Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes' (Band 1)


Kapitelinhalt 156. Kapitel: Über die Liebe.

01] Der Lamech aber, da er solches vom Abedam vernommen hatte, fing an, in sich zu gehen; und es brauchte gar nicht lange Zeit, daß Lamech zu gewahren anfing, wie er daran ist, und was da verborgen ist hinter dem Abedam!

02] Und da der Abedam alsogleich sah, daß Lamech Ihn gefunden und erkannt hatte, fragte Er den Lamech: »Höre, Mein geliebter, getreuer Lamech! Wie ist's nun mit dir? Hast du noch eine Furcht vor dem großen, gar bald über uns ausbrechenden Ungewitter?

03] Oder soll Ich Mich im Ernste noch mit dir vor demselben zu fürchten anfangen?«

04] Und der Lamech aber fing vor lauter Freude zu weinen an und konnte nicht antworten. Erst nach einer ziemlich langen Pause, als sich sein Herz durch die reichlichen Liebefreudetränen Luft gemacht hatte und dadurch sich für einen so plötzlich übergroßen Anblick gehörig erweiterte, fing er an, folgende Worte an den Abedam in der allerhöchsten Entzückung zu richten, sagend nämlich:

05] »O Abedam. - O Emanuel - O Abba! - Ich habe Dich wiedergefunden, - Dich; Dich, o mein Abba, - wiedergefunden!

06] Wie könnte es, wie sollte es mir nun bangen vor dem, das nichts ist vor Gott?!

07] So Du willst, laß von zahllosen Blitzen die Erde zu Staub zerschlagen und das Meer wie einen Tautropfen auf glühenden Erzen verdampfen; ja laß flammende Orkane mit solcher Gewalt wehen, daß ihre Kraft mit Bergen spielen möchte wie sonst ein brausender Sturm mit dem Laube der Bäume; und Schloßen, wie Welten so groß, laß sie zur Erde stürzen, - und Du wirst nimmer in mir eine Furcht entdecken! Denn wo Du bist, da ist überall gut sein; ohne Dich ist's aber auch beim allerschönsten und ruhigsten Wetter fürchterlich auf der Erde wie überall, und es ist alles öde und leer, - und alles, was man nur immer ansieht, grinst einen schauderhaft drohend und todbringend an. Der Wind schreit und heult: Tod! Das Gras stirbt. Das Wasser rauscht: Tod! Und die Ufer beben und vergehen. Und das Wasser verdampft in den Tod, in das finstere Nichts. Der Strahl der Sonne, der sonst belebende, tötet des Grabes Gewürm.

08] Des sterblichen Leibes fleischliche Kräfte, sie sterben ab, und die tod träge Masse sinkt erschöpft zur sparsam belebten Erde nieder, und der Dahingesunkene sinkt dann vom Tode zum Tode. Und die sonst munteren Sterne werden düster, blaß, und kein freundliches Zittern stört mehr ihre tote, düster schauerliche Ruhe. Und kurz und gut, wo Du bist, da werden selbst Steine lebendig und überaus freundlich, daß es eine große Lust ist, sie anzuschauen! Ja, ich glaube, wenn man mit Dir also auch im Feuer stünde, daß einem die sonst alles verzehrenden Flammen hoch über dem Haupte zusammenschlügen, so würde, ja so müßte man statt des schmerzlichsten Brennens nur eine lieblich sanfte Kühlung empfinden; denn Du bist überall und allzeit Liebe!

09] Siehe, also bin ich jetzt ganz ohne Furcht, da ich nur Dich wieder habe! Aber also verschwinden darfst Du mir ja nicht mehr, daß ich dann nicht mehr wüßte, wohin Du Dich verborgen hättest!«

10] Und der Abedam entgegnete kurz dem Lamech: »Ja, ja, du sollst Mich nimmerdar verlieren, jetzt wie auch in alle Ewigkeiten! Amen.

11] Für jetzt aber schweige davon vor Adam und Seth und der Eva und dem Weibe Seths, wie auch vor all den übrigen Kindern; denn Ich will, daß Mich ein jeder also finden soll, wie du Mich gefunden hast. Und es soll Mich niemand eher finden, als bis er Mich gefunden hat, wie du Mich gefunden und erkannt hast in deinem Herzen!

12] Ich sage dir aber: Diese Nacht wird sie noch alle vor unser Angesicht führen! Wenn sie aber kommen, so soll Mich von euch dreien keiner offenbaren, sondern, wenn sie die große Angst treiben wird in ihr Innerstes und dadurch vor ihren Augen ihr eigenes Herz offenbar wird und ihnen selbst kundgeben wird, wieviel Liebe darin waltet und was für eine Liebe, dann erst wird sich auch zeigen, wieviel Liebe zu Mir in ihrem Herzen haust, danach sie Mich dann auch entweder erkennen oder nicht erkennen werden.

13] Siehe, Ich mache es wie ein Bräutigam, der da das Herz derjenigen erforscht, die er gesonnen ist zum Weibe zu nehmen! Dieser geht zur Nachtzeit, ja in stürmischer Nacht um die Hütte, darin da seines Herzens Gewählte haust. Da horcht er dann beklommenen Herzens und spitzt gewaltig seine Ohren, da er vernehmen möchte geheime Seufzer der Liebe aus dem Munde seiner Gewählten. Wohl ihr, so ihr Herz voll ist ihres Bräutigams; denn wovon das Herz voll ist, davon geht der Mund über! Sie wird ihn rufen und ihn nennen beim Namen. Ich sage dir, ihr Seufzen und ihr Rufen wird des Bräutigams Herz brechen, und er wird eintreten in ihr Gemach und wird sie bei der Nacht noch führen in seine Hütte und machen, daß sie werde sein Weib!

14] Glaubst du aber, so der Bräutigam also seine Gewählte zur Nachtzeit belauschen wird, sie aber treffen wird entweder schlafend oder im Seufzen eines anderen Namen nennend, er werde auch dann in ihr Gemach treten und sie führen in sein Haus?!

15] O siehe, das wird er nimmer tun, sondern er wird von nun an fliehen ihre Nähe und verachten ihr Angesicht!

16] Siehe, also bin Ich jetzt in stürmischer Nacht vor der Türe aller Meiner Gewählten! Wo Ich im Herzen nach Mir werde seufzen hören, da auch werde Ich alsbald eintreten und tun gleich dem erwähnten Bräutigam; wo Ich aber die Gewählten werde entweder schlafend antreffen oder seufzend nach fremden Namen, da werde Ich auch tun, was da tun würde seiner Gewählten der Mir ähnliche erwähnte Bräutigam.

17] Doch aber ist ein Unterschied zwischen Mir und dem Bräutigam: Ich komme mit Liebe, bringe Liebe, gebe Liebe, suche Liebe und verlange Liebe, und wen Ich schlafend antreffe, der wird erweckt zum siebenundsiebenzigmal siebenundsiebenzigtausendsten Male! Erst wenn er nicht erwacht, dann erst ziehe Ich Mich zurück! Wehe aber dem, von dem Ich Mich zurückgezogen habe! Wahrlich, der wird fürder lange, lange, lange vergeblich seufzen und rufen Meinen Namen; aber Ich werde ihm nicht antworten!«


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