Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 152


Weitere Erklärungen von alttestamentlichen Wundern.

01] Hier unterbrach Cyrenius den Erzähler und sagte zu ihm: ”Gar so dumm, wie ich anfänglich glaubte, bist du wohl mitnichten; aber weil du die Sachen denn gar so gut ganz aus der Natur heraus zu verstehen scheinst, so möchte ich denn doch von dir erfahren, wie du mir die bekannte Erscheinung aus der Bundeslade, und zwar deren tägliche Rauch- und deren nächtliche Feuersäule, erklären wirst. Wie entstand denn hernach diese auf deinem so ganz natürlichen und wunderlosen Wege?“

02] Spricht der Pharisäer ganz leichten Gemütes: ”Hoher Gebieter! Nur einen kleinen Blick in die alte Kriegführung gemacht, - und die berühmte und so sehr vergöttlichte Bundeslade ist fertig! Der Kasten selbst war nach der altägyptischen Art ein wohlkonstruiertes, Elektrizität im größten Maße erzeugendes Instrument. Hinter dem höchst komplizierten Kasten waren eherne Karren zum Rauchmachen. Man füllte sie mit allerlei stark rauchenden und zumeist aber auch sehr stinkenden Sachen, wie Federn, Haaren von allerlei Tieren und auch Menschen, bestreute solche Rauchingredienzien (Rauchbestandteile) mit Schwefel, Pech und Salniter (Salniter = Sal nitri = Salpeter) und zündete dann einen solchen Karren an. Das gab einen dickmächtigen Rauch, der in kurzer Zeit hinter sich, besonders bei einem schnellen Karrenzuge, den Weg, einem dichten Nebel gleich, verhüllte und dem nachziehenden Feinde die Aussicht auf die Wendungen und Stellungen des verfolgten Heeres benahm, zugleich aber auch, als den Kamelen, Pferden und Elefanten zu unausstehlich widrig, diese Kriegstiere zur Umkehr und zum Rückzuge brachte, was für den verfolgenden Feind sicher keine wünschenswerte Sache war. Daß hinter einem flüchtigen Heere oft mehrere der nun beschriebenen Karren gezogen wurden, läßt sich wohl von selbst denken. - Da wäre nun im wahren Bilde die so wundervolle und gar überheilige Bundeslade Mosis, und ich kann zu dir, allerhöchster Gebieter, auch mit gutem Gewissen sagen: Sapienti pauca! (Dem Einsichtsvollen genügt weniges!)“

03] Sagt Cyrenius: ”Gut, lassen wir also das! Wie aber erklärst du mir dann den Einsturz der Mauern der alten, großen Stadt Jericho? Die Bundeslade ward herumgetragen um die Mauern der Stadt, begleitet von mächtig schallenden Posaunen nach der Art, wie sie schon bei den alten Ägyptern in den Tempeln üblich waren, und ich glaube, schon beim dritten Umzuge stürzten die Mauern wie Brei zusammen. Wie war denn das möglich? Der Schall von einer Million Posaunen hätte das für sich wohl nimmer zu bewirken vermocht! Erkläre mir denn auch das auf deine natürliche Weise!“

04] Sagt der Pharisäer, einen hübsch lauten Lacher voranschickend: ”Na, das wird etwa doch mit den Händen zu greifen sein! Man erzählt sich von den alten Ägyptern mit der größten Bestimmtheit, daß sie mittels der rechten Benutzung der Elektrizität die Schiffe der Feinde zertrümmerten und verbrannten. Hier sehen wir die gewisse Lade mehrere Male um Jerichos Mauern wandern, - und Josua wird es wohl der Wahrheit nach gewußt haben, warum er das getan hat! Er muß mit der Behandlung und Wirkung der Lade sehr vertraut gewesen sein! Ich meine da auch wieder: Sapienti pauca!“

05] Sagt Cyrenius: ”Ja, die Sache läßt sich hören; aber so die Lade nichts als so eine pure Elektrizitätsmaschine war, so müßte sie ja noch heutzutage das sein!? Warum macht sie denn heutzutage nicht dieselbe Wirkung?“

06] Sagt der Pharisäer: ”Nun, davon wird der Grund wohl etwa doch auch ein sehr begreiflicher sein? Besehen wir uns ein Haus, das ungefähr tausend Jahre Alters zählt, oder ein Schiff, oder einen Rock; der wird von solch einem Alter wohl etwa auch ein schon sehr stark anderes Aussehen haben! Sogar Steine verwittern oft in tausend Jahren sehr merklich, - um wieviel mehr ein altes Holz und die unedleren Metalle, als etwa das Kupfer und das Eisen; sogar dem Golde kennt man tausend Jahre recht gut an!

07] Wir sind noch im Besitze der alten, kunstvollen Lade, die aber mit der Zeit schon derart schadhaft geworden ist, daß sie von der ursprünglichen wirkungmachenden Einrichtung ebensoviel mehr besitzt wie ein Greisenmund der gesunden Zähne, die er schon lange losgeworden ist. Zudem haben die Babylonier ganz gut verstanden, den Tempel samt der Lade zu plündern. Wir aber verstehen es nicht, wie die Lade einst eingerichtet war. Der Form nach haben wir wohl eine ganz gleiche anfertigen lassen; aber die Wirkung der alten kann sie unmöglich haben, weil ihr die erforderliche innere Einrichtung gänzlich mangelt und mangeln muß, weil in dieser Zeit bei uns wenigstens niemand mehr sie einzurichten versteht. - Ich meine, höchster Gebieter, daß ich mich auch darüber möglichst klar ausgedrückt habe!“

08] Sagt Cyrenius: ”Ja, wenn denn aber also schon alles so gewisserart auf einem feinen, frommen Betruge basiert ist, wie kannst denn hernach du mit deiner ganz kerngesunden Ansicht und Einsicht ein wohlkonditioniertes Mitglied solch einer Truganstalt verbleiben?“

09] Sagt der Pharisäer: ”Das ist ja eben des Satans Kern! Weil man als noch ein Blinder zum Mitgliede der Kaste geworden ist! Als ein Sehender hätte man sich etwa wohl schwerlich je dazu bekannt! Ist man aber nun schon einmal dabei und sieht, daß die ganze Welt ein Narrenhaus ist, nun, so macht man denn notgedrungen einen Narren des lieben Magens wegen mit, wie auch der Heilsamkeit der gerne gesund sein wollenden Haut wegen! Eine Desertion wird bei unserer Kaste aus wohlweisen Gründen noch immer mit dem keineswegs angenehmen Tode der Steinigung ohne alle Nachsicht bestraft! - Ich meine, daß diese Antwort auch sehr begreiflich und hinreichend verständig gegeben ist.“



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