alles Volk für sich und daher schon eine ungeheuer große Macht. Unser Kampf gegen sie wäre wie ein Mann gegen tausend. Wir sind total besiegt, und unsere Festen und Burgen nützen uns nichts mehr; denn die festeste Burg ist das Volk, und dieses ist in den Händen der Feinde, und uns bleibt daher nichts übrig, als ganz ehrlich zu kapitulieren!" Der Tyrann rümpfte hier freilich ganz entsetzlich die Nase; aber was wollte er tun?! Er mußte sich am Ende dennoch nach dem Rate seiner Feldherren richten.

08] Seht, desgleichen tut auch ihr als kluge Ausbreiter Meiner Lehre! Lasst stehen die Tempel und die vielen Priesterhäuser; bearbeitet nur das Volk! Ist das mit leichter Mühe einmal auf eurer Seite, dann werden die alten Götzentempel ehestens von selbst allen Wert verlieren und zusammenstürzen. Und ihre Diener werden, aus eigenem Antriebe und durch die Not gedrungen, zu euch übergehen und die neue Lehre annehmen und mit ihr zu handeln und zu wirken anfangen.

09] Und du, Mathael, wirst daraus hoffentlich auch so klug geworden sein, um einzusehen, daß die Ausbreitung dieser Meiner Lehre eben nicht zu schwer ist, wenn man sie nur klug genug auszubreiten anfängt; aber greift man etwas plump an, so wird die Wirkung auch gleichen dem Angriffe! - Hast du, und ihr alle, das nun wohl begriffen und verstanden?“



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