Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 74


Ein Schiff der Pharisäer in Seenot.

01] Die neubelebte Tochter, ihre Mutter und ihre Geschwister kamen auch zu uns und behorchten die Reden der Jünger, die diesmal viel von den argen Spukgeistern und Teufeln zu erzählen wußten und auch eine Behauptung aufstellten, der nach sich so manche Menschen vor den Verfolgungen dieser sichtbaren, argen Wesen gar nicht zu schützen imstande wären. Man könne solche Zulassungen von Gott aus nicht gar wohl einsehen; es wären da die von den Teufeln Besessenen sehr in eine rechte Betrachtung zu ziehen, besonders da, wo das Besessensein schon bei den zarten Kindern vorkomme.

02] Da sagte auch unser Wirt: ”Ja, das ist eben eine sehr sonderbare und durchaus nicht begreifbare Sache! Ich selbst habe Erscheinungen dieser Art schon gar oft bei Kindern in einem Alter von fünf Jahren gesehen, die auf eine erbärmlichste Weise von den sie besessen habenden Geistern zugerichtet wurden. Das Sonderbare dabei ist nur das, daß nahezu niemand mehr solchen Übeln abhelfen kann.“

03] Sagte Ich: ”Meine alten Jünger sind da schon eingeweiht und können dir darüber Bescheid geben, namentlich Simon Juda - nun Petrus - und Jakobus und Johannes; sie können solchen Übeln auch sogleich abhelfen gleichwie Ich. Aber Ich Selbst rede nun nichts Weiteres darüber; denn Ich habe ehedem gesagt, daß Ich die etlichen Tage Ruhe nehmen werde im Lehren wie auch im Handeln. Ihr alle aber könnt reden und tun, was ihr wollt; nur Macht Mich nicht ruchbar in der Gegend, und noch weniger in der Stadt!“

04] Die Jünger setzten dann ihre Erzählungen fort, und Johannes erklärte den Neujüngern die Erscheinung des Besessenseins, und als er so gegen die Mitte der Nacht hin damit zu Ende kam, da begaben wir uns alle zur Ruhe.

05] Am Morgen standen wir dennoch schon recht früh auf, und Ich ging mit den drei vorerwähnten Jüngern vor dem Morgenmahle hinaus ins Freie. Der Wirt kam uns auch bald nach; aber die andern Jünger blieben im Hause und zeichneten sich so manches auf. Wir aber besprachen uns über das Schicksal des Pharisäerschiffes, das sich noch in der Mitte des Meeres mit den mächtigen Wogen herumbalgte. Der Wirt meinte, ob der Wind es noch nicht hinter die Stadt Tiberias geschoben hätte.

06] Ich aber sagte: ”Bis jetzt noch nicht, das wird ihnen erst in ein paar Tagen zuteil werden, das heißt, wenn sie ihre Gesinnung etwas ändern werden, - ansonst lasse Ich sie noch etliche Tage lang nahezu in der Mitte des Meeres stehen und vergeblich rudern!“

07] Der Wirt verstand nun, daß mit Mir durchaus kein Scherz zu treiben sei, und gab Mir recht, daß Ich die argen Verfolger Meiner Person also plage. Der Wirt aber war eben ein großer Feind der Templer und hatte darum eine große Freude, so über sie irgendeine namhafte Bedrängnis kam.

08] Wir sprachen nun weiter nichts mehr darüber und betrachteten die starken Wogen des Meeres und die vielen Scharen der Wasservögel, die bei so starkem Wogengange stets gegenwärtig sind und ihren Fraß suchen. Der Wirt fragte, wo diese Vögel denn dann sich aufhielten, so das Meer ruhig sei.

09] Und Petrus, als ein mit dem Meere sehr vertrauter Fischer, sagte: ”Siehe, das sind im Grunde eine Art Wasserraubtiere, die nur dann so häufig und in großer Anzahl zu sehen sind, wenn es für sie etwas zu rauben gibt; sonst sitzen sie an den Gestaden des Meeres, die nicht zugänglich sind, weder von der Land- noch von der Wasserseite. An solchen Stellen gibt es eine Menge Insekten und Würmer, die diesen Tieren zur Nahrung dienen. Bei großen Stürmen aber verkriechen sich derlei Insekten und Würmer, und die Vögel ziehen dann hungrig auf den Raub der kleinen Fische aus, und so der Sturm sich gelegt hat, da kehren sie wiederum heim, wo sie ihre gut verwahrten Nester haben. Da hast du nun, was du noch nicht hattest; es liegt zwar nicht viel daran, aber es ist dennoch gut, auch derlei ganz gut zu wissen.“

10] Damit war unser Wirt ganz zufrieden und meinte, daß wir nun zum Morgenmahle zurückkehren könnten.



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