Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9
124. Kapitel: Schwierigkeit der Aufklärung des Volkes.
01] Als der Samariter solches von Thomas vernommen hatte, dankte er ihm für diese Belehrung, ging wieder an seinen Tisch zu seinen Gefährten, die unterdessen ganz Aug und Ohr für das waren, was unser Raphael sprach und wirkte, und sich nicht genug wundern konnten über den finsteren Aberglauben der Menschen, mit und aus welchem sie den Mond, die Sonne und die andern Sterne betrachten und ihren Unsinn auch an andere Menschen übertragen.
02] Und der eine von Thomas Unterwiesene sagte: »O ihr meine lieben Freunde! Wir sind doch noch bei der alten Lehre Mosis geblieben und haben des Tempels zu arg gewordene Torheiten mit vollem Grunde verachtet und uns darum von ihm gänzlich losgemacht; aber in diesen Dingen, die nun der Jüngling den Gästen mit leichtfaßlicher Rede erklärt, waren auch wir bis jetzt nicht minder blind als die Templer zu Jerusalem, und wir können darum dem Herrn nicht genug dankbar sein, daß Er es sicher also zugelassen hat, daß wir noch zur rechten Zeit hierher gelangt sind, um diesem wahren Himmelsunterricht beiwohnen zu können und zu dürfen.
03] Es soll auch Moses ein eigenes Buch in der Wüste geschrieben haben in wohlverständlicher Rede; aber das soll schon bei Gelegenheit der Babylonischen Gefangenschaft verlorengegangen sein. Und als später die Griechen und die Römer den babylonischen Staat eroberten und verheerten, sollen jene denkwürdigen Bücher auch in die Hände der Sieger geraten sein. Und so besitzen auch wir nichts als nur Bruchstücke der alten Mosaischen Weisheit.
04] Aber doch habe ich mehrere Male mit unserem Rabbi über die Gestirne des Himmels gesprochen, und der hat mir so manches gesagt, was er auf dem Wege der mündlichen Überlieferung sich zu eigen gemacht hatte. Und ich habe ihn denn auch mehrere Male dazu gewisserart aufgefordert, daß er über derlei Dinge auch zum Volke reden solle. Aber da meinte er, daß das Volk noch zu tief im Aberglauben stecke, den es ehedem unter den Juden sich zu eigen gemacht habe, und da müßten kräftigere und mächtigere Lehrer kommen, die bei dem Volke den alten Aberglauben vertilgen würden. Wir aber sehen nun den kräftigeren Lehrer auch in diesen Dingen und begreifen nun auch schon ganz gut, was die leuchtenden Körper des endlos weiten Schöpfungsraumes sind, und wozu sie erschaffen wurden. So wir wieder nach Hause kommen werden, da werden wir denn auch ohne Furcht und Scheu zu unseren Nachbarn davon zu reden anfangen, und es soll auf diese Art der alte Aberglaube zugrunde gerichtet werden.«
05] Sagte ein anderer darauf: »Bruder, dein Vorsatz ist allerdings gut, und es wäre ein paradiesisches Leben mit den Menschen, so sie alle fern von allem Aberglauben in allen Dingen in der Wahrheit stünden; aber es läßt sich nichts schwerer aus dem Gemüte des Menschen hinwegfegen als eben sein schon in der Kindheit eingesogener Aberglaube, aus dem seine Phantasie mit leichter Mühe allerlei fabelhaft klingende und ergötzliche Trugbilder schafft, und wir werden darum mit unseren Nachbarn auch nicht gar zu leichten Kaufs fertig werden. Wir wollen uns denn nicht eher etwas Ernstliches vornehmen, als bis wir darüber mit dem Herrn Selbst geredet haben werden. Er wird es uns schon sagen, was wir zu tun haben werden. Für jetzt aber geben wir noch auf alles unsere größte Aufmerksamkeit, was der wundersame Junge spricht und tut; denn es ist wahrlich ein seltsames Ding, wie auf des Jungen Wink allerlei leuchtende Kügelchen in des Saales Luftraum entstehen und sich nach allen Richtungen drehen und bewegen!«
06] Nach diesen klugen Worten ließ Raphael es geschehen, daß das plastische Abbild der Erde mit dem wohlerkennbaren Mond ganz in die Nähe unserer Samariter kam; und sie betrachteten alles mit der größten Aufmerksamkeit.
07] Und der Hauptwortführer sagte: »Also - das ist die wahre Gestalt unserer Erde und die kleinere des Mondes! Nun, die des Mondes ist begreiflicher als die der Erde; denn so die Erde auch ringsum bewohnt ist - also unterhalb wie oberhalb -, wie kann sich das Gewässer an die Feste der Erde halten, und wie Tiere und Menschen unterhalb der Erde, ohne von ihr weg in den ewig tiefen Raum hinabzufallen? Dazu dreht sich die Erde in etwa 25 Stunden um sich, wodurch Tag und Nacht erzeugt werden; da wechselt das Oben und das Unten ja fort und fort miteinander, und es ist da um so schwerer begreiflich, wie das Gewässer und all die andern freien Körper nicht von der Erde hinwegfallen.
08] Du, Freund, der du ehedem schon von der Schwierigkeit, den alten Aberglauben im Volke zu vertilgen, geredet hast, hast eben nicht unrecht; denn bis das Volk das begreifen wird, daß unsere Erde also ist und besteht, wie wir sie nun vor uns sehen, da wird es noch gar viele Kämpfe absetzen. Und ich sehe nun den Grund auch recht wohl ein, aus dem unser alter Rabbi - obschon er so manche geheimen Kenntnisse in bezug auf die wahre Gestalt und Wesenheit der Erde hatte, von solchen Dingen mit dem Volke nichts verkehren (nicht reden) wollte und stets sagte, über dem Grabe erst werde den würdigen Seelen ein wahres Licht über alles gegeben werden.
09] Ich aber möchte nun doch von dem Jungen selbst vernehmen, wie sich das Gewässer und alle die freien Körper nach unten der Erde hin an ihre Feste halten können, ohne von ihr hinwegfallen zu müssen!«
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