Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 196
Jesus lehrt im Tempel. Die Urteile des zuhörenden Volkes.
joh.08,02-11] Jesus rettet eine Ehebrecherin
- joh.08,02] Und frühmorgens kam er wieder in den Tempel, und alles Volk kam zu ihm, und er setzte sich und lehrte sie.
01] a Als der Tempel aber geöffnet ward, da ging Ich also sehr zeitig morgens mit den Jüngern in den Tempel und war sonach einer der ersten darin. Und als das Volk sah, daß Ich in den Tempel gegangen war, da kam es in großer Menge zu Mir, und Ich setzte Mich und fing an es zu lehren durch Gleichnisse, Bilder und Beispiele, wie solche vielfach in den Evangelien vorkommen. (a Johannes.08,02*)
02] Ich zeigte ihnen die große Liebe, Güte und Gerechtigkeit Gottes des Vaters, und also zeigte Ich ihnen auch, worin eigentlich das Reich Gottes besteht, das nun so nahe zu ihnen gekommen ist.
03] Und gar viele glaubten an Mich.
04] Und es sagten etliche: Das ist wahrlich ein großer Prophet, und es wundert uns sehr, daß die Pharisäer das nicht anerkennen wollen! Er ist zugleich im höchsten Grade uneigennützig; denn so vielen er auch schon unseres guten Wissens übergroße Wohltaten erwiesen hat, so hat er sich doch nie von jemandem etwas bezahlen lassen, und es ist ganz gewiß, daß er überall, wo man ihn und seine Jünger noch nach altem Brauch gastfreundlich aufgenommen und bewirtet hat, dem Wirte stets auf eine wunderbare Weise eine Wohltat erwies, die offenbar mehr wert war als tausend Male das, was er vom Wirte empfangen hat. Dazu ist er kein Kopfhänger und geht mit allen Menschen gleich um, und so er nun sagt: a 'kommt alle zu Mir, die ihr mühselig und belastet seid, Ich will euch alle erquicken, und ihr sollt bei Mir den rechten Trost des Lebens und seine wahre Ruhe finden!', so müssen wir es ja glauben! (a Matthäus.11,28)
05] Ein Mensch aber, der also weise und herzlich gut redet und selbst auch also handelt und so große Zeichen wirkt, ist doch wahrlich ein großer Prophet, und komme er her, von wannen er wolle! Und so der Messias kommen wird, da fragt es sich, ob Er größere Zeichen tun wird! Wenn Er nicht mit Donner, Blitz und Schwefelregen kommt, so werden die Pharisäer an Ihn ebensowenig glauben wie an diesen!
06] Andere wieder, die noch gläubiger waren, sagten: Wir brauchen auf gar keinen andern Messias mehr zu warten; denn wir halten Den schon für den ganz rechten! Denn Seine Worte haben Kraft und Leben, und Seine Taten sind völlig göttlicher Art, und so ist Er schon ganz vollkommen der rechte Messias für uns. Die auf einen andern warten wollen, die sollen warten und sich selbst betrügen!
07] Sagten wieder andere: Wir stehen noch zu sehr unter der Gewalt der Pharisäer und können nicht tun, was wir wollen. Was nützt uns die Wahrheit und der Glaube, solange die Pharisäer die Gewalt in ihren Händen haben, und das eben jetzt unter den Römern mehr denn jemals zuvor?!
08] Da sagte aber Ich: Gott Selbst ist die ewige Liebe und die Wahrheit selbst! Nichts in der Welt kann euch a frei machen als allein nur die Wahrheit. b Wer die Sünde, welche allzeit eine Lüge war, tut, der ist auch der Sünde Knecht und ein Sklave der andern noch größeren Sünder, die kein Gewissen und keine Liebe haben als allein nur für ihr schmähliches Ich. Wer aber die Wahrheit in sich hat, der ist ein mächtiger Feind der Lüge und der Sünde und ist frei; denn niemand kann ihn einer Sünde überführen. Darum erwählt die Wahrheit und c fürchtet die nicht, die wohl euren Leib töten, aber eurer Seele weiter nichts tun können; aber fürchtet vielmehr Gott, der eure Seele samt dem Leibe töten und verderben kann! (a Johannes.08,32; b Johannes.08,34; c Matthäus.10,28; Lukas.12,04)
09] Den Schaden am Leibe wird euch Gott dereinst tausendfach vergelten; aber den Schaden an eurer Seele wird euch Gott nimmerdar vergelten. Denn darum hat Gott der Seele den Verstand, die Vernunft, das Gewissen und den freien Willen und das Gesetz gegeben, damit sie wohl beurteilen kann, was da gut und böse ist, und sie kann mit ihrem Willen das eine oder das andere erwählen. Was sie aber erwählen wird, danach wird sie auch aus sich selbst gerichtet werden, entweder zum Tode oder zum Leben.
10] Der Vater im Himmel aber will, daß ihr alle das a ewige Leben überkommen sollet, und hat Mich darum in diese Welt zu euch gesandt. Darum sage Ich euch noch einmal: b Wer an Mich glaubt, der wird das ewige Leben haben; wer aber nicht glaubt, daß ich vom Vater aus zu euch gesandt wurde, der wird um das Leben kommen, das er sich nun leicht hätte nehmen können. c Der Vater im Himmel aber hat Mich lieb, und so auch alle, die an Mich glauben, und Ich Selbst werde ihnen geben in der Wahrheit Meiner Worte das ewige Leben! (a Johannes.03,15 f.; b Johannes.05,24; c Johannes.16,27)
11] Hier sagten einige: Es ist doch sonderbar, wie der Mensch aus sich redet und sich selbst Gott nahezu gleichstellt. Es ist nur ein wahres Wunder, daß ihn heute die Pharisäer so lange ertragen können!
12] Sagten wieder andere: Er redet frei und offen, und wir finden nichts Ungebührliches in seinen Worten! Er spricht offen die volle Wahrheit, und die Pharisäer müßten erst suchen, daß sie etwas wider ihn fänden!
13] Sagten wieder andere: Oh, sorget euch um etwas anderes; die werden bald etwas haben!
14] Sagte ein danebenstehender Zöllner: O ja, womit sie wieder, wie noch allzeit, abziehen werden! Diese Faulhäute erfinden schon lange nichts mehr wider diesen Wahrhaftigen!
15] Darauf ward eine kleine Weile Ruhe, und die Pharisäer wurden voll Grimm und sannen nach, wie sie Mich etwa mit einem Worte oder mit einem von Mir begehrten Rechtsspruche fangen könnten, auf daß sie Mich dann einer Unwahrheit zu zeihen imstande wären, um dem Volke mit allem Pompe zu sagen: 'Da seht nun euren wahrhaftigen Propheten oder gar euren schönen Messias! Wie steht er nun als ein Lügner vor euch!' Aber trotz ihres gewaltigen Nachsinnens wollte sich nichts so recht Haltbares finden lassen.