Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 9


Kapitelinhalt 116. Kapitel: Freudenmahl Jesu bei Kisjona.

01] Darauf sagte Ich zu Kisjona: »Freund, nun erst wollen wir zu der Maria gehen! Die Ich früher benannt habe, gehen mit!«

02] Auf das erhoben wir uns und gingen zur Maria.

03] Als wir bei ihr ankamen, da hatte sie eine große Freude; nur konnte sie nicht umhin, Mir ihr vieles Leid und ihre oft übergroße Sorge zu klagen, die sie um meintwillen zu bestehen hatte.

04] Ich aber tröstete sie und sagte zu ihr: »So du von Meiner Empfängnis an weißt, warum Ich in diese Welt gekommen bin im Fleische durch deinen Leib, wie kannst du dich dann ängstigen, so Ich den Willen des Vaters, der im Himmel ist, tue? Gehe aber nun mit uns samt allen, die um dich sind; im Hause des Freundes sollst du vieles erfahren, was Ich unter den Menschen gewirkt habe!«

05] Da erhob sich Maria mit ihren Freundinnen und dem Joel und folgte Mir, begleitet von Jakobus und Johannes, die sie unterwegs um allerlei befragte, und die ihr die tröstlichsten Auskünfte erteilten.

06] Wir kamen nun im Hause Kisjonas an, in dem unterdessen der große Speisesaal und in ihm ein großer Tisch ganz königlich geschmückt ward, und wir erstaunten vollends, wie des Kisjona Leute in einer so kurzen Zeit alles das zu bewerkstelligen vermocht hatten.

07] Der Maria gefiel das besonders wohl, und sie fragte Mich, sagend: »Sohn, wie gefällt wohl Dir solch eine Aufmerksamkeit von seiten des lieben Freundes Kisjona?«

08] Sagte Ich: »Ich habe nur eine große Freude an seinem Herzen, das rein, gut und edel ist, - aber der Glanz des Goldes, Silbers und der Edelsteine hat keinen Wert vor Mir; weil es aber schon dem Freunde eine Freude macht, Mich auch also zu ehren, so soll ihm seine Freude auch nicht benommen werden!«

09] Mit diesen Meinen Worten war Maria denn auch einverstanden, und da die Speisen und der Wein schon auf dem Tische unser harrten, so setzten wir uns in guter Ordnung an den Tisch und fingen an zu essen und zu trinken.

10] Maria saß an Meiner Rechten und Joel an Meiner Linken. Gleich an der rechten Seite Marias saßen Kisjona, Philopold, Jakobus und Johannes, und an der linken Seite saßen die vier Indojuden, nach ihnen die Freunde des Kisjona und die Freundinnen Marias; dann kamen Meine Jünger alle, und so war, wie schon gesagt, der große Tisch in bester Ordnung besetzt.

11] Wohlbereitete Edelfische aus dem Galiläischen Meere machten den Anfang, von denen Ich etliche verzehrte, und so auch Maria, die sich als eine selbst wohlerfahrene Fischbereiterin nicht genug lobend über die gute Bereitung der Fische aussprechen konnte. Es waren aber noch gebratene Hühner, zwei fette Lämmer und ein ganzes Kalb wohlzubereitet auf dem Tische, und Obst der allerbesten Art und Gattung, an dem allen sich die Jünger und auch die andern Gäste recht viel zugute taten. Ich aber blieb bei den Fischen, obschon Maria meinte, daß Ich denn doch von allem etwas kosten solle.

12] Ich aber sagte: »Ein jeglicher esse nach dem Bedürfnisse seines Magens; Ich habe Mich gesättigt an den Fischen, und eines weiteren bedarf Mein Leib nicht auf dieser Welt. Du aber sieh nicht auf Mich, sondern iß, was dir schmeckt!«

13] Darauf nahm die Maria denn auch samt Mir noch einen Fisch und verzehrte ihn mit Brot und etwas Wein. Die vier Fremden aber ließen es sich von allem wohlschmecken, wie auch Meine Jünger; nur die etlichen mit Mir ziehenden Jünger des Johannes taten Mir gleich.

14] Kisjona sagte endlich selbst zu Mir: »Herr und Meister, aber warum nimmst Du denn nicht auch von den anderen Speisen etwas Weniges zu Dir? Du weißt es ja, daß bei mir alles frisch, rein und bestens bereitet ist!«

15] Sagte Ich: »Mein lieber Freund, kümmere du dich nur um Mich nicht; es ist ja genug, daß Ich für euch alle sorge und wache! Seid denn nun voll frohen Mutes, dieweil Ich unter euch noch sichtbar wandle; es wird aber bald die Zeit kommen, in der Ich nur im Geiste des Glaubens und der Liebe unter euch sein werde, - da werdet ihr dann auch nicht mehr so heiter und froh auf dieser Erde sein und werdet vieles zu erdulden bekommen um Meines Namens willen. Jetzt ist das ganze Gottesreich in Mir bei euch; dann aber werdet ihr es in euch suchen, finden und bewahren müssen. Darum seid denn nun fröhlich und heiter! Ich esse jetzt nur Fische, weil diese am meisten der gegenwärtigen Menschheit in ihrer Erkenntnis gleichen; diese sollen in Mir zum Leben, zum Geistesleben und zu dessen Lichte gelangen!«

16] Sagte einer der Freunde Kisjonas: »Aber Herr und Meister, wie kann man Fische mit Menschen vergleichen? Ein Fisch ist und bleibt ja doch das dümmste aller Tiere; ein Wurm, der auf der Erde herumkriecht, scheint schon mehr Verstand zu haben denn der edelste Fisch!«

17] Sagte Ich: »Da hast du wohl nicht ganz unrecht; aber dennoch sind die Menschen zum allergrößten Teil nun noch dümmer als die Fische im Wasser.

18] Willst du einen reichen Fischfang machen, so fische in der Nacht beim Lichte der Fackeln; daraus wirst du - wenigstens in der natürlichen Hinsicht - entnehmen, daß die Fische sicher nicht lichtscheu sind, da sie sich an der Stelle in großer Anzahl sammeln, wo sie ein Licht gewahr werden.

19] Ich aber bin das Licht alles Lichtes und bin das Leben alles Lebens! Sieh aber dir nun die Menschen an, und du wirst erstaunen über die kleine Zahl derer, die Mir in ihrem Herzen gläubig und liebend in ihrem Weltsinnswasser zuschwimmen und sich von Mir ins Reich Gottes fangen lassen! Daher vergleiche Ich nur jene wenigen Menschen mit den Fischen - die Meine liebste Speise sind -, die Mich als das wahre Licht der Welt und als die Sonne der Himmel erkennen und Mir zuschwimmen und sich von Mir zum ewigen Leben fangen lassen. - Verstehest du dieses Bild?«

20] Sagte der Freund: »Ja, Herr und Meister, nun verstehe ich das wohl, und Du tust alles nach Deiner unwandelbaren Ordnung, die für jedermann, der Dich mehr denn wir zu beobachten die Gelegenheit hat, auch ein Evangelium ist; aber es gehört da schon ein sehr geweckter Geist dazu, um solch ein Evangelium zu begreifen!«

21] Sagte Ich: »Es ist aber alles leicht und sicher zu bewirken, so man nur das rechte Mittel dazu hat und es auch recht anwendet. Ebenso kann ein Mensch denn auch den Geist in sich bald und leicht vollends erwecken, so er das rechte Mittel dazu besitzt und es aber dann auch recht anwendet. Das rechte Mittel aber ist die wahre, reine und tätige Liebe zu Gott und also auch zum Nächsten.

22] Wer aber Gott lieben will, der muß ja zuerst glauben, daß es einen Gott gibt, der, als Selbst ganz Liebe, der ewige Urgrund aller Dinge in der ganzen Unendlichkeit ist.

23] Wie aber kann ein Mensch zu solch einem Glauben gelangen? Am sichersten durch die Offenbarung, durch das Anhören des Wortes Gottes und durch die Erkenntnis des Willens der ewigen Liebe.

24] Hat der Mensch solchen Willen erkannt, so unterordne er seinen Willen ganz dem Willen der ewigen Liebe und höchsten Weisheit in Gott, und lasse sich von dem Willen Gottes gleich diesen Fischen als ein wohlzubereitetes Gericht verzehren, so wird er dadurch vom Geiste Gottes ganz durchdrungen werden und aus ihm als eine neue Kreatur hervorgehen zum ewigen Leben.

25] Wer das an sich bewerkstelligt, der hat auf dem rechten Wege und durch das rechte Mittel den Geist des Lebens und der Weisheit in sich erweckt und wird dann auch in der Natur der Erde und aller Wesen auf ihr, sowie in Mond, Sonne und Sternen ein wohlverständliches Evangelium finden.

26] Willst du, Freund, vollauf geweckten Geistes werden, so befolge Meinen Rat, und es wird dir dann bald alles klar werden, was dir jetzt noch bedenklich und hie und da zweiflig (zweifelhaft) vorkommt!«

27] Sagt darauf Maria: »Mein Sohn, welch herrliche Lehren hast Du schon den Menschen gegeben in der Fremde, - uns Heimische aber hast Da noch wenig bedacht!«

28] Sagte Ich: »Maria, war Ich nicht von der Kindheit an bis zu Meinem dreißigsten Jahre unter euch Heimischen? Habe Ich nicht gar oft auch über Mich belehrt und Meine Worte auch mit allerlei Zeichen bestätigt? Bin Ich nicht auch nachher nach Nazareth gekommen, habe gelehrt und Zeichen gewirkt? Was aber haben die blinden Heimischen in und um Nazareth gesagt?

29] Siehe, ihre Rede war: "Woher kommt denn dem die Weisheit? Ist er ja doch des Zimmermanns Sohn, den wir kennen; wie konnte aus ihm ein Prophet erstehen?"

30] Und siehe, da die Heimischen also über Mich dachten, urteilten und Mir auch nicht glaubten, so blieb Ich denn auch nicht bei den Heimischen und ging zu den Fremden. Denn Ich sagte es damals und sage es nun abermals: Ein Prophet gilt nirgends weniger denn in seinem Vaterlande und am wenigsten in dem Orte, der ihm, von den Kinderjahren angefangen, zur Wohnstätte gedient hat.

31] Die aus den Heimischen aber an Mich geglaubt haben, die sind noch bei Mir und werden auch allenthalben bei Mir verbleiben. Doch in Nazareth werde Ich Selbst nicht mehr lehren und Zeichen wirken; das werden später schon Meine Jünger in Meinem Namen tun.

32] Für dich aber habe Ich schon gesorgt für die Zeit und für die Ewigkeit. So Ich wieder dahin zurückkehren werde, von wannen Ich gekommen bin, so werde Ich auch für euch alle eine Wohnung bereiten, in der euch ewig kein Kummer und keine eitle Sorge mehr plagen werden; denn wo Ich sein werde, da werdet auch ihr bei Mir sein, so ihr euch von dieser Welt nicht irgend habt fangen lassen.«

33] Auf diese Meine Worte sagte Maria nichts mehr, sondern behielt sie in ihrem Herzen.



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