Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 159. Kapitel: Jesus auf dem Weg zur Herberge.

01] Es war aber auch noch der Wirt von der großen Herberge an der Heerstraße, die nach Tyrus und auch nach andern Städten am Meere führte, beim Talwirte gegenwärtig; denn die Römer schlugen von hier den nach Norden führenden Weg ein, auf dem man nach Galiläa gelangt - welchen Weg auch Raphael mit den Jungen genommen hatte , und so hatte der Wirt an der südlichen Heerstraße eben nicht zu besonders nötig, nach Hause zu eilen. Da Ich mit den Jüngern aber diesen Weg zu nehmen hatte, um in die Orte, die Ich Mir diesmal erwählt hatte, zu gelangen, so zog der Wirt, der sich nun schon bei sechzehn Tage lang nicht zu Hause befand, nun mit uns und bat Mich schon zum voraus um die Gnade, an diesem Tage in seinem Hause von seiner Gastfreundschaft Gebrauch machen zu wollen.

02] Und Ich sagte zu ihm: »Dessen kannst du schon versichert sein; aber übernachten werden wir nicht bei dir; denn Ich muß Mich beeilen, heute noch recht weit vorwärts zu kommen, da Meiner noch gar wichtige Arbeiten harren!«

03] Der Wirt war mit dem Bescheide zufrieden und fragte Mich, ob er etwa vorauseilen solle, auf daß bei Meiner Ankunft alles in Bereitschaft wäre und Ich dann nicht Mich zu lange aufzuhalten nötig hätte.

04] Und Ich sagte: »Ganz gut, Freund, - so du um ein bedeutendes schneller gehen kannst, so magst du schon vorauseilen; denn wir gehen alle nur eines gemäßigten Schrittes. Für solchen deinen guten Willen aber will auch Ich, daß dir deine Füße den Dienst nicht versagen, und so magst du nun schon versuchen, um wieviel du uns vorauskommen wirst!«

05] Hierauf fing der Wirt, der ein großer Mann war und lange Füße (Beine) hatte, seine Schritte sehr zu beschleunigen an und kam uns schon nach einer halben Stunde Zeit so weit vor, daß wir seiner gar nicht mehr ansichtig werden konnten; und so gelangte er denn auch mehr als eine Stunde Zeit vor uns in seine Herberge.

06] Als er aber nach Hause kam, da konnten ihm die Seinen nicht genug erzählen von allen den Schrecken und Ängsten, die sie in seiner Abwesenheit zu bestehen gehabt hätten; besonders aber hätte sie und alle Bewohner des Ortes der diesnächtliche wahre Feuersturm, durch den auch mehrere Häuser in der Umgegend sehr übel zugerichtet worden seien, in eine solche Angst versetzt, daß sie darob ganz ohnmächtig und beinahe wie tot geworden seien.

07] Der Wirt aber sagte: »Ich weiß um das alles, und wir werden davon reden, wenn wir dazu die rechte Zeit haben werden; aber nun gibt es ein Wichtigeres zu tun! In etwa einer Stunde kommt der große Herr und Meister mit Seinen Jüngern hier an, und da sorget nun für ein gutes und reichliches Mittagsmahl für mindestens vierzig Personen, - beeilt euch, auf daß Er, so Er kommen wird, schon alles in Bereitschaft finde! Denn ihr alle wisst es, welche große Wohltat Er im vorigen Jahre unserem Hause erwiesen hat, und so ist es nun auch unsere höchste Pflicht, sich Ihm auf das tätigste dankbar zu erweisen!«

08] Als der Wirt solches kaum ausgeredet hatte, da griff gleich jung und alt zu, und es ward bald alles also geordnet, daß wir bei unserer Ankunft denn auch schon ein reich-liches und bestbereitetes Mittagsmahl antrafen.

09] Auf dem Wege bis zur besagten Herberge aber hatte sich eben nichts irgend besonders Denkwürdiges ereignet, und so ist es denn auch nicht nötig, dessen irgendeine besondere Erwähnung zu machen. Die Jünger besprachen sich untereinander über alles, was sich in diesen Tagen in und um Jerusalem zugetragen hatte, und fragten Mich auch bald über ein und das andere um einen näheren Aufschluß, den Ich ihnen auch erteilte; und so ward dieser sonst etwas langweilige Weg recht erheiternd zurückgelegt.

10] Etwa noch ein paar Morgen Landes weit vor der Herberge saßen zwei wahre Professionsbettler und baten uns um ein Almosen.

11] Ich aber sagte zu ihnen:  »Es ist nicht fein von euch, hier zu betteln; denn ihr habt keines Almosens vonnöten! Warum habt ihr denn eure Häuser und Gründe in der Nähe von Samaria um ein teures Geld verpachtet und habt dann das Geld mit Wucher in die Wechselbank gelegt und seid reiche Leute geworden und bettelt nun in armer Kleidung auf fremdem Boden, auf daß ihr eure großen Wucherzinsen ersparet und dabei den wahren Armen dieser Gegend das ihnen Gebührende entzieht! Habt ihr als Juden denn nicht aus dem Gesetze vernommen, daß man Gott über alles und seinen Nächsten wie sich selbst lieben soll? Heißt das aber nach dem Gesetz leben und handeln, wenn man also tut wie ihr nun? Erhebet euch von diesem Platze, ihr beiden Heuchler und Betrüger, sonst soll es euch übel ergehen!

12] Nur wer wahrhaft arm und auch keiner Arbeit mehr fähig ist wegen seines hohen Alters oder wegen Lähmung seiner Glieder oder seiner Sinne, der hat von Gott aus das Recht, die Barmherzigkeit seiner reicheren Mitmenschen in Anspruch zu nehmen. Und wer ihm etwas gibt, dem wird es Gott auch vergelten, und dem Beteilten wird Er die Gabe segnen und ihm auch den Lohn geben für seine Geduld, mit der er seine wahre Armut ertragen hat. So aber Gott auch dem, der in seiner Unwissenheit euch irgendein Almosen verabreicht hat, indem er euch für wirkliche Arme hielt, seine Barmherzigkeit belohnen wird, da wird Er euch als Betrüger und Heuchler desto mehr und schärfer züchtigen hier und jenseits.

13] Es heißt auch: "Wer da guten Herzens ist und einem Propheten und Lehrer einen Lohn gibt und ihm ein Opfer darbringt, der wird dereinst auch den Lohn eines Propheten ernten!" Seid ihr denn etwa Propheten, vom Geiste Gottes erleuchtet, auf daß ihr als ein Licht aus den Himmeln den Menschen auf der Erde vorleuchtet, die in der Nacht ihrer Sünden wandeln? Oh, das seid ihr niemals gewesen, obschon ihr schon mehrere Male, um mehr Almosen von den leichtgläubigen Menschen zu erhaschen, euch also gebärdet habt, ohne selbst bei euch an Gott zu glauben, da ihr beide schon lange im Glauben der blinden Sadduzäer stecket! Darum aber seid ihr um so strafbarer, weil ihr hier den wahren Armen dieser Gegend das ihnen Gebührende entzieht! Darum hebet euch nun nur alsbald von hier, sonst sollt ihr die Macht Dessen kennenlernen, der nun solches zu euch geredet hat!«

14] Hierauf erhoben sich die beiden Bettler schnell von ihren Bettelsitzen, da sie sich höchst getroffen fühlten.

15] Und einer, der Mir in seinem Gemüte recht zu geben anfing, sagte (ein Bettler): »Herr! Du mußt ein großer Weiser und gar ein Prophet sein, da du auf einem andern Wege wohl nicht leicht möglich hättest erfahren können, wie es mit uns steht. Ich für meinen Teil danke dir für diese Zurechtweisung und gebe dir auch hier treu und offen mein Versprechen, daß ich nicht nur nie mehr betteln werde, sondern ich werde aller Armen in dieser Gegend gedenken mit meinem Vermögen und werde ihnen zehnfach ersetzen, um was sie durch mich verkürzt worden sind. So du aber ein Prophet und somit ein Freund Gottes bist, da bitte auch du für mich, daß Er mir vergebe meine Sünden!«

16] Sagte Ich: »Gehe hin und tue nach deinem nun Mir gemachten Versprechen, und deine Sünden werden dir vergeben sein!«

17] Hier sagte auch der zweite: »Kann auch ich die Vergebung der Sünden erwarten, so ich das tue, was da tun will mein Nachbar?«

18] Sagte Ich: »Du mußt wohl ein um vieles größeres Opfer bringen, so du die Vergebung deiner schweren und vielen Sünden erlangen willst; denn dein Nachbar hat das Vermögen, das er besitzt, redlich geerbt, du aber hast es durch die schmählichste Bedrückung der armen Witwen und Weisen an dich gerissen wie ein Straßenräuber. Darum siehe zu, wie du solche Schuld vor Gott und den Menschen gutmachen und tilgen wirst; denn ohne dieses wirst du die Vergebung deiner Sünden nicht erlangen!«

19] Als der zweite diese Meine Sentenz vernommen hatte, ward er ganz verlegen und sagte am Ende: »Da wird mir nichts übrigbleiben, als selbst ein wirklicher Bettler zu werden.«

20] Sagte Ich: »Das wird nicht nötig sein, solange du noch gute Kräfte zum Arbeiten besitzest! Gehe hin und arbeite, und du wirst dein tägliches Brot finden!«

21] Sagte nun der erste und Bessere: »Gehen wir nun, und auch du tue nach dem Rate dieses wahren Propheten; und hast du alles getan, so sollst du bei mir Aufnahme und Arbeit finden!«

22] Und Ich sagte: »Was dieser bei dir finden wird, wenn er allen Schaden, den er angerichtet hat, wieder gutgemacht haben wird, das sollst du auch zu seiner Zeit bei Mir finden! Aber nun geht und handelt nach eurem Mir gemachten Versprechen!«

23] Darauf verbeugten sich diese beiden Bettler und zogen eiligen Schrittes übers Gebirge in ihr Land.

24] Wir aber gingen nun auch weiter und erreichten bald die große Herberge. Als wir uns derselben nahten, da entdeckte uns auch schon der überaus freundliche Wirt und zog uns mit offenen Armen entgegen. Als er uns erreicht hatte, da dankte er Mir für die Gnade, die seinem Hause durch Meinen Besuch zuteil geworden sei.

25] Ich aber sagte zu ihm: »Ja, wahrlich ist deinem Hause nun ein großes Heil widerfahren; aber darum hättest du nicht nötig gehabt ein Kalb zu schlachten, um für Mich und Meine Jünger ein Mittagsmahl zu bereiten; denn Ich sehe nur auf ein edles Herz und auf einen vollkommen guten Willen; wo Ich das wie bei dir antreffe, da bedarf es keines geschlachteten und gebratenen Kalbes und noch mehrerer anderer wohlbereiteter Speisen. Aber du hast das aus Freude getan, weil du wußtest, daß Ich über den Mittag dein Gast sein werde, und so nehme Ich deine Aufmerksamkeit denn auch freudig auf. Aber lange werden wir uns in deinem Hause nicht aufhalten, da wir noch einen gestreckten Weg vor uns haben.«

26] Sagte der Wirt: »O Herr und Meister, alles geschehe nach Deinem Willen und Wohlgefallen! Ich hatte aber mit meiner Familie mich ein wenig zu ängstigen angefangen, als hättest Du etwa doch einen andern Weg eingeschlagen; denn nach meiner Rechnung hättest Du mit den Jüngern schon vor einer guten halben Stunde hier eintreffen mögen.«

27] Sagte Ich: »Das wäre auch geschehen, so Ich nicht eure Heerstraße von einer schon alten Unlauterkeit hätte zu säubern bekommen. Solche gute und notwendige Arbeit hat uns denn ein wenig aufgehalten, und so mußte Ich um eine kleine Zeit später hier eintreffen; aber Ich traf nun dennoch zur rechten Zeit wie allzeit ein.«

28] Sagte der Wirt: »Aber, Herr und Meister, wie möchtest Du Dich wohl mit der gemeinen Straßenreinigungsarbeit abgeben, - denn das ist eine Arbeit für unsere untersten Knechte?«

29] Sagte Ich: »O Freund! So Ich eure Lebenswege nicht reinigen, fegen und ordnen würde, so wäre es um das Heil eurer Seelen geschehen! Ich bin auch ein erster, bester und wahrster Wegmacher und Wegreiniger. Wo Ich die Wege nicht bahne und reinige, da gibt es entweder gar keine Wege, und so, es schon irgend auch Scheinwege gibt, da sind sie aber dennoch so voll Unrates und Morastes, daß auf denselben kein Wanderer weiterkommen kann, sondern er ist genötigt, entweder umzukehren oder auf dem Wege im tiefen Kote zu ersticken. - Verstehe dies Bild wohl, und du wirst dann schon ins klare kommen, wie und warum Ich ein Wegmacher und ein wahrer Wegmeister bin!«

30] Der Wirt verstand zwar dieses Bild nicht, aber Meine Jünger hatten es ihm bald verdolmetscht, worauf wir uns dann in das Haus begaben und im selben das wohlbereitete Mahl zu uns nahmen. Der Wein machte den Wirt und seine Familie sehr heiter und beredt, darum er Mir denn auch einen wärmsten Dank für die gewisse Straßenreinigung darbrachte. Wir hielten uns hier in allem bei anderthalb Stunden auf und belehrten des Wirtes Leute über manches und zogen fürbaß.



Home  |    Index Band 8  |   Werke Lorbers