Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 5, Kapitel 157


Die Erde, eine Übungsschule für Gotteskinder.

01] Cyrenius aber sagt abermals zu Mir: ”Herr, ich weiß zwar nun aus Deinem göttlichen Munde, warum auf der Welt alles also ist und geschieht, und kenne nun Deine göttlich weisesten Pläne in bezug auf die Erziehung der Menschen in allen Zeiten und in allen Zonen dieser Erde; aber daneben muß ich dennoch ganz offen gestehen, daß irdisch genommen dieser Pharisäer im Grunde in seinen Ansichten recht viel für sich hat. Es ist das wahrlich von Alpha bis Omega keine Welt der Liebe und der Wahrheit, sondern eine recht arge Welt voll Hasses und voll Lüge und Falschheit und Unrechts! Sie könnte aber wohl auch anders sein! Aber es ist einmal also und wird nie anders werden, und die Erde ist dazu verdammt, ein Haus des Jammers zu verbleiben, und ihre Menschenkinder müssen stets verschmachten auf ihrem Boden! Aber es könnte ja anders sein!“

02] Sage Ich: ”Ja, ja, es könnte wohl anders sein, so wie es auch auf zahllos vielen andern Weltkörpern anders ist; aber dann wäre eben diese Erde nicht ausersehen für die Zucht jener Menschen, die bestimmt und berufen sind, Meine Kinder zu werden!

03] Kann die wahre, mächtige Liebe sich als solche je völlig erkennen unter Menschen, die selbst pur Liebe sind?! Welchen Probierstein soll man zur Übung in der Geduld, Demut und Sanftmut den schon von Geburt an mit aller Liebe erfüllten Menschen geben?!

04] So Ich aber schon jedes Menschen Natur also gestellt hätte, daß er schon von der Geburt an in der höchsten Vollendung ohne sein Zutun dastünde, welche Übung des Lebens und Selbstfortschreitens wäre für ihn da wohl noch denkbar?!

05] Zu welcher Tätigkeit könnten dann endlich solche Geister verwendet werden? Ich sage es dir: Da wären ja die Bäume des Waldes und die Felsen der Gebirge in der zum freien Leben allerunentbehrlichsten Selbsttätigkeit ums gar Vielfachste bevorzugter als ein schon von der Geburt an in jeder Beziehung ganz vollendeter Mensch!

06] Ein Mensch, der einmal physisch völlig ausgebildet wäre und stets einen gedeckten Tisch mit allerlei der köstlichsten Speisen und Getränke vor sich hätte, daß alsonach bei ihm von einem Hunger oder Durste nie die Rede sein könnte, der dazu aber auch ein allerherrlichstes Wohnzimmer hätte, nebstdem auch alle die vollendetsten Geistesfähigkeiten, alles bis ins kleinste Detail, das Nahe wie das Ferne zu schauen und zu vernehmen, wie auch zu genießen und sich allenthalben mit allem zu verständigen, und dem nie irgendeine noch so kleine Unannehmlichkeit in die Quere kommen würde, ein solcher würde wohl sicher kaum seine Ruhestätte einen Augenblick lang verlassen!

07] Ich sage es dir: Solch einem Menschen würden selbst Meine größten Wunderwerke ebenso gleichgültig sein wie der Schnee, der zu Adams Zeiten die Berge mit dem Kleide der ewigen Unschuld umhüllte! Oder meinst du, daß Mir Selbst Meine unendlichste, ewige Lebensvollendung zu etwas frommte und Mir eine Seligkeit abgäbe? Wahrlich nicht!

08] In dem zahllos vielen Mitwachsen in Meinen natürlich ebenso zahllos vielen unvollendeten Kindlein, in ihrem zunehmenden Erkennen und Vollkommenerwerden und in ihrer daraus wachsenden Tätigkeit liegt auch Meine eigene höchste Seligkeit. Ihre Freude über eine mühsam errungene, vollendetere Fähigkeit ist auch Meine stets jüngste Freude, und Meine unendliche Vollkommenheit bekommt ja erst dadurch den unschätzbarsten Wert, so sie von den noch unmündigen Kindlein stets mehr und mehr angestrebt wird und sich teilweise auch in ihnen unverkennbar wachsend zu erkennen gibt. Du verstehst Mich, was Ich dir damit sagen will?!

09] Wäre es nicht also, meinst du, daß Ich je eine Welt und irgendein lebendes Wesen auf ihr gestaltet hätte? Alles das war Mir schon von Ewigkeiten her ein unerläßliches Bedürfnis gewesen, ohne welches nie eine Erde erschaffen und mit allerlei Wesen belebt worden wäre.

10] Wie es also ist, so muß es bleiben! Ich bin nicht gekommen, um der Erde den Frieden und eine tote Ruhe, sondern das Schwert, den Kampf im höheren Tätigkeitsmaße zu geben. Denn erst dem Hasse gegenüber wird die Liebe zur wahren und lebendigen Tatkraft, und der ruhige Tod muß fliehen vor ihr. Die die Menschheit verfolgende Not macht sie tätig, mit der Zeit geduldig, sanft und in Meinen Willen ergeben. Gäbe es keine Lüge mit ihren bitteren Folgen, welchen Wert hätte da die Wahrheit für sich?! Wer zündet am Tage sich ein Licht an, und wer achtet den Wert einer brennenden Öllampe beim Lichte der Sonne?!“



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