Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 7. Kapitel: Jesus und der kranke Kaufmann aus Sidon.

01] Es hatten einige Fremde gemerkt, daß Ich den Jüngern solchen Rat gegeben hatte, und es stand einer auf, der ein Kaufmann von Sidon war, ging zu Mir hin und sagte: »Guter Freund, vergib mir, daß ich mir die Freiheit genommen habe, als ein Fremder dich hier anzureden! Ich merkte aus deinen Worten, die du an deine Freunde gerichtet hast, daß du ohne Zweifel ein Arzt sein werdest; und so möchte auch ich dich um einen Rat bitten, was ich tun und anwenden soll, um von meinem schon mehrjährigen Leiden im Magen befreit zu werden.«

02] Sagte Ich: »So du meinst, daß Ich ein Arzt sei, da nimm denn von Mir auch den Rat an! Iß nicht, wie es bisher der Fall war, zuviel und zu fettes Schweinefleisch, und trinke nicht so viel des stärksten Weines den ganzen Tag hindurch, dann wird dein Magenleiden schon ein Ende nehmen! Das ist Mein ärztlicher Rat; wenn du den befolgst, so wird es dir mehr dienen denn dein Aloesaft, der dir wohl den Magen ausräumt, auf daß du ihn darauf wieder desto mehr anfüllen kannst. Der Mensch lebt nicht, um zu essen, sondern er ißt nur, um zu leben, und dazu bedarf es keines vollgestopften Magens und keiner täglichen Nervenberauschung durch einen möglich stärksten Wein.«

03] Als der Fremde das von Mir vernommen hatte, sagte er ganz erstaunt: »Du hast mich zuvor doch noch nie gesehen! Wie kannst du so genau wissen, wie ich lebe?«

04] Sagte Ich: »Wahrlich. Ich müßte ein schlechter Arzt sein, so Ich nicht imstande wäre, einem Kranken von seiner Stirne abzulesen, wie er lebt, und wie er zu seiner Krankheit gekommen ist! Tue das, was Ich dir geraten habe, und enthalte dich von der Wollust, dann wird dein Magen schon besser werden!«

05] Der Fremde dankte Mir für diesen Rat und legte drei Goldstücke vor Mir auf den Tisch.

06] Ich aber gab sie ihm mit den Worten zurück: »Gib du sie den Armen; denn Ich bedarf weder des Goldes noch des Silbers, nach dem die Menschen gar so mächtig gieren!«

07] Da nahm der Fremde sein Gold wieder und sagte: »Nun erkenne ich erst, daß du ein wahrer Arzt bist! So es mit mir besser wird, da sollen die Armen das Hundertfache von mir erhalten!«

08] Mit dem begab er sich wieder an seinen Tisch, und auf den unsern wurden Speisen aufgetragen.

09] Die Speisen bestanden in gar wohlbereiteten Fischen, in drei gebratenen Lämmern und in zwanzig eben auch gebratenen Hühnern und danebst in mehreren edlen Obstgattungen. Wir fingen nun denn auch sogleich zu essen an, und jedem schmeckten die Speisen, das feine Weizenbrot und der Wein, und es ward an unserem Tische bald recht lebhaft.

10] Als die Fremden das merkten, wie wir an unserem Tische es uns wohlschmecken ließen und es ihnen auch bekannt war, daß es in dieser Herberge stets sehr teuer zu zehren war, da sagte eben der Fremde, dem Ich zuvor für seinen Magen einen guten Rat gab, so mehr in der Stille zu seinen Gefährten: »Ja, nun wird es mir erst klar, warum der Arzt von mir die drei Goldstücke nicht annahm! Gäste, wie er und seine Gefährten es sind, die solch eine kostspielige Mahlzeit einnehmen können, haben der Schätze sicher mehr denn wir und da sind nur drei Goldstücke für solch einen schon überreichen Arzt sicher zu wenig! Oh, solch ein Nachtmahl kostet in dieser Herberge mindestens fünfhundert Groschen! Ja, ja, wer das Geschick hat, ein berühmter Arzt zu sein, der ist glücklicher und reicher denn ein König, der bei solch einem Arzte, so er krank geworden ist, um große Schätze Hilfe suchen muß! Denn mag ein König noch so mächtig und reich sein, da kann er sich aber doch nicht heilen und vom Tode retten, so er krank und schwach wird. Da läßt er den besten Arzt, den es nur irgend gibt, oft von großer Ferne um ein großes Geld kommen, und hat ihm der Arzt geholfen, so wird er mit noch größeren Summen belohnt. Und das wird bei diesem Arzte auch ganz sicher der Fall sein, daß er sich bei Königen und Fürsten schon gar große Summen wird erworben haben, daher er auch ganz anders leben kann als wir armen Kaufleute aus Sidon und Tyrus.«

11] Meine Jünger vernahmen auch diese Bemerkung von seiten des Fremden, und es wollte Jakobus der Ältere ihm schon in die Rede fallen.

12] Ich aber sagte zu ihm, auch mehr mit leiser Stimme: »Lassen wir sie reden und urteilen über uns, denn dadurch schaden sie uns wahrlich nicht! So ihr in Meinem Namen den Menschen in aller Welt das Evangelium predigen werdet, so werdet ihr allerlei Urteilen, die die Menschen über euch schöpfen werden, nicht entgehen. Werden die Urteile zwar blind und dumm sein, da lasst die Menschen reden, so ihre Urteile nur kein Böses in sich enthalten! Sind die Urteile aber böser Art, dann mögt ihr die bösen Beurteiler entweder vor einem Richter zur Rede stellen, oder ihr a verlasst den Ort und schüttelt auch den Staub von euren Füßen über solch einen Ort, und Ich werde dann im geheimen schon den Richter über solch einen Ort und seine Bewohner machen! Und so lassen wir diese nun auch über uns reden und urteilen, wie sie wollen, und wie sie es verstehen; denn über sein Verständnis hinaus kann kein Mensch ein Urteil über eine Sache oder über irgendein Verhältnis schöpfen, sowenig als es einem Ochsen möglich ist, einen Psalm Davids zu singen, oder einem Blinden, zu führen einen Blinden! Darum sollen euch in der Folge derlei Vorkommnisse durchaus nicht mehr beirren!« (a Matthäus.10,14; Lukas.10,11)

13] Alle gaben Mir recht und dankten Mir für diesen Rat.

14] Apollon aber sagte hinzu: »O Herr und Meister. Du hast ewig wohl in allem recht; aber es ist hier nur der Umstand, daß wir durch diese Fremden dennoch darin sehr beirrt sind, daß Du Selbst, um Dich nicht ruchbar zu machen, auch uns nichts Besonderes sagen kannst und wir Dich auch, um nichts Außerordentliches fragen können.«

15] Sagte Ich: »O Freund, sorge du dich darum nicht! Bis zur Mitternacht hin wird des Außerordentlichen noch gar vieles vorkommen; denn Ich bin heute, als an einem gut beendeten Tagewerke, guten Mutes, und ihr alle sollt es auch also sein! Nun aber essen und trinken wir und lassen uns in unserer Freude durch niemanden stören!«

16] Darauf aßen und tranken wir ganz wohlgemut und die Fremden an den andern Tischen auch.



Home  |    Index Band 9  |   Werke Lorbers