Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 6. Kapitel: Lazarus berichtet über seine Erfahrungen mit Jesus.


Geburt Jesu, Besuch der 3 Weisen, Tötung der Kinder durch Herodes, Flucht nach Ägypten, Rückkehr nach Nazareth. Bericht und Zeugnis des Lazarus über Jesu Kindheit, Taten und Lehren vor bekehrungswilligen Pharisäern

01] Als die jetzt wohlgesättigten Pharisäer des Lazarus bei ihnen ansichtig wurden, drückten sie alle ihre Freude aus, daß er nun ungerufen zu ihnen gekommen sei.

02] Er aber grüßte sie auch, sagend (Lazarus): »Es freut mich sehr, daß ihr euch auf diesem von euch in den Bann gelegten Orte doch so wohl befindet! Aber ich meine nun, da mir alles bekannt ist zu meiner rechten Herzensfreude, was ihr hier ganz allein miteinander verhandelt habt, so werdet ihr wahrlich recht weisen Männer von eurem Bannfluche gegen diese meine Besitzung eben keinen besonderen Gebrauch machen?«

03] Sagte der erste Redner: »Das sicher nicht; aber wie - bei Moses! - hast du bei verschlossenen Türen und Fenstern denn vernehmen können, was wir so leise wie möglich unter uns gesprochen haben? Sage uns den Inhalt unserer Reden, sonst müssen wir glauben, daß du uns hier zum besten haben willst!«

04] Hier beteuerte ihnen Lazarus, daß so etwas höchst ferne von ihm sei, und trug ihnen darauf alles Wort für Wort vor, was sie ehedem miteinander verhandelt hatten.

05] Als die Pharisäer das vernahmen, da sagte der erste wieder: »Aber wie um alle Sterne am Himmel! - bist du dahintergekommen?«

06] Sagte Lazarus: »Hast doch du selbst in deinen Worten bekannt, daß es in der Welt Menschen gäbe, die mit gar seltenen Fähigkeiten begabt sind! Warum sollte zum Beispiel ich nicht auch mit so mancher seltenen Fähigkeit von Gott aus begabt sein? Aber ich kann euch noch etwas viel Wichtigeres sagen, und das besteht darin, daß ihr infolge eures Wissens und Redens dem Reiche Gottes recht nahe wärt, wenn euch die böse Luft des Tempels nicht daran hinderte. Besonders aber bezeichne ich dafür deinen Gegenredner, dem du am Ende selbst in allem beistimmtest, sowie auch alle die andern, darum ihr alle nun mit dem gar sehr werten Gegenredner auf ein und demselben Punkte steht zu meiner wahrlich großen Freude; denn Männer euresgleichen werden sich nun nicht gar viele mehr im ganzen Tempel vorfinden. Darum sage ich euch, als nun euer alter und wahrer Freund, daß ihr dem Reiche Gottes nun näher steht, als ihr es ahnet!«

07] Sagte nun der zweite Redner: »Lieber Freund, erkläre du dich deutlicher! Was willst du uns damit denn sagen? Wie sollen und können wir nun hier dem Reiche Gottes näher sein, als wir es zu ahnen imstande sind? Sollen wir hier etwa sterben? Hast du uns etwa - Gift in den Wein getan?«

08] Sagte Lazarus: »Wie könnt ihr als wahrlich gescheite Leute euch so etwas nur denken! Ich will ja gleich aus euren Bechern trinken, um euch zu beweisen, wie irrig ihr da denkt; ihr werdet noch lange genug auf dieser Erde zu leben haben! Nur mit eurem Wissen seid ihr dem Reiche Gottes nahe gekommen und mit eurem geheimgehaltenen Glauben, aber nicht mit eurem irdischen Leben!«

09] Sagte der erste Pharisäer: »Was verstehst du denn hernach unter dem Reiche Gottes

10] Sagte Lazarus: »Nichts anderes als nur die rechte Erkenntnis Gottes in eurem Gemüte! Würdet ihr dazu aber auch noch Den als das annehmen, was Er wahrhaft ist, den ihr bis jetzt verfolgt habt, so wärt ihr schon auch völlig im lichtvollsten Reiche Gottes! Versteht ihr mich nun, was ich euch damit habe sagen wollen, als ich sagte: "Ihr seid dem Reiche Gottes näher gekommen, als ihr es ahnen mögt!"?«

11] Sagte nun wieder der erste Redner: »Nun gerade recht, daß du uns auf dieses Thema gebracht hast! Daß du auf den sonderbaren Galiläer alles hältst, das wissen wir schon eine ziemliche Zeit lang, und wir haben dir das, ob recht oder unrecht, auch tatsächlich zu erkennen gegeben. Das ist uns nichts Neues. Aber da du den Mann sicher besser kennst denn wir und wir nun hoffentlich wieder wahrhaftige Freunde geworden sind, weil du durch deine uns früher unbekannte Fähigkeit dich selbst überzeugt hast, wie wir eigentlich bei uns denken, so wäre es nun bestens an der Zeit, daß eben du uns den Mann möchtest näher kennen lehren. Du brauchst uns darum seinen irgendwoigen und etwa nunmaligen Aufenthalt gar nicht anzugeben, weil wir von dem lächerlichen Beschlusse des Tempels ja ohnehin nimmer Gebrauch machen wollen und werden; ja, wir brauchen den Galiläer auch nicht etwa der verschlagenen Tempelpriester wegen näher kennenzulernen, sondern nur allein unseretwegen, und kannst du nun schon ganz offen von ihm zu uns reden!«

12] Sagte darauf Lazarus:« Wie und wo Er geboren ist, und was sich bei Seiner Geburt schon alles zugetragen hat, als der alte, böse Herodes vor dreißig Jahren zu Bethlehem Seinetwegen die schwere Menge der unschuldigen Knäblein von ein bis zwei Jahren Alters hat ermorden lassen, weil ihm die drei Weisen aus dem fernen Morgenlande, die ein Stern hierhergeführt hatte, die Kunde gebracht hatten, daß den Juden ein neuer König zu Bethlehem geboren worden sei, das alles wisst ihr so gut wie ich; aber ihr wisst es nicht, daß jener neugeborene König der Juden durch göttliche Vorsehung und Waltung nicht in die Hände des grausamen Herodes geraten ist, sondern durch Gottes Hilfe und durch die Vermittlung des damaligen noch jungen römischen Hauptmanns Kornelius glücklich nach Ägypten und - ich glaube - in die alte Stadt Ostrazine entflohen ist und erst, als der alte Herodes nach drei Jahren, von Läusen gefressen, gestorben ist, in die Gegend von Nazareth ganz wohlbehalten zurückgekehrt und dort in ganz stiller Zurückgezogenheit ohne irgendwelchen besonderen Unterricht zu einem Manne herangewachsen ist. {Mt.01,18 - Mt.02,01-23}

13] Als er zwölf Jahre alt war, kam er mit Seinen irdischen Eltern zu der vorgeschriebenen Knabenprüfung nach Jerusalem, blieb drei volle Tage im Tempel und setzte durch Seine Antworten und Fragen alle Ältesten, Schriftgelehrten und Pharisäer ins größte Erstaunen, was mir mein Vater, der für Ihn wegen der Armut Seiner Eltern sogar die höhere Prüfungstaxe bezahlt hatte, erzählte. {Drei Tage im Tempel}

14] Auch das wird den älteren von euch noch sicher erinnerlich sein, wenn gerade schon das nicht, daß er der Wut des alten Herodes entflohen und nach drei Jahren aus Ägypten wieder nach Nazareth zurückgekehrt ist.

15] Und seht nun, der Mann, der nun so große Werke verrichtet bloß durch die rein göttliche Macht Seines Willens und Seines Wortes, ist ebenderselbe vor dreißig Jahren zu Bethlehem neugeborene König der Juden und ebenderselbe weise Knabe, der vor zwanzig Jahren den ganzen Tempel ins größte Erstaunen gesetzt hat!

16] Nun wisst ihr einmal genealogiter (die Abstammung betreffend), mit wem ihr es in dem nun so außerordentlichen Galiläer zu tun habt, und das gehört auch sehr dazu, um über Ihn ein günstiges Urteil fällen zu können.

17] Was Er aber nun tut, das wisst ihr teilweise, haltet aber davon das meiste, was euch von Ihm, Seinen Lehren und Taten hinterbracht wurde, mehr denn zur Hälfte für Fabeln und Übertreibungen des Volkes, das an Ihm hängt und an Ihn glaubt, - und da eben irret ihr euch groß!

18] Ich bin wahrlich, wie ihr mich auch wohl kennt, der Mensch nicht, der die Katze im Sacke kauft! Ich habe mich darum auch bei Ihm sehr genau selbst mehrorts und längere Zeit hindurch überzeugen wollen, was denn eigentlich an diesem Manne sei. Und seht, ich, der ich doch auch in der Schrift bewandert bin, fand an Ihm nie etwas Verdächtiges, wie gar so oft schon an den marktschreierischen Magiern und Zauberern!

19] Seine Lehren sind vollkommen die des Moses und der Propheten, und Seine Wunder wirkt Er nur, wo es not ist, und läßt sich von niemandem dafür je etwas bezahlen. Kurz und gut, Sein kräftiges Wort ist reinstes Gotteswort. Seine Weisheit Gottes Weisheit, und Seine Taten sind ebenso nur Gottes Taten, weil es keinem Menschen möglich ist, daß er sie bewerkstellige!

20] Als ich vor mehr als einem halben Jahre mit Ihm und Seinen damals vielen Jüngern nach Bethlehem zog, da fanden wir daselbst vor den Toren der alten Stadt Davids eine große Menge Bettler, weil alldort ein Fest abgehalten wurde. Diese Armen beiderlei Geschlechts baten uns unter großem Gejammer um ein Almosen. Am allermeisten schrien ganz Verstümmelte ohne Hände und manche auch ohne Füße, und ich wollte sie auch nach meinen Kräften beteilen.

21] Er aber gab mir zu verstehen, daß es dazu noch Zeit sei, und fragte die Armen dann, ob sie sich, so sie völlig gesund wären und ihre geraden Glieder hätten, nicht lieber mit der Arbeit ihrer Hände das nötige Brot verdienen möchten. Alle beteuerten, wenn das möglich wäre, so würden sie lieber Tag und Nacht arbeiten als nur einen Augenblick mehr jemanden um ein Almosen bitten. Er aber sagte darauf: "So steht auf und wandelt, und suchet euch Arbeit!" Auf dieses Wort hin waren alle augenblicklich von ihren allerartigen Übeln geheilt. Die Blinden sahen, die Tauben und Stummen hörten und redeten, die Lahmen sprangen auf wie junge Hirsche, und die Verstümmelten ohne Hände und Füße bekamen - sage - ganz offenbar neue Glieder, und das war alles das Werk eines Augenblicks! Ich aber nahm dann gleich alle diese so wunderbar Geheilten in meine Dienste, beschenkte sie sogleich und wies ihnen an, wohin sie zu gehen hatten.

22] Wenn man selbst Zeuge einer solchen Tat und noch von hundert anderen war, von denen man nicht einmal mehr sagen kann: "Siehe, diese waren größer und denkwürdiger denn die anderen!", wenn man auch gesehen hat, daß Seinem Willen auch alle Tiere, alle Elemente, die ganze Natur, selbst Sonne, Mond und Sterne und die Meere der Erde wie auch ihre Berge gehorchen, und Er Selbst sagt: "Ich und der Vater im Himmel sind Eins! Wer Mich sieht, der sieht auch den Vater. Wer da an Mich glaubt, der wird das ewige Leben haben; denn Ich Selbst bin die Wahrheit, der Weg und das Leben!", so kann man bei gesunden Sinnen und bei gesunder Vernunft denn doch nimmer zweifeln, daß es also ist, wie Er es lehrt, und wie das von Ihm schon von - sage - Adam an alle Väter, Patriarchen und Propheten geweissagt und gelehrt haben.

23] Ich glaube nun vollkommen fest und ungezweifelt an Ihn und getraue mir das auch vor aller Welt laut zu bekennen, weil ich meine unumstößlichen Gründe dafür habe; ein anderer aber kann tun, was er will! Nun wisst ihr in Kürze das Wichtigste, was den großen Galiläer betrifft, in vollster Wahrheit und mögt nun selbst urteilen, was ihr von Ihm zu halten und zu glauben habt!«



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