Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 8


Kapitelinhalt 198. Kapitel: Jesus und arabische Räuber.

01] Es führte aber auch über unseren Hügel ein Fußsteig, der, von einem höheren Gebirge, das von Arabern bewohnt war, ausgehend, denselben zum Wege nach Essäa und von da aus auch weiterhin diente. Diese Araber aber lebten zumeist von einer Art Raub. Sie hatten eine Art Recht schon seit lange her, demnach sie von den Reisenden einen Tribut nehmen durften, und fügte sich der Reisende nicht gutwillig in die Forderung, so ward ihm auch Gewalt angetan.

02] Als wir so ganz harmlos die Szenen des Morgens betrachteten, da kamen bei zwanzig der vorbezeichneten Bergaraber auf dem angezeigten Fußsteige vom Gebirge zu uns, blieben stehen und fragten uns auf eine eben nicht sehr freundliche Weise, ob wir schon an irgendwelche ihres Stammes den üblichen Tribut bezahlt hätten.

03] Sagte Ich: »Bis jetzt noch nicht, und wir werden das auch jetzt und später nicht tun, und das aus folgenden Gründen: Einmal führen wir nie Geld oder andere Erdschätze mit uns, - dann habt ihr kein Recht, von uns wie auch von anderen Fremden einen Tribut zu verlangen! Denn es steht geschrieben: "Du sollst deinem Nächsten nicht tun, das du nicht willst, daß es auch er dir täte!" -, und endlich sind wir höchst mächtige Wesen, die solche unverschämten Tributerpresser von sich weisen und sie auch auf das empfindlichste zu züchtigen imstande sind. Daher gebe Ich euch den Rat, euch von hier alsogleich zu entfernen und von keinem Reisenden, außer auf dem Wege der Bittenden einen Tribut zu verlangen. Werdet ihr dem nun von Mir euch Geratenen Folge leisten, so werdet ihr wohl tun, widrigenfalls es euch arg ergehen wird!«

04] Als die Araber das von Mir vernommen hatten, wurden einige stutzig und sagten: »Das ist eine seltene Erscheinung, daß Fremde, die uns wohlbewaffnet vor sich sehen, mit einer solchen Rede uns begegnet hätten! Und diese dreizehn Männer würden das wohl sicher auch nicht getan haben, so sie sich nicht irgendeiner besonderen geheimen Kraft gewärtig wären! Es wird demnach für uns geraten sein, uns mit diesen Menschen in nichts Weiteres mehr einzulassen!«

05] Die eine Hälfte war damit einverstanden; aber die andere sagte: »Ja, so wir uns durch derlei Drohungen allzeit werden einschüchtern lassen, so können wir unser altes Recht gleich ganz aufgeben und uns aufs Betteln verlegen. So diese Fremden im Ernste weder Geld noch andere Schätze bei sich führen, so sind sie ohnehin frei; haben sie aber dennoch etwas bei sich, so werden sie uns auch den verlangten Tribut bezahlen müssen. Wir wollen sie darum untersuchen und sehen, ob sie gar ohne alles Geld und andere Schätze hier sind!«

06] Hierauf traten sie ganz nahe zu Mir hin, und es versuchte einer denn auch, seine Hand an Mich zu legen. Wie er aber Mein Kleid anrührte, da fuhr ein Feuer aus der Erde, und seine Hand verbrannte. Da erschraken alle die andern derart, daß sie sogleich auf ihre Angesichter vor Mir niederfielen und Mich um Schonung anflehten.

07] Ich aber sagte: »Ich habe es euch zuvor gesagt, was der zu gewärtigen hat, der uns Gewalt antäte! Einer hat es versucht und hat seinen Lohn bereits empfangen; wollt auch ihr andern denselben Lohn empfangen, so tut uns auch Gewalt an!«

08] Schrien alle: »O nein, o nein, das werden wir nimmer tun, weder an euch, ihr gottähnlichen Wesen, noch je mehr auch an einem andern, und wir werden uns an das halten, was Du uns geraten hast; aber laß uns nun in Frieden weiterziehen und lasse kein weiteres Arges über uns kommen!«

09] (Darauf erwiderte Ich:) »So hebet euch denn von hinnen, und sagt es auch euren Gefährten, was Ich euch gesagt habe!«

10] Der aber, dem eine Hand verbrannt war, heulte vor Schmerz und bat es Mich, daß Ich ihm denselben nehmen möchte; denn er glaube, daß Mir auch das möglich sei.

11] Ich aber sagte: »Möglich ist es Mir sicher; aber da du der Ärgste deiner Rotte bist, so trage nun auch den Lohn, den du schon lange verdient hast! Wenn du dich aber einmal völlig bessern wirst, dann soll auch dein Leiden ein Ende haben. Unten im Orte aber wirst du einen Brunnen antreffen; dahin gehe, und tauche deine Hand ins Wasser, und dein Schmerz wird gemildert werden!«

12] Darauf erhoben sich diese Bergaraber und eilten in den Ort hinab, und der mit der verbrannten Hand eilte um so mehr, daß er alsbald käme zu dem Brunnen, der gerade vor jener Herberge sich befand, in der wir eingekehrt waren, und begehrte Wasser aus dem Brunnen von dem Wächter des Brunnens. Der gab ihm denn auch gegen ein kleines Entgelt ein größeres Gefäß voll reinen Wassers, in das er sogleich seine Hand steckte und auch sogleich einen bedeutenden Nachlaß des sonst unerträglich großen Schmerzes empfand, und er lobte Mich darum, daß Ich ihm den Schmerz gelindert habe.

13] Es kamen aber einige aus der Herberge und vernahmen von den Arabern, was ihnen auf dem gewissen Hügel begegnet ist. Dadurch erfuhren die Gäste der Herberge, wohin Ich am frühen Morgen gezogen bin; und alle, samt dem Wirte, begaben sich denn auch sogleich zu Mir auf den Hügel und äußerten große Freude, daß sie Mich wiedergefunden hatten. Und der Oberste der Essäer erzählte Mir, wie und was er alles mit dem Araber mit der stark verbrannten Hand gesprochen hatte, und sagte Mir auch, wie Mich derselbe gelobt hatte ob der Milderung des Schmerzes durch das Wasser des Brunnens.

14] Ich aber sagte: »Siehe, das war eine ganz gute Lektion für die privilegierten Räuber dieser Gegend, durch die ein Fremder schwer kommen konnte, ohne zum Dritteile (um ein Drittel) seiner Habe beraubt zu werden! Diese werden es nun auch ihren Gefährten, die auf den verschiedenen Wegen auf die Fremden lauern, um ihnen den Tribut zu diktieren und dann unbarmherzig zur Genüge abzunehmen, verkünden, was ihnen hier begegnet ist, und die Gefährten werden sicher auch von ihrem Treiben abstehen und die Fremden nicht mehr so quälen, wie das schon seit lange her der Fall war.

15] Ihr werdet aber in der Folge auch dafür sorgen, daß dem alten Unfug gesteuert wird. Denn es solle nun nach Mir unter den Menschen also werden, wie es war in den Zeiten der ersten Menschen der Erde: Sie sollen als wahre Brüder freien Wandel haben auf dem Lande, das ihnen eigen ist, und sollen sich allenthalben mit der wahren Liebe begegnen und im Notfalle unterstützen nach Möglichkeit; aber sich gegenseitig in der gerechten Freiheit durch allerlei Quälereien beschränken, das ist nicht mehr himmlisch, sondern höllisch! Je mehr der Beschränkungen in der gerechten Freizügigkeit unter den Menschen durch habgierige und herrschsüchtige Menschen vorkommen werden, desto mehr der Hölle und desto weniger des Himmels wird unter den Menschen daheim sein.

16] Wer aber hemmt die gerechte und zur höheren Seelenbildung so notwendige Freizügigkeit der Menschen? Zuerst die sogenannten Machthaber, deren Macht in feilen Söldlingen besteht. Diese gestatten zwar den reichen Menschen wohl das Reisen, verlangen aber dafür ein Lösegeld, geben ihm dann eine Reisekarte auf eine bestimmte Zeit, nach der er sich eine neue kaufen muß, wenn er noch eine längere Zeit umherreisen will. Es ist das aber in dieser Zeit wohl nicht anders tunlich, weil die blinden Menschen sich schon lange von Gott und somit auch von allem, was des Himmels ist, vollends abgewandt und in Knechtschaft der Sünden und der Hölle begeben haben. - Aber also, wie es nun ist, soll es unter den rechten Menschen nicht verbleiben.

17] Die zweiten und noch hartnäckigeren Beschränker der gerechten Freizügigkeit der Menschen sind die verschiedenen Priester, heidnische und jüdische, welch letztere in dieser Zeit den Heiden völlig gleichkommen. Diesen ist die gerechte Freizügigkeit ihrer Gläubigen ein Greuel, weil die Menschen durchs Reisen zu erfahren werden würden und an die heimischen Betrügereien keinen Glauben mehr hätten, was auf die Einkünfte dieser Volksbetrüger und Weltmüßiggänger mit der Zeit ja einen bösen Einfluß ausüben müßte.

18] Damit aber eben die bezeichneten Priester sogar jene Freizügigkeit der Menschen soviel als möglich beschränken mögen, so erteilen sie mit heimlichem Einverständnis der nunmaligen Weltregenten verschiedenen rohen Menschen gegen einen gewissen Zehent die Befugnis, die Reisenden anzuhalten, um von ihnen einen solchen Tribut zu verlangen, daß ihnen darauf das Weiterreisen entweder sehr erschwert oder oft ganz unmöglich wird.

19] Und siehe, das ist dann schon die vollkommene Hölle unter den Menschen! Denn es entstehen dadurch oft die wildesten Kämpfe und Mord und Totschlägerei. Da die Reisenden es wohl schon zum voraus wissen, was ihnen auf den einen und anderen Wegen und Gegenden begegnen kann, so reisen sie in zahlreichen Karawanen und setzen sich zur hartnäckigen Wehr gegen solche Räuber, wie sie eben in dieser Gegend gar so häufig vertreten sind. Die Wirkungen und Erfolge solcher Kämpfe sind dir nur zu bekannt, und es ist darum gar nicht nötig, sie dir näher zu beschreiben. Glaubst du wohl, daß so etwas im Willen Gottes gelegen sein kann?

20] Es ist zwar wohl wahr, daß, so die Freizügigkeit der Menschen nicht irgendwelche weisen Beschränkungen hätte, die Menschen am Ende alle zu reisen anfangen würden, und die fürs physische Leben der Menschen notwendige Kultur des Erdbodens würde großen Schaden leiden. Aber siehe, dafür wird schon von Gott aus gesorgt, der den Menschen, gleichwie den Bienen, verschiedene Talente gegeben hat!«



Home  |    Index Band 8  |   Werke Lorbers