Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 55. Kapitel: Jesu Reise nach Abila.

01] Als wir bei unserem Wirte ankamen, da standen vor des Hauses Flur eine Menge Menschen, die Mich nochmals sehen und sprechen wollten, indem sie von Meinen Taten wohl selbst Zeugen waren und von Meinen Lehren auch schon so manches vernommen hatten.

02] Ich aber verwies sie an den Hauptmann Pellagius und sagte ihnen, daß sie von ihm Meine Lehre vollständig erhalten würden.

03] Und der Hauptmann gelobte ihnen, daß er sie in allem unterweisen werde.

04] Die Menschen waren damit zufrieden, zerstreuten sich nach und nach, und wir gingen ins Haus, wo das Mittagsmahl schon auf dem Tische stand. Wir nahmen das Mahl zu uns und waren dabei voll guter Dinge.

05] Als wir das Mahl bald beendet hatten und Ich allen Anwesenden ankündigte, daß Ich in einer Stunde Zeit mit Meinen Jüngern nach Abila ziehen würde, da bat Mich der Hauptmann, ihm zu gestatten, Mich in diese Stadt und auch in die andern Orte und Städte, die unter seinem Kommando stünden, mit seinen Unterdienern und mit der Veronika geleiten zu dürfen.

06] Und Ich gestattete ihm das, worüber er eine große Freude hatte und sogleich Anstalten zur Abreise machte.

07] Nach einer Stunde Zeit verließen wir das Haus des Wirtes, der Mich mit seinem geheilten Sohne auch noch eine weite Strecke aus der Stadt hinaus begleitete, sowie auch der Griechenwirt und der bekannte Schmied und Tierarzt.

08] Als Ich außerhalb der Stadt von den vieren Abschied nahm, da erteilte Ich auch dem Schmied die Macht, böse Geister aus den Menschen zu schaffen, wofür er Mich nicht genug loben und preisen konnte.

09] Darauf zogen wir ziemlich raschen Schrittes auf einer guten Heerstraße nach Abila und erreichten diese nicht unbedeutende Stadt eine Stunde vor dem Untergange der Sonne.

10] Auch diese Stadt war zumeist von Heiden bewohnt. Nur zehn jüdische Familien hatten in dieser Stadt ein sehr untergeordnetes Unterkommen und mußten den Heiden dienen und von ihnen leben. Alle zehn Familien hatten nur ein uraltes und ruinenartiges Haus zu bewohnen; sie hatten daher in dieser Stadt auch keine eigene Herberge und keine Synagoge.

11] Als wir uns der Stadt nahten, da sagte Ich zum Hauptmann: »Gehe du mit den Deinen nun voraus in die Stadt, und lasse die zehn Judenfamilien wissen, daß Ich zu ihnen kommen und bei ihnen übernachten werde! Alles andere wird sich dann schon nachher von selbst geben.«

12] Als der Hauptmann das von Mir vernommen hatte, da begab er sich mit den Seinen alsogleich eiligst voraus und ging auch sogleich zu den Juden und sagte ihnen, was sie zu erwarten hätten.

13] Die bettelarmen Juden aber sagten zum Hauptmann: »O hoher Gebieter im Namen des Kaisers! Es wäre das schon wohl gut und recht; aber wo sollen die über vierzig in diesem zerfallenen Haus ein genügendes Unterkommen finden? Alte, zerfallene Zimmer wären wohl noch zur Genüge da; aber wer mag darin wohnen? Kröten, Nattern, Salamander und Skorpione gibt es zur Übergenüge darin, und da kann man ja doch keinen Menschen hineintun. Was aber unsere Zimmer betrifft, da haben ja wir kaum hinreichenden Raum zur Wohnung, besonders zur Nachtzeit, und es wäre schwer, noch etliche Menschen neben uns anständig zu beherbergen. Von einer Bewirtung aber könnte schon gar keine Rede sein, da wir selbst mehr denn bettelarm sind.

14] Und so wolle du den großen Herrn und Meister, von dessen wunderbaren Taten wir schon vernommen haben, davon abwendig machen, bei uns ein Nachtlager suchen und nehmen zu wollen, da es ja in dieser Stadt mehrere wohlbestellte Herbergen gibt.«

15] Da sagte der Hauptmann: »Ich werde Ihm eure mir wohlbekannte Not schon schildern; aber ich weiß es auch schon zum voraus, daß ich Ihn von Seinem Vorhaben nicht abwendig machen werde, - denn was Er einmal beschließt und sagt, das geschieht! Er wird auch um euren Notstand und um euer Elend schon lange wissen und kommt sicher nur eben deshalb zu euch, um euch zu helfen und den wahren Trost zu bringen, aber nicht, um euch zu plagen und in große Sorgen zu versetzen. Darum kommt Seinem Willen nur freundlichst entgegen, und ihr werdet bei Ihm Gnade und eine große Liebe und Erbarmung finden!«

16] Sagte der Älteste dieses Hauses: »Ja, ja, er komme nur, wie es ihm beliebt! So er dasein wird, da wird er sich wohl von allem selbst überzeugen, wie es mit uns steht. Wir sind sicher alle darob höchst erfreut, daß er zu uns kommen will; aber wir sind darum traurig, daß wir ihm für solch eine Gnade kein Gegenopfer darbringen können!«

17] Während der Hauptmann sich noch mit dem Ältesten besprach, kam Ich mit den Jüngern auch schon vor das Judenhaus, das wie eine zerklüftete alte Burg auf einer Anhöhe außerhalb der Stadtmauer sich befand.

18] Der Hauptmann bemerkte Mich sogleich, eilte Mir entgegen und wollte Mir zu erzählen anfangen, wie es mit dem Judenhause und mit seinen Einwohnern stehe.

19] Ich aber sagte zu ihm: »Freund, erspare dir die Rede, da Ich ja schon lange um gar alles weiß! Ich bin aber ja - wie du es zuvor ganz richtig diesen Menschen bemerkt hast - eben darum zu ihnen gekommen, weil Ich gar wohl weiß, wie es mit ihrem Hause und mit ihnen selbst steht. Darum laß uns sogleich zu dem Ältesten gehen!«



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