Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 17


Das selbstsüchtige Treiben der jüdischen Priester im Tempel.

01] Sagte Ich: ”Meinst denn du, diese haben uns etwas Neues gesagt?! Oh, mitnichten! Das ist Mir schon sogar als einem Menschensohne sehr lange bekannt! Erinnerst du dich noch an Mein zwölftes Jahr, wo Ich als Knabe drei Tage hindurch mit den Pharisäern und Schriftgelehrten und Ältesten verkehrte? Siehe, schon damals sah es im Tempel geradeso aus wie jetzt, und schon früher auch; aber es waren doch wenigstens einige würdige und wahrhaftige Nachfolger Mosis und Aarons wirklich aus dem Stamme Levi auf dem Stuhle Mosis und seines Bruders Aaron. Zacharias aber war der letzte, und jetzt sind im Tempel gleich schon alle Stämme vertreten, da sich ein jeder darin ein Amt nach Belieben ums Geld erkaufen kann.

02] Kurz und gut, Mein Haus - wie der Prophet sagt - haben sie zu einer Mördergrube gemacht, und daher ist darin kein Heil mehr zu suchen! Aber dennoch sage Ich euch allen: Die Lehren derer, die auf dem Stuhle Mosis und Aarons sitzen, wenn sie Gottes Wort predigen, mögt ihr noch immer anhören; aber auf ihre argen Werke seht nicht, und Macht sie ihnen noch weniger nach, denn diese sind ein allerabscheulichster Betrug!

03] Daß sie aber nun so sind, wie sie sind, das ist das Gericht Gottes über sie, dieweil sie von Ihm abgewichen sind und sich gewendet haben zum Mammon, der nun ihr Gott ist. Wer weiß es nicht, daß früher die Erstlinge aus jeder Ehe im Tempel als Opfer Gott dem Herrn bis zu ihrem vierzehnten Jahre frei und bestens erzogen worden sind, und daß solche Erstlinge gar oft sichtbar von den Engeln des Himmels bedient und belehrt worden sind?“

04] Sagen alle: ”Ja, das ist eine buchstäbliche Wahrheit!“

05] Rede Ich weiter: ”Wo geschieht so etwas jetzt?“

06] Sagte ein Jude: ”O ja, das geschieht jetzt auch noch, aber freilich auf eine ganz andere Art! Anstatt der Erstlinge als Opfer für Gott den Herrn nimmt der Tempel lieber das Geld; wer aber kein Geld hat, der kann den Erstling entweder selbst behalten ohne allen Anstand, und es werden um ein paar Groschen zum künftigen Wohle desselben etliche Gebete in den Gotteskasten hineingemurmelt, oder, wenn die Eltern des Erstlings sich als noch echtgläubige (Juden) auf die alte Satzung versteifen, so wird der Erstling wohl angenommen mit der vorgeschriebenen Zeremonie, aber sodann gleich irgendeiner Hebamme um ein geringes Geld übergeben. Wenn das Kind am Leben bleibt, so wird es dann als ein Dienstbote an irgendeinen Landmann ordentlich veräußert, wo es dann aufwächst ohne Lehre und Unterricht wie ein Tier, und verlangen es die Eltern dann nach dem zurückgelegten vierzehnten Jahre zurück, so wundern sie sich dann freilich nicht wenig, daß ihr Erstling im Tempel so wenig Gnade gefunden hat, und haben dann erst ihre rechte Not mit ihm.

07] Darum geben die Armen nun ihre Erstlinge auch gar nicht mehr in den Tempel, sondern halten sich lieber an die neue Satzung, von der wir früher geredet haben. Bei den Reichen ist es freilich anders; die werden wohl im Tempel, natürlich ums Geld, ganz ordentlich gepflegt und mit der Zeit auch zuweilen von Pseudoengeln besucht, bedient und auch mit einigen auswendig gelernten Schriftexten unterwiesen, die aber die Engel ebensowenig verstehen wie ihre frommen Zöglinge.“

08] Sagte Ich: ”Nun ist's aber auch schon ganz gut mit diesen leider nur zu wahren Kundgaben; denn es kommen nun unsere Bürgerjuden, und wir wollen sie nicht über die Maßen ärgern. Sie wissen zwar auch manches, aber das alles natürlich nicht, und so wollen wir sie zum voraus nicht zu tief in die inneren, bösen Geheimnisse einweihen. Auch ihr alle redet nicht viel davon; denn sonst könntet ihr euch in große diesirdische Verlegenheiten stürzen, die dann auch eurer Seele Schaden bringen könnten! Denkt vielmehr: "Wir sind in unseren Herzen frei und haben das rechte Licht und den rechten Weg zum Leben gefunden!" Solange aber Ich sie noch dulde, damit ihr böses Maß voll werde, so lange duldet auch ihr sie, und haltet euch an ihre guten Lehren; von den schlechten aber wendet Augen und Ohren ab! Und nun genug von diesem Kapitel; denn unsere Bürger stehen schon an der Flur und haben auch noch nichts gegessen; darum sollen sie auch hier etwas zu essen und zu trinken bekommen.“



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 6  |   Werke Lorbers