Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 10


Kapitelinhalt 74. Kapitel: Die Belehrung des Wirtes und des Hauptmanns durch Jesus.

01] Hier öffneten die Diener die Tür und brachten die wohlbereiteten Speisen auf die Tische, und dazu auch noch mehr Brot und Wein, und wir nahmen denn auch das Mahl zu uns; auch der Wirt erquickte sich an unserem Tische, und sein Weib und seine Kinder, die an einem andern Tische saßen, aßen und tranken auch mit einer großen Freude und wendeten ihre Augen nicht von Mir ab.

02] Nach dem eingenommenen Mahle aber kamen das Weib und die Kinder zu Mir und dankten Mir für die Gnade, die Ich ihnen erwiesen habe.

03] Einige Jünger aber wurden bei sich ob des langen Dankens von seiten des Weibes und der Kinder ein wenig unwillig und bedeuteten ihnen, daß sie nun schon zur Genüge gedankt hätten.

04] Ich aber merkte das wohl und sagte zu den ungeduldigen Jüngern: »Wie oft habe Ich vor euch Zeichen gewirkt, und wie oft habt ihr an Meinem Tische euch gesättigt; aber Ich habe von euch noch wenig offenen Dank bekommen. Also lasst denn diesen Kindern ihre Freude! Wahrlich, Mir ist das dankbare Lallen eines Kindes um gar vieles lieber, als viele weise Worte aus dem Munde eines Gelehrten, an denen sich wohl der Verstand ergötzt, aber das Herz dabei wenig gewinnt. Wahrlich sage Ich euch: Wer Mich nicht bekennt vor der Welt, den werde Ich auch nicht bekennen vor dem Vater im Himmel! Darum lasst diesen Kindern ihre Freude!«

05] Als die Jünger solche Rüge von Mir vernommen hatten, da ermahnten sie sich und ließen den Kindern ihre Freude, und Ich belobte die Kinder, legte ihnen Meine Hände auf und entließ sie dann. Da ging das Weib mit den Kindern wieder in die Küche, wo sie für den kommenden Tag so manches vorzubereiten hatten.

06] Ich aber habe den Wirt noch bis in die Mitte der Nacht über verschiedene Dinge unterrichtet, die auch der Hauptmann und seine Unterdiener samt der Veronika mit der größten Aufmerksamkeit anhörten.

07] Und der Hauptmann sagte: »Herr, ich habe Dich vernommen in Pella und in Abila und behielt alles wohl, was ich von Dir vernommen und gesehen habe; doch muß ich hier offen gestehen, daß Du nun mit dem Wirte höchst klar über Dinge gesprochen hast, die mir ganz fremd und neu sind, und ich kann Dir, o Du lieber Herr und Meister, darum nicht zur Genüge danken; denn nun sehe ich um gar vieles tiefer in die Geheimnisse Deiner endlos großen Schöpfung vom Kleinsten bis zum unergründbar Großen, als ich ehedem gesehen habe.«

08] Sagte Ich: »Ja, du Mein lieber Freund, Ich hätte dir und allen diesen Meinen Jüngern noch gar vieles zu sagen und zu eröffnen, aber ihr würdet das nun noch nicht ertragen und fassen; aber so Ich euch den ewigen Geist der Wahrheit senden werde und er durchdringen wird eure Seelen, so werdet ihr dadurch in alle Weisheit erhoben werden.

09] Daß Ich nun aber mit unserem Wirte über so manches habe reden können, das dir fremd und neu vorkommen mußte, davon liegt der Grund darin, weil eben dieser Wirt in der Schrift zwar ganz wohlbewandert ist, aber nicht ebenso im reinen Verständnisse derselben. Dir ist aus der Schrift der Juden zwar auch vieles, doch nicht also wie diesem Wirte, bekannt; und so denn habe Ich mit ihm auch über Dinge reden können, die dir fremd und neu sein mußten. So du die gesamte Schrift, bis nahe an diese Tage reichend, wirst mit der rechten Aufmerksamkeit durchgelesen haben, da wirst du noch gar vieles finden, das dir sehr neu und fremd vorkommen wird. Da wirst du forschen mit dem Verstande, aber den Sinn der inneren verborgenen Wahrheit nicht finden und erkennen. Aber mit dem Geiste, den Ich auch dir senden werde, wirst du den inneren Sinn wohl erkennen.

10] So du aber über die Dinge in der Naturwelt noch einen tieferen Aufschluß haben willst, da besuche deinen Amtsgefährten in Genezareth, so wirst du vieles von ihm vernehmen, das dir bis jetzt auch noch fremd ist; denn Ich unterweise die Menschen stets nach ihrer Aufnahmefähigkeit und nach dem, worüber sie schon ehedem selbst oft nachgedacht haben, aber trotz aller ihrer Mühe zu keiner Wahrheit gelangen konnten. Und so denn kommt es, daß Ich allenthalben mit etwas wie Neuem und Fremdem zum Vorschein komme; aber es ist darum dennoch kein eigentlich völlig Fremdes und Neues, sondern ein schon Daseiendes, aber von den Menschen noch nicht Erkanntes und Begriffenes.«

11] Dieses begriff nun der Hauptmann und auch alle andern, die mit dem Hauptmanne nebst Meinen Jüngern hier anwesend waren. Die Jünger selbst aber verstanden es auch erst jetzt tiefer, warum Ich an den verschiedenen Orten nebst der freilich immer gleichen Hauptlehre auch über verschiedene Dinge die Menschen also belehrt habe, wie sie das haben fassen können, und für was sie ein Bedürfnis mehr oder weniger hatten.



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