Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 7


15. Kapitel: Erklärung der Materialisationen.

01] (Raphael:) »Ich bin eigentlich für mich selbst aus mir ebensowenig etwas zu tun imstande wie du; aber ich bin ein purer Geist und habe hier nur einen aus den Stoffen der Luft zusammengezogenen Leib. Als Geist aber kann ich ganz mit dem Willensgeiste des Herrn erfüllt werden und dann also wirken wie der Herr Selbst. Wenn ich also mit dem Geiste des Herrn erfüllt bin, dann habe ich keinen andern Willen als den des Herrn und kann unmöglich etwas anderes wollen, als was der Herr allein will. Was aber der Herr will, das ist dann auch schon da.

02] Siehe, alles, was auf dieser oder auch auf einer andern Erde ist und wächst, das ist - samt der Erde - ebenso ein Wunder, hervorgehend aus dem Willen des Herrn, nur daß der Herr da der Bildung der Intelligenz wegen bei den Geschöpfen eine gewisse notwendige Stufenfolge beobachtet und eines aus dem andern so nach und nach pur aus Seinem Willen entstehen läßt. Wenn der Herr solches der Bildung und Festigung der intelligenten und belebten Geschöpfe wegen nicht tun würde, so könnte Er vermöge Seiner Allmacht auch eine Welt im selben Augenblick ins Dasein rufen, wie Er einen Blitz ins Dasein und Wirken ruft.

03] Sieh, in der Luft der Erde sind in einem aufgelösten Zustand alle Substanzen und alle Stoffe einer ganzen Erde enthalten! Du kannst sie zwar mit deinen irdischen Sinnen nicht wahrnehmen, aber für einen vollkommenen Geist ist das etwas ganz ebenso Leichtes, wie es dir ein leichtes ist, einen Stein vom Boden aufzuheben und zu unterscheiden, daß er kein Fisch und auch kein Stück Brotes ist. Und es ist dem Geiste dann auch ein leichtes, zum Beispiel die zu diesem oder einem anderen Gegenstande nötigen Stoffe zusammenzufassen, nämlich aus der Luft, und sie in einem Augenblick als das darzustellen, was sie in naturgeordnetem Zustande erst nach und nach geworden wären.

04] Wie aber einem vollkommenen Geiste das möglich ist, das ist nun freilich eben jene Sache, die der natürliche Mensch, solange er im Geiste nicht völlig wiedergeboren ist, unmöglich fassen und begreifen kann. Und das kann ich dir denn auch nicht näher erklären. Doch will ich dir aber in Kürze eine kleine Hinweisung auf so manche Erscheinung in der Natur geben.

05] Siehe, in allen Keimen der Pflanzen und Bäume wohnt in einer kleinen und zarten Hülse eine sonderheitliche Intelligenz in der Gestalt eines deinem Auge nicht mehr sichtbaren Fünkleins! Dieses Fünklein ist das eigentliche erste Naturleben des Samens und hernach der ganzen Pflanze. Nun denke dir aber die beinahe zahllose Menge der verschiedenartigsten Pflanzen und Bäume, die natürlich auch alle verschiedenartige Samen tragen, in deren Keimhülschen auch ebenso verschiedene geistige Intelligenzfünklein wohnen!

06] Wenn du nun verschiedene Samen ins Erdreich legst, so werden sie durch die Wärme und durch die vom Erdreich aufgesogene Feuchtigkeit der Luft erweicht, das geistige Fünklein wird tätig und erkennt ganz bestimmt jene Stoffe in der es umgebenden Luft, fängt an, sie durch seine ihm eigene Willenskraft anzuziehen und bildet aus ihnen eben jene Pflanze mit ihrer Gestalt und Frucht, für die zu bilden es eben die geeignete Intelligenz und die ihr entsprechende Willenskraft vom Herrn aus besitzt.

07] Könntest du mit deinem Verstande, mit deinen Sinnen und mit deinem Willen wohl auch die für ein gewisses Samenkorn bestimmten Stoffe aus der das Samenkorn umgebenden Luft herausfinden? Sicher nicht; denn du ißt und trinkst ja auch, um dich zu ernähren, und hast doch keine Ahnung, wie dein dir bisher noch völlig unbekannter Geist, als der geheime Liebewille Gottes im Herzen deiner Seele wohnend, durch seinen dir noch völlig unbekannten Willen und durch seine hohe Intelligenz aus den zu dir genommenen Speisen eben jene Stoffe, die zur Bildung deiner sehr verschiedenartigen Leibesteile unerläßlich notwendig sind, ausscheidet und sie dahin zieht, wo sie eben notwendig sind.

08] Wenn du das dir nun Gesagte so recht tiefsinnig betrachtest, so wirst du eben dieselben Wunder allenthalben ersehen, als wie diese da sind, die ich vor deinen Augen nach dem Willen des Herrn in einem Augenblick gewirkt habe, - nur daß ich als ein vollkommener Geist das durch den Willen des Herrn in einem Momente aus der Luft zusammenzuziehen vermag, was ein natürlich noch ganz unvollkommener Geist mit seiner beschränkten Intelligenz und ebenso beschränkten Willensmacht nur so nach und nach vermag.«



Home  |    Inhaltsverzeichnis Band 7  |   Werke Lorbers