Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 196. Kapitel: Gottes Offenbarungen bei den verschiedenen Völkern.

01] (Jesus:) »Es gibt kein Volk auf der ganzen Erde, dem sich Gott nicht zur rechten Zeit geoffenbart hätte; aber dann hätten nach dem Willen Gottes die Eltern ihre Kinder fortwährend also erziehen sollen, daß diese unverwandt im lebendigen Glauben an den einen, wahren Gott geblieben wären und dadurch auch im Handeln nach dem erkannten Willen Gottes. Aber da nur zu bald den Menschen die rechte Demut und die Selbstverleugnung aus der Liebe zu Gott, wie Ich das schon gesagt habe, zu unbequem ward, so ließen sie davon ab und gingen in die Welt- und Selbstliebe über, was ihre Seelen derart verfinsterte und mit der toten Materie vereinte, daß sie alles Reingeistigen bar wurden; und es haben dann die falschen Propheten ein leichtes Spiel gehabt, die ohnehin schon sehr verfinsterten Menschen noch finsterer zu machen, als sie durch ihre Trägheit schon von der Geburt an waren.

02] Denn ein jeder Mensch ist infolge dessen, daß er einen völlig freien Willen hat und sich selbst zu bestimmen und geistig auszubilden hat, in die Trägheit von Gott aus gelegt, aber also, daß er dieselbe mit seinem Willen besiegen kann, was ihn anfangs freilich wohl recht viele Mühe und ebenso viele Selbstverleugnung kostet.

03] Wird der Mensch schon von seiner Kindheit an zur rechten Tätigkeit angehalten und erzogen im Gehorsam, in der Demut, Sanftmut und in der rechten Selbstverleugnung, so wird er in der reinen und wahren Erkenntnis Gottes und in der Liebe zu Ihm bald stark und mächtig werden, und Gott wird Sich ihm dann unbeschadet seiner Willensfreiheit, von neuem offenbaren können, und es wird dann heller und lebendiger in der Seele; aber da die Menschen die ihnen angeborene Trägheit nicht bekämpfen und besiegen lernen, weil dazu schon die Eltern zu lässig sind, so ersticken die Menschen schon lange eher in der ihnen notwendig angeborenen Trägheit, bevor sie nur einen Versuch gemacht haben, dieselbe in sich zu bekämpfen und zu besiegen.

04] Und seht, so geht denn ein Volk ums andere in die Nacht des Lebens über und verliert alles innere, geistige Lebenslicht! Wo aber das verloren ist, wie kann da eine neue Offenbarung Platz greifen? Da ist es von Gott aus weiser, solch ein Volk ohne alle weitere Offenbarung zu lassen und es durch die bitteren Folgen, die aus der Trägheit entstehen müssen, zu erziehen und in eine Tätigkeit zu versetzen; denn die Menschen werden dann erst durch die Not zu irgendeiner nützlichen Tätigkeit genötigt und können dadurch wieder die Fähigkeit erlangen, in der sich ihnen Gott zeigen und von neuem offenbaren kann, wie das nun soeben der Fall ist.

05] Und mit dem von Mir euch allen, Heiden und Juden, nun Gezeigten werdet ihr wohl einsehen, daß Gott kein Volk dieser Erde ohne eine Offenbarung gelassen hat; wenn es mit der Zeit aber dennoch um dieselbe gekommen ist, so war es auf die gezeigte Weise nur allzeit selbst schuld daran. Und du, blinder Araber, sage Mir nun, ob du das nun auch mit deinem scharfen Weltverstande wohl begriffen hast!«

06] Sagte der Araber: »Herr und Meister, ich habe das wohl begriffen, und es verhält sich die Sache auch genau also; aber so schon die Trägheit das dem Menschen angeborene Übel ist, das er mit der Kraft seines freien Willens zu bekämpfen und zu besiegen hat, so solle ihm aber Gott dabei doch auf eine solche Art behilflich sein, daß der in sich selbst schwache Mensch wenigstens in einer gewissen Zeit seines Lebens leichter ein Meister und Herr seiner ihm angeborenen Trägheit werden könnte! Denn einen Menschen eher in seiner Trägheit ganz zugrunde gehen lassen, als ihm eine Hilfe zuteil wird, finde ich mit einer göttlichen Liebe, Weisheit und Erbarmung nicht so ganz recht vereinbar!«

07] Sagte Ich: »Jetzt siehst du das freilich wohl noch nicht ein; wenn du aber selbst im Geiste erweckt wirst, dann wirst du auch den Grund von all dem einsehen und wohl begreifen. Aber da es nun schon um die Mitte der Nacht geworden ist und Ich und Meine Jünger eine weite Reise gemacht haben, so wollen wir unseren Gliedern eine nötige Nachtruhe gönnen; und somit ist das Tagewerk für heute beendet!«

08] Als der Wirt solches von Mir vernahm und Ich Mich vom Tische erhob, da führte er Mich samt Meinen alten Jüngern in ein Schlafgemach, allwo wir uns sogleich zur Ruhe begaben.

09] Die andern Jünger, die Essäer und die Fremden aber blieben noch ein paar Stunden beisammen, und es ward noch vieles von Meinen Taten und Lehren gesprochen. Und die Araber wurden gläubiger und fingen an einzusehen, wer Ich sei. Mit der Weile aber überfiel sie alle der Schlaf, und sie hielten ihre Nachtruhe am Tische.



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