Jakob Lorber: 'Die geistige Sonne' (Band 2)


Kapitelinhalt 115. Kapitel: Früchte, die für die Hölle reifen.

(Am 28. November 18413, von 4 1/4 - 5 1/4 Uhr Abends.)

Originaltext 1. Auflage 1870 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 6. Auflage 1976 Lorber-Verlag

01] Gehen wir auf unsere züchtige Jungfrau wieder zurück, und verfolgen sie abermals in eine Gesellschaft, wo sie zufolge ihrer weiblichen Reize die Königin spielt. - Ihr Geliebter findet sich auch in dieser Gesellschaft ein; was thut aber nun seine Favoritin? Giebt sie sich etwa mit ihm ab? - O nein, sondern mit einer Menge anderer Gesellschaftsbesucher, und läßt sich von denen über Hals und Kopf den sogenannten Hof machen. Aus welchem Grunde denn aber eigentlich?

02] Ich sage, weil ich die Welt sehr genau kenne: Sie thut das nicht etwa, um ihrem gewählten Liebhaber untreu zu werden, sondern ihm bloß nur zu zeigen, welch' einen enormen Werth sie hat, und sagt ihm dadurch gewisserart indirect: Erkenne aus dieser Erscheinung, welch' einen Millionschatz du an mir hast!

03] Der Liebhaber aber, weil er nicht im Besitze der Allwissenheit ist, faßt die Sache von einem andern Gesichtspunkte auf, wird bald düster und augenabwendig von derjenigen Stelle, wo sich seine Geliebte den Hof machen läßt; und wirft er auch schon noch verstohlene Blicke auf den verhängnißvollen Punkt hin, so sind diese schon allzeit von einer solchen Ausstrahlung, der es Jedermann auf den ersten Blick ankennen kann, weß Geistes Kind sie ist, nämlich der brennenden Eifersucht.

04] Unsere Jungfrau merkt dieses auch, bessert sich aber dadurch nicht im Geringsten; wohl aber fängt sie an, ihr Spiel noch ärger zu treiben, um sich an ihrem Liebhaber zu rächen, der gerade da ihren hohen Werth zu verkennen anfing, wo sie ihn am meisten vor ihm entfalten wollte. Bei dieser Gelegenheit sucht der Liebhaber so früh als möglich sich von der Gesellschaft zu ziehen, mit dem Wahlspruche in seinem Herzen: Warte Canaille! Wenn wir, versteht sich, nur einmal noch unter vier Augen zusammen kommen, da werde ich dir meine Meinung auf eine Art bekannt geben, auf die du denken sollst; denn nun verlange ich nichts mehr, als mich nach Gebühr zu rächen an dir für deine Untreue.

05] Sie kommen zusammen, und die Frucht dieser Zusammenkunft sind die brennendsten Vorwürfe aller Art. Eine Liebescheidung ist nicht selten die Folge, nur selten eine Wiedervereinigung, welche aber eben so wenig mehr Stich hält, als die erste Liebe. - Nichtwiedervereinigung und Vereinigung gehen aber immer auf dasselbe hinaus; denn vereinigen sie sich wieder, so dient gewöhnlich diese Wiedervereinigung dazu, sich beiderseitig den Werth so viel möglich noch fühlbarer zu machen, und so ist eine solche Wiederliebe meistens nichts Anderes, als eine verkappte Rache; - und vereinigen sie sich nicht, so werden sie auch gegenseitig jede Gelegenheit aufsuchen, wo Eins dem Andern im übertreffenden Zustande seine Verachtung auf das Unbarmherzigste fühlen läßt.

06] Die Jungfrau setzt sich bald aus lauter Rache über alle Schranken des Schamgefühles hinaus, wird eine förmliche Coquette; und kriecht da der alte Liebhaber nicht zum Kreuze, was sie eigentlich wünscht, so wird sie auch mit demselben heroischen Rachegefühl eine förmliche Hure, im Gegentheile dann gewöhnlich der Liebhaber den letzten Rest seines alten Gefühles aus seinem Herzen verbannt. - Und hat unsere eheschon schamhaftige Jungfrau den süßen Stachel der Wollust verkostet, so bringt sie, wie ihr zu sagen pflegt, kein Gott mehr auf die Bahn der Tugend zurück. - Wird sie dadurch unglücklich, so wälzt sie im vollsten Grimme ihres Herzens zumeist alle Schuld auf denjenigen ersten Liebhaber, der ihre Absicht und ihre erste Tugend so schändlich verkannt habe.

07] Was ist aber das hernach? - Es ist nichts Anderes, als die schon völlig entwickelte Frucht des ersten so hochgepriesenen weiblichen Schamgefühles, und der Name der Frucht lautet: Unterste vollkommene Hölle! - Oder auch: Vollkommen reife Hölle, wenn die äußere Schale hinwegfällt! - Denn was würde so eine unglückliche Jungfrau Demjenigen Alles anthun, den sie, wenn schon irrwähnig, als den Grund ihres Unglückes anschaut?

08] Wenn es ihr möglich wäre, im Augenblicke ihrer freien Wuth ihn mit tausend glühenden Schlangen in Stücke zernagen zu sehen, so würde diese Rache kaum noch ein kühlender Thautropfen auf ihr wuthentflammtes Herz sein.

09] Wer das nicht glauben möchte, der besuche eine solche unglückliche Jungfrau, und lasse sich mit ihr in ein Gespräch über den bewußten Gegenstand ihres Unglückes ein, und er wird im besten Falle aus einem weiblichen Munde sobald alle Vulkane der Erde sprühen sehen; im schlimmeren Falle aber wird es heißen: Ich bitte mich damit zu verschonen! - Wenn ihr Solches vernommen habt, so könnt ihr schon denken, um welche Zeit es ist. - Wir hätten nun so weit die Früchte beleuchtet, wie sie für die Hölle reifen; nächstens aber werden wir die Sache specieller beleuchten.

01] Gehen wir auf unsere »züchtige« Jungfrau zurück und folgen ihr abermals in eine Gesellschaft, wo sie zufolge ihrer weiblichen Reize die Königin spielt. Ihr Geliebter findet sich auch in dieser Gesellschaft ein. Was tut aber nun seine Favoritin? Gibt sie sich etwa mit ihm ab? O nein, dagegen mit einer Menge anderer Gesellschaftsbesucher, von denen sie sich über Hals und Kopf, wie ihr sagt, den Hof machen läßt. Aus welchem Grunde eigentlich?

02] Ich sage, weil ich die Welt sehr genau kenne: Sie tut das nicht etwa deshalb, um ihrem erwählten Liebhaber untreu zu werden, sondern nur um ihm zu zeigen, welchen enormen Wert sie hat. Sie sagt ihm dadurch gewisserart indirekt: Erkenne aus dieser Erscheinung, welch einen Millionenschatz du an mir hast!

03] Der Liebhaber aber, weil er nicht im Besitze der Allwissenheit ist, faßt die Sache von einem andern Gesichtspunkte auf, er wird bald düster und wendet seine Augen ab von der Stelle, wo sich seine Geliebte den Hof machen läßt. Wirft er auch noch verstohlene Blicke auf den verhängnisvollen Punkt, so sind diese schon voll brennender Eifersucht.


04] Unsere Jungfrau merkt dieses, bessert sich aber dadurch nicht im geringsten. Wohl aber fängt sie an, ihr Spiel noch ärger zu treiben, um sich an ihrem Liebhaber zu rächen, der gerade da ihren hohen Wert zu verkennen anfing, wo sie ihn am meisten vor ihm entfalten wollte. Bei dieser Gelegenheit sucht der Liebhaber so früh als möglich sich von der Gesellschaft zurückzuziehen, mit dem Vorsatz im Herzen: Warte Kanaille! Wenn wir nur einmal noch unter vier Augen zusammenkommen, da werde ich dir meine Meinung auf eine Art bekanntgeben, an die du denken sollst! Denn nun verlange ich nichts mehr, als mich nach Gebühr für deine Untreue an dir zu rächen.

05] Sie kommen zusammen, und die Frucht dieser Zusammenkunft sind die brennendsten Vorwürfe. Eine Liebescheidung ist meist die Folge, nur selten eine Wiedervereinigung, welche aber ebensowenig mehr Stand hält wie die erste Liebe. Nichtwiedervereinigung und Vereinigung gehen hier immer auf dasselbe hinaus; denn vereinigen sie sich wieder, so dient diese Wiedervereinigung gewöhnlich dazu, sich beiderseitig den Wert möglichst noch fühlbarer zu machen, und so ist eine solche Wiederliebe meistens nichts anderes als eine verkappte Rache. Und vereinigen sie sich nicht, so werden sie gegenseitig auch jede Gelegenheit suchen, wo eins das andere darin zu übertreffen sucht, seine Verachtung auf das Unbarmherzigste fühlen zu lassen.

06] Die Jungfrau setzt sich bald aus lauter Rache über alle Schranken des Schamgefühls hinweg und wird eine Kokette. Kriecht da der alte Liebhaber nicht zu Kreuze, was sie wünscht, so wird sie aus demselben Rachegefühl eine Hure, worauf der Liebhaber den letzten Rest seines alten Gefühls aus seinem Herzen verbannt. Und hat unsere ehedem schamhafte Jungfrau den süßen Stachel der Wollust verkostet, so bringt sie, wie ihr zu sagen pflegt, kein Gott mehr auf die Bahn der Tugend zurück. Wird sie dadurch unglücklich, so wälzt sie im vollen Grimme ihres Herzens zumeist alle Schuld auf jenen ersten Liebhaber, der ihre Absicht und ihre erste Tugend schändlich verkannt habe.


07] Was ist aber das hernach? Es ist nichts anderes als die schon völlig entwickelte Frucht des erst so hoch gepriesenen weiblichen Schamgefühls. Der Name der Frucht lautet: Unterste vollkommene Hölle! oder auch: Vollkommen reife Hölle, wenn die äußere Schale abfällt! Denn was würde eine solche unglückliche Jungfrau demjenigen alles antun, den sie, wenn auch irrig, als den Grund ihres Unglückes ansieht?

08] Wenn es ihr möglich wäre, im Augenblicke ihrer freien Wut ihn von tausend glühenden Schlangen zerstückt zu sehen, so würde diese Rache kaum ein kühlender Tautropfen auf ihr wutentflammtes Herz sein.

09] Wer das nicht glauben möchte, der besuche eine solche unglückliche Jungfrau und lasse sich mit ihr in ein Gespräch über den bewußten Gegenstand ihres Unglückes ein. Er wird im besten Falle aus dem weiblichen Munde sobald gleichsam alle Vulkane der Erde sprühen sehen; im schlimmeren Falle aber wird es heißen: Ich bitte, mich damit zu verschonen! Wenn ihr solches vernommen habt, so könnt ihr schon denken, um welche Zeit es ist. - Wir hätten nun so weit die Früchte beleuchtet wie sie für die Hölle reifen; nächstens aber werden wir die Sache spezieller beleuchten.

Home  |    Inhaltsverzeichnis  |   Werke Lorbers