Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 110. Kapitel: Karawane aus Persien in der Herberge.

01] Es merkten aber das einige sehr sabbathalterische Nachbarn, wie des Wirtes Leute so tätig wurden wie an einem Werktage, und kamen darum zum Wirte und sagten: »Du scheinst nicht zu wissen, daß heute ein Neumondssabbat ist?«

02] Der Wirt aber sagte: »Kehrt ihr vor euren Haustüren; ich habe vor der meinigen schon gekehrt! Da ist vom Obersten der um ein Opfer gelöste Erlaubnisschein, und ihr habt euch um mich weiter nicht zu kümmern!«

03] Auf diese Worte gingen die Nachbarn wieder von dannen, und die Hausleute erwarteten die schon durch die Stadt daherziehende Karawane. Als diese mit ihren Kamelen und allerlei Waren vollends in dem großen Hofraum angekommen war und des Wirtes Knechte für die Lasttiere das hinreichende Futter herbeigeschafft hatten, da kam ein Dolmetscher und sagte dem Wirte, welche Speisen er für die angekommenen Handelsleute aus Persien bereiten solle.

04] Der Wirt aber sagte: »Was in meiner Macht steht, werde ich euch sicher dienen! Aber du hast etwelche Getränke und etwelche besonderen Speisen verlangt, die mir als einem Juden bisher fremd waren, und ich besitze solche Dinge nicht; aber Fleisch nach unserer Sitte, sehr rein und schmackhaft zubereitet, könnt ihr haben, ein feines Weizenbrot, Honig, Milch und Käse wie auch sehr edle Fische aus dem nicht ferne von hier liegenden Meere Galiläas.«

05] Auf diese Worte entfernte sich der Dolmetscher, ging hinaus zu seinen Herren und gab ihnen kund, womit sie in dieser Herberge bedient werden könnten; und diese stellten sich zufrieden.

06] Bald darauf traten sie in einen zweiten, größeren Speisesaal, in dem die Tische und die hinreichende Anzahl Stühle und Bänke schon in der besten Ordnung hergestellt waren. Alle nahmen sogleich Platz und ließen sich sogleich Brot, Wein und Salz geben, was denn auch eiligst herbeigeschafft wurde; und alle lobten den Wein und das Brot und gestanden, noch nie ein so gutes Brot gegessen und einen so feinen und köstlichen Wein getrunken zu haben.

07] Der Wirt aber begriff anfangs solches einmündige Lob der vielen persischen Handelsleute selbst nicht und sagte zu Mir: »Herr und Meister, es kamen schon zu gar öfteren Malen derlei Karawanen aus dem fernen Morgenlande hier an und haben wohl alles für gut und billig befunden; aber daß sie meinem Brote und Weine ein gar so außerordentliches Lob erteilt hätten wie diesmal, dessen kann ich mich wahrlich nicht erinnern! Hast Du, o Herr und Meister, denn da schon wieder ein neues Zeichen gewirkt?«

08] Sagte Ich, der Ich Mich unter der Zeit mit den vier Indiern, sie über manches belehrend, abgegeben hatte: »Gehe in deine Brotkammer und in deinen Weinkeller, und sieh nach!«

09] Da ging der Wirt nachzusehen und fand in der Brotkammer sowie in dem Weinkeller einen großen Vorrat, und sein Weib ebenso daneben auch in der Speisekammer und in den großen Fischbehältern, kam wieder, dankte Mir aus vollem Herzen und sagte darauf: »Aber Herr und Meister, was habe ich denn je so viel Verdienstliches vor Dir getan, daß Du mich nun schon zum zweiten Male einer so großen Gnade für würdig befunden hast?«

10] Sagte Ich: »Wer allzeit, dir gleich, gegen Fremde gut, gerecht, billig und erbarmungsvoll handelt und die Armen aufnimmt und vor keinem sein Herz und die Tür seines Hauses verschließt, vor dem verschließe auch Ich Mein Herz nicht, das da ist die wahre Eingangstür ins Himmelreich, das da ist das ewige und seligste Leben der Seele. Und Ich weiß es, daß du allzeit also gehandelt hast. Und so wisse denn auch, daß Ich auch dir gegenüber stets also handeln werde, wie du in Meinem Namen gegen deine Mitbrüder handeln wirst! Und was dir gilt als wohl verheißen aus Meinem Munde und Herzen, das gilt auch jedem zu allen Zeiten der Erde, der dir in allem gleich sein wird.

11] Oh, Ich weiß es gar wohl, wie es dir, als einem Wirte einer Herberge, oft sehr knapp mit allen deinen Vorräten ging und dein sonst recht braves Weib dir bittere Vorwürfe darum machte, weil du nach ihrer Ansicht zu billig gegen die Fremden und zu gut und barmherzig gegen die Armen warst! Aber du sagtest: Wer gerecht und billig gegen seine Mitmenschen denkt und handelt, den verläßt Gott niemals; und wer den wahrhaft Armen Barmherzigkeit erweist, der wird auch bei Gott allzeit Erhörung seiner Bitten und also auch Barmherzigkeit finden.

12] Und siehe, weil du eben also in deinem Herzen lange zuvor dachtest und nach deinen Kräften auch also handeltest, als du Mich in Meiner Person erkannt hast, so kam Ich denn auch nun schon zum zweiten Male zu dir und erweise dir, was du Mir an den vielen Mitmenschen erwiesen hast; denn was jemand den Armen in Meinem Namen tut und auch gerecht und billig gegen die Fremden ist, das hat er Mir getan, und Ich werde es ihm vergelten hier schon und gar vielfach im andern Leben. Und so wirst du jetzt denn auch leicht begreifen, Wer, und warum, deine Vorräte nun so reichlich gesegnet hat!«

13] Als der Wirt das nun aus Meinem Munde erfahren hatte, dankte er Mir abermals und ging hinaus in die Küche und sagte das alles auch seinem geschäftigen Weibe, das denn auch alsbald zu Mir in den Saal kam und Mir dankte für die erwiesenen vielen Gnaden und Erbarmungen.

14] Ich aber sagte zum Weibe: »Habe auch du stets das Herz deines Mannes, und du wirst fortan gesund bleiben am Leibe und an der Seele! In der Zukunft soll euch keine Not mehr drücken! Nun aber gehe du wieder an dein Geschäft!«

15] Das Weib dankte mir nochmals und begab sich darauf eiligst in die Küche, wo sie viel zu tun hatte.



Home  |    Index Band 9  |   Werke Lorbers