Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 6, Kapitel 89


Gespräch zwischen Arzt und Wirt über Jesus.

01] Als wir unsere Ruhestühle für unsere Ruhe in Beschlag genommen hatten, da verließen uns auch sogleich der Zöllner, sein Sohn, seine andern Kinder und seine Weiber, deren er nach der morgenländischen Art und Sitte sieben hatte, auch seine vielen Beamten und andern Diener, und wir schliefen bald ganz gemächlich ein, da wir von der langen Reise wohl recht müde geworden waren. Aber die Hausleute blieben in andern Zimmern noch lange wach und redeten viel über unser Erscheinen in ihrem Städtchen.

02] Der zurückgebliebene Jüngere Arzt sagte noch zuletzt zum Zöllner: ”Freund, wenn es möglich wäre, so eine Lebensmeisterschaft sich zu eigen zu machen, da hätte man bald das Geld der ganzen Erde beisammen! Da würde ja so mancher König sein halbes Reich dem zum Geschenke machen, der ihm also das Leben sichern könnte! Nein, was doch auf der lieben Erde alles vorkommt!

03] Wie lange ist es denn, als etliche Magier, aus Ägypten kommend, bei Gelegenheit ihrer Durchreise nach Melite uns mit so manchen sonderbaren Zaubereien überraschten?! Aber alle ihre Stücke waren wohl mit Händen als falsche Wunder zu greifen und schafften niemandem außer ihnen selbst einen Nutzen. Man unterhielt sich wohl gerade nicht schlecht; aber niemand lernte etwas Gutes dabei. Sie brachten auch allerlei Apparate mit und Schlangen und Affen und Hunde, Kamele und Maultiere und Gefäße voll Salben und Öle. Diese nun kamen zu Fuß, brachten gar nichts mit und leisten Dinge, daß man sie wahrlich ganz leicht für Götter halten könnte! Darüber kann nichts noch Größeres mehr kommen!

04] Auch ihre Lehre an uns war ganz gut und ihrer Sache, die sie betreiben, angemessen; nur hat das alte Judentum stark herausgeleuchtet sowie die mir nicht unbekannten Grund- und Lehrsätze der alten jüdischen Prophetenschulen, aus denen auch ganz außerordentlich weise Männer, die man Propheten nannte, hervorgegangen sein sollen. Nun, ob man aber selbst durch die möglich genaueste Beachtung der uns ganz kurz kundgemachten Regeln im Ernste zu der wunderbaren Lebensmeisterschaft gelangen kann, das wird etwa wohl noch seine sehr geweisten Wege haben!

05] Irgendeine einzige und einige Gottheit gewisserart über alles im vollsten Lebensernste lieben, ist eine schwere Sache, weil man als ein reif denkender Mensch schon schwer glaubt, daß es irgend einen solchen Gott für völlig erwiesen wahr gibt. Sein Beweis für das Dasein eines alleinigen, wahren Gottes ist ganz gut und läßt sich gut anhören; aber es gehörte dazu von seiten des Lehrlings eine sehr fleißige Übung von der Wiege an, und das unter der beständigen Leitung eines erfahrensten Theosophen, ansonst auf diesem Wege schwerlich je jemand zu einer vollen Erkenntnis eines einigen und wahren Gottes gelangen dürfte.

06] Sei ihm nun aber schon, wie ihm wolle, und abgesehen von der uns gegebenen Erklärung von seiten des Hauptwundermannes, so ist er doch eine außerordentliche Erscheinung! Fürs erste einen Toten bloß durch ein Wort ins Leben zurückzurufen, und ganz gesund auch noch dazu, das ist ein Etwas, das in solcher Vollendung noch nie da war, - und fürs zweite auf ein Haar zu wissen, was man sich noch so geheim denkt, und einen zuvor nie gesehenen Menschen gleich bei seinem Namen zu nennen, - Freunde, das sind Dinge, die kein Menschenverstand zu fassen imstande ist! Wahrlich, obschon ich auf die Götter und Gottheiten eben keine zu großen Stücke halte, so wäre ich aber nun dennoch sehr geneigt, diesen Mann eher für einen Gott zu halten denn für einen puren Menschen!“

07] Sagte der Zöllner: ”Dieser Meinung wäre ich auch, und man würde durch diese Annahme viel eher am Ziele sein als durch die noch so strenge Beachtung seiner uns gezeigten Regeln. Übrigens hat er ein paar Male so ziemlich laut durchblicken lassen, daß hinter ihm etwas mehr denn ein purer Erdenmensch stecke. Nun, morgen wird sich vielleicht noch so manches über diesen guten Mann aufhellen lassen! Sein Charakter scheint ein sehr biederer zu sein, und es läßt sich gut reden mit ihm. Wir werden sicher noch so manches von ihm erfahren! Für heute aber gehen auch wir zur Ruhe; denn morgen haben wir viel zu tun!“

08] Darauf ging nach und nach alles zur Ruhe und schlief fest bis zum Aufgange der Sonne.



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