Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 170. Kapitel: Frage des Wirtes nach Jesus.

01] Hier bemerkte der Wirt an Meiner Seite aber den ihm nur zu wohl bekannten blinden Bettler und sah, daß er nun sehend war.

02] Er trat sogleich näher zum Bettler, betrachtete ihn genauer und sagte dann (der Wirt): »Du warst ja ein Blinder von Geburt an und siehst nun, wie ich es nur zu gut merke. Wer hat dir denn deine Augen geöffnet und dich sehend gemacht?«

03] Sagte der Bettler: »Dieser Herr hier, der von dir einen echten Wein und ein gutes Brot verlangt hat! Frohlocke, denn dir ist ein großes Heil widerfahren, daß Er in deinem Hause Herberge nahm, und du solltest Ihn denn auch mit der größten Achtung behandeln!«

04] Sagte der Wirt, nun schon voll Staunens: »Wie hat er denn dir die Augen geöffnet?«

05] Sagte der Bettler:»Er sagte auf mein Bitten: »Werde sehend!«, und ich ward sehend, und das ist alles, was ich dir sagen kann; du aber kannst dir nun selbst denken, wer der sein muß, in dessen Wort und Willen eine solche Macht und Gewalt liegt!«

06] Der Wirt staunte nun stets mehr und mehr und betrachtete Mich mit großer Aufmerksamkeit.

07] Nun brachten die Diener aber auch Brot und Wein in rechter Menge und setzten alles in guter Ordnung auf die Tische.

08] Und der Wirt fragte Mich nun schon voll Ehrfurcht, sagend: »Herr, ist das Brot und der Wein wohl nach deinem Wunsche?«

09] Sagte Ich: »Ganz vollkommen, darum haben deine Diener ja auch länger zu tun gehabt, weil sie dies Brot und auch diesen Wein aus einem andern Hause und Keller herbeischaffen mußten; denn die guten Sachen hast du in einem andern deiner zehn Häuser in dieser Stadt aufbewahrt. In diesem Hause aber hast du nur das, womit du gewöhnlich die Fremden bedienst, was aber von dir, der du ein sehr reicher Mann bist, eben nicht sehr löblich ist. Du bist zwar ein Grieche samt deiner ganzen Familie und achtest nicht der Juden Gesetze, obschon sie dir nicht unbekannt sind; aber es dient auch einem Heiden zur Ehre und zum Guten, wenn er ehrlich handelt und nach euren Gesetzen jedem das Seinige gibt und bietet.«

10] Der Wirt wußte nun nicht, was er Mir darauf hätte erwidern sollen; wir aber nahmen nun das Brot und aßen es, und so auch den Wein und tranken ihn und auch der Wirt aß und trank mit uns, da Ich ihm Selbst Brot und Wein darreichte, und lobte Gott und Mich.

11] Der Wirt aber besprach sich mit den andern Bürgern, die uns zu ihm hin und darauf auch ins Haus begleitet hatten. Eben den Mann, der Mir zuerst eine Herberge anbot, fragte der Wirt, was er als ein erfahrener Jude wohl von Mir hielte, wer Ich wäre, und von woher Ich gekommen sei.

12] Der Mann aber sagte: »Ich habe diesen wunderbaren Menschen zuvor sowenig wie du selbst gesehen! Aber von dem geheilten Blinden, der von ihm schon in Jerusalem gehört hatte, habe ich vernommen, daß er ihn mit dem Namen »Jesus« und »Sohn Davids« angerufen hat, und schloß daraus, daß er denn auch irgend von dorther sein werde. Der Tracht nach aber scheint er ein Galiläer zu sein, wie auch einige, die mit ihm kamen.

13] Allein, sei ihm nun, wie ihm wolle, er ist einmal ein außerordentlicher Mensch, wie die Erde seit Moses und Elias noch keinen getragen hat! Der vom Bettler ihm gegebene Titel »Sohn Davids« aber hat mich geheim auf den Gedanken gebracht, daß er nach den Weissagungen der Propheten entweder der vor dem verheißenen Messias der Juden kommen sollende Prophet Elias sei - oder am Ende gar der Messias selbst. Ich möchte ihn eher fürs zweite als fürs erste halten! Denn alle Propheten haben stets nur im Namen Jehovas gesprochen und gehandelt; dieser aber spricht und handelt ganz wie aus eigener Macht, und der Titel »Sohn Davids« - wie schon gesagt - bestätigt diese meine geheime Ansicht noch mehr, denn also nennen die alten Propheten den kommen sollenden Messias zu öfteren Malen. - Das ist nun aber auch schon alles, was ich dir über ihn sagen kann!«

14] Sagte der Wirt: »Ich bin zwar in eurer Gotteslehre zu wenig tief eingeweiht, aber um so manches weiß ich doch, und so auch über den verheißenen und dereinst kommen sollenden Messias. Doch den halten nun ja alle Juden für einen großen Kriegshelden und erwarten ihn auch als solchen, der sie von der Herrschaft der Römer befreien und dann ein großes und unbesiegbares Reich gründen werde. Du aber scheinst dem Messias mehr eine göttliche als menschliche Würde beizulegen?«

15] Sagte der Mann: »Als das wird er aber auch von den Propheten und von David selbst bezeichnet; und will er im Ernste die Juden vom Joche der Römer befreien, so wird er zu solch einem Werke wohl auch mit mehr als nur mit den diesweltlichen menschlichen Heldenkräften ausgerüstet sein müssen.

16] Doch alles das ist noch immer in ein großes Dunkel gehüllt, und kein Jude kann es mit irgendeiner Bestimmtheit dartun, in welcher Form und Eigenschaftung der Messias kommen wird. Und da sich das nicht bestimmen läßt, so kann der Messias auch ganz gut in dieser Form und Eigenschaftung in diese Welt kommen, in der wir nun eben diesen Wundermann vor uns sehen!

17] Das ist so meine Meinung. Du aber kannst nun noch mehr Brot und Wein herbeischaffen; denn ich sehe, daß die Gäste mit dem einmal Aufgetischten bald zu Ende sein werden!«

18] Darauf behieß der Wirt sogleich seine Diener, das zu tun, was ihm der Mann angezeigt hatte, und wir bekamen denn auch bald mehr Brot und Wein.



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