Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7
112. Kapitel: Die verschiedene Gestaltung alles Geschaffenen.
01] Sagte Raphael: »Weißt du, mein Freund, über den Punkt werden wir eben nicht gar zu leicht miteinander reden; denn da bist du noch zu weit zurück und noch zu sehr von deiner altindischen Weltweisheit erfüllt. Ich müßte dir nun nur die ganze innere organische Lebenseinrichtung zeigen und dir den ganzen Organismus der Welt nebst seiner Zwecklichkeit vollauf enthüllen, und das geht denn doch nicht so schnell, wie du es dir in deiner indischen Phantasie vorstellst; denn dazu gehört wahrlich mehr als eure indische Vorschule. Aber ich will dir dennoch einige Winke geben, aus denen du schon so gewisse Vermutungen ziehen wirst, und so wolle denn nun du mir ein aufmerksames Herz schenken!
02] Höre! Du bist ein Mensch. Dein Leib besteht aus nahezu zahllos vielen dir gänzlich unbekannten Organen. Ohne solch eine organische Einrichtung deines Leibes wäre in ihm das Leben deiner Seele ganz und gar nie denkbar möglich. Und doch hängen des Leibes wichtigste Organe eben durchaus nicht sehr ordnungsmäßig in deinem Leibe! Sieh nur einmal deine Adern an! Wie unregelmäßig scheinen sie deine Arme zu durchkreuzen! Und dennoch ist in ihnen die höchste zweckliche Ordnung. Betrachte die Stellung deiner Haare! Siehe, sie stehen ganz ordnungslos auf deinem Kopfe wie auf deinem ganzen Leibe, und dennoch ist von Gott aus ein jedes gezählt und steht auf seinem rechten Platze! Und bei anderen Menschen stehen sie wieder anders als bei dir und stehen auch auf dem rechten Platze, weil es dem Herrn in Seiner Weisheit wohlgefallen hat, beinahe einem jeden Menschen eine andere Gestalt und auch eine andere Gemütsbeschaffenheit zu geben, auf daß sie sich untereinander leichter erkennen und sich dann als Menschen lieben.
03] Also hat der Herr sogar den Haustieren eine etwas veränderte Gestaltung gegeben, damit die Menschen ihre Haustiere leichter erkennen sollen, während die wilden Waldtiere sich alle so ähnlich sehen wie nur immer möglich, weil diese sich kein Mensch zu seinem Nutzen irgend zu merken braucht. Siehe auch an das Hausgeflügel und die wilden Vögel der Luft, und du wirst bei ihnen dasselbe Verhältnis finden!
04] Nehmen wir aber an, daß sich auf der Erde alle Gegenden so sehr ähnlich sähen wie ein Auge dem andern und ein jedes Haus also aussehen müßte wie irgendein anderes und auch nicht größer oder kleiner sein dürfte, da möchte ich von dir erfahren, wie du da aus weiter Ferne deine Heimat noch irgendwann einmal finden möchtest!
05] Sieh du ferner die Obstbäume an, die zu einem Hause gehören, und daneben auch die, welche zu einem andern Hause gehören, und du wirst in ihrer Gestaltung eine große Mannigfaltigkeit entdecken, obschon sie von einer und derselben Gattung sind! Und das ist von Gott auch darum zugelassen, damit ein jeder Besitzer seine Bäume gleich alten, guten Freunden schon von ferne gar wohl erkennen kann.
06] Jetzt werde ich dir aber noch ein Beispiel geben, bevor wir zu der Hauptsache übergehen wollen, und so höre mich! Sieh, wie wäre es denn, wenn zum Beispiel alle Mädchen, alt oder jung, auf ein Haar dasselbe Gesicht hätten und dieselbe Größe, das gleiche Aussehen, dieselbe Bekleidung gleich den Vögeln in der Luft und gleich den wilden Tieren des Feldes und des Waldes? Würdest du da wohl deine Tochter von deinem Weibe oder von den Töchtern deines Nachbarn oder von deiner Mutter oder von deinen Schwestern unterscheiden können? Wenn dein Vater aussähe wie du und deine Söhne desgleichen, wie würde dir als denkendem Menschen die Sache gefallen? Ganz gleiche Gegenden, dann ganz gleiche Menschengestalten und Formen, kurz und gut, alles, jung oder alt, wäre auf ein Haar gleich, ganz ein und dasselbe, - wie gefiele dir das nur so zum Beispiele?«
07] Sagte der Magier: »O Freund, so etwas wäre für unsereinen der Tod bei noch lebendem Leibe! Ah, da höre mir auf mit solchen mörderischen Beispielen! Ah, da hörte beim Menschen ja offenbar alles Denken rein auf, das ohne Vergleiche eigentlich gar nicht möglich ist! Nun, ich fange schon zum voraus an, es zu fassen, wo du so ganz eigentlich hinaus willst! Aber fahre du nur fort; denn ein jedes Wort aus deinem Munde ist tausendmal tausend Pfunde reinsten Goldes wert!«