Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 72. Kapitel: Jesus über das Reich Gottes.

01] Sagte nun der Wirt in aller Ehrfurcht und Hochachtung: »O Herr und Meister, Deine Taten sind allerwunderbarst, - aber Deine Worte sind wahrhaft pur Wahrheit und Leben. Denn so Du handelst, da merkt es auch ein Blinder, daß in Deinem Willen mehr als eine menschliche Kraft und Macht waltet; aber wenn Du sprichst, da erkennt man erst in der Fülle, daß Du der Herr Selbst bist! Denn die Weisheit Deiner Rede ist mehr denn das hellste Licht der Mittagssonne.

02] Aber nun muß auch ich mir noch die Freiheit nehmen und des Reiches Gottes wegen an Dich, o Herr und Meister, eine Frage stellen. So Du es mir zuvor allergnädigst gestatten wollest, will ich reden.«

03] Sagte Ich: »Rede du, was du nur immer willst, und Ich werde dir antworten!«

04] Sagte nun der Wirt: »Herr und Meister. Du hast nun vieles von Deiner abermaligen Ankunft und somit auch von der Ankunft des Reiches Gottes auf dieser Erde gar überweise geredet zu Deinen lieben Jüngern und daneben auch zu mir und zu meinem von Dir geheilten Oberknecht. Da fiel mir denn doch eines sehr auf, und das von einer irgendwann in der Ferne der Zeiten werden sollenden und somit auch von der wahren Ankunft des Reiches Gottes auf Erden.

05] Und also sagtest Du auch, daß das Reich Gottes nicht irgend mit äußerem Schaugepränge unter die Menschen kommen werde, sondern es sei schon inwendigst im Menschen, der es nur zu suchen, zu finden und also in sich zu entfalten habe.

06] Ich aber bin da nun einer solchen Meinung, daß wir uns alle hier in Deiner Gegenwart befinden, die sich sichtlich nicht in uns, sondern noch sehr außer uns befindet, und wir mit aller Zuversicht sagen können: Siehe, hier ist Christus, der von Ewigkeit gesalbte Herr aller Herrlichkeit, und Er Selbst ist Alles in Allem und somit auch das ewige Reich Gottes und das Leben und die Wahrheit! Da Du nun aber bei uns bist, so ist ja auch Dein Reich nicht in uns, sondern bei uns in unserer Mitte.

07] Wird in der von Dir uns vorhergesagten Zeit sich diese heiligste Sache auch also verhalten, oder wird Deine zweite Ankunft von der jetzigen doch eine sehr verschiedene sein?«

08] Sagte Ich: »O du Mein lieber Freund, du hast nun wahrlich ganz gut geredet, und Ich kann dir sagen, daß dir das nicht dein Fleisch und Blut, sondern nur dein Geist eingegeben hat; aber darum verhält sich die Sache von der einstigen Wiederkunft des Menschensohnes dennoch also, wie Ich sie euch allen klar genug gezeigt habe.

09] Du hast ganz recht, so du nun sagst, daß das Reich Gottes in Mir zu euch gekommen ist und sich bei euch und in eurer Mitte befindet; aber das genügt noch nicht zur Erreichung und vollen Erhaltung des ewigen Lebens der Seele, weil das Reich Gottes in Mir wohl zu euch gekommen, aber darum noch nicht in euer Inneres gedrungen ist, was erst dann geschehen kann und wird, wenn ihr ohne alle Rücksicht auf die Welt Meine Lehre ganz in euren Willen und somit auch in die volle Tätigkeit aufgenommen habt. Wenn das einmal der Fall sein wird, dann werdet ihr nicht mehr sagen: "Christus, und mit Ihm das Reich Gottes, ist zu uns gekommen und wohnt bei und unter uns!", sondern ihr werdet sagen: "Nun lebe nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir!" Wenn das bei euch der Fall sein wird, dann auch werdet ihr das in der Fülle lebendig begreifen, wie das Reich Gottes nicht mit äußerem Schaugepränge zu und in den Menschen kommt, sondern sich nur inwendig im Menschen entfaltet und die Seele in sein ewiges Leben zieht, festigt und erhält.

10] Es muß zwar dem Menschen zuvor von außen her der Weg gezeigt werden durch das Gotteswort, das da kommt aus den Himmeln zum Menschen, und wo man sagen kann: "Der Friede sei mit dir; denn das Reich Gottes ist nahe zu dir gekommen!" Aber darum ist der Mensch noch nicht im Gottesreiche, und das Reich Gottes ist nicht in ihm.

11] Aber so der Mensch ungezweifelt zu glauben anfängt und durch sein Tun nach der Lehre den Glauben lebendig macht, dann erst entfaltet sich das Reich Gottes also im Menschen, wie sich im Frühjahre das Leben in der Pflanze sichtlich von innen aus zu entfalten anfängt, wenn die Pflanze von dem Lichte der Sonne beschienen und erwärmt und dadurch zur inneren Tätigkeit genötigt wird.

12] Alles Leben wird wohl wie von außen her angeregt und geweckt, aber die Entstehung, Entwicklung, Entfaltung, Formung und Festigung geht dann immer von innen aus.

13] Also müssen auch Tiere und Menschen die Nahrung zuerst von außen her in sich aufnehmen; aber dieses Aufnehmen der Speise und des Trankes ist noch lange nicht die wahre Ernährung des Leibes, sondern diese geht erst dann vom Magen in alle Teile des Leibes aus. Wie aber gewisserart der Magen das Lebensnährherz des Leibes ist, also ist auch das Herz im Menschen der Nährmagen der Seele zur Erweckung des Geistes aus Gott in ihr, und Meine Lehre ist die wahre Lebensspeise und der wahre Lebenstrank für den Magen der Seele.

14] Und so bin Ich denn in Meiner Lehre an die Menschen ein wahres Lebensnährbrot aus den Himmeln, und das Tun nach ihr ist ein wahrer Lebenstrank, ein bester und kräftigster Wein, der durch seinen Geist den ganzen Menschen belebt und durch die hellst auflodernde Liebesfeuerflamme durch und durch erleuchtet. Wir dieses Brot ißt und diesen Wein trinkt, der wird keinen Tod mehr sehen, fühlen und schmecken in Ewigkeit.

15] So ihr das nun verstanden habt, so Tut auch danach, und Meine Worte werden in euch zur vollsten und lebendigsten Wahrheit werden!«



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