Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 14. Kapitel: Über die Lasten des Führeramtes und die Schwachheit des Menschen.

01] Und der bekannte Abedam ward also durch und durch ergriffen von der großen Gnade des Herrn, daß er sich gar nicht finden konnte, um Ihm einen Dank darbringen zu können; er war im eigentlichsten Sinne des Wortes und der Bedeutung sozusagen ganz weg und konnte weder reden noch deuten, noch stehen oder gehen.

02] Da aber der hohe Abedam dessen große Verlegenheit gar wohl gemerkt hatte, so trat Er zu ihm hin und rührte ihn an und sprach zu ihm:

03] »Abedam, tue dich auf; denn es ziemt sich nicht, daß ein Mann wie du in eine gar so große Verlegenheit gerät, daß er darob beinahe unsinnig wird. Siehe, solches taten nicht einmal die Mägde, als Ich ihnen gar große Dinge gezeigt hatte und sie auch nicht minder denn dich großer Gnaden teilhaftig werden ließ; und dazu noch kennst du Mich schon länger denn diese!

04] Daher sei ein Mann und nicht ein Hase im Angesichte eines Wolfes!

05] Auch darfst du dich jetzt ja noch nicht von Mir hinwegbegeben, sondern sollst an Meiner Seite verbleiben wie ehedem; darum (weil) du jetzt aber eine wahre und nützliche Bestimmung deines Lebens von Mir erhalten hast, mußt du denn darum unsinnig werden?!

06] Ich sage dir aber: Wenn du erst dein Amt ausübend antreten wirst, dann wird dir erst das größte Licht aufgehen; da wird es dir klar werden, daß Meine Ämter auf dieser Welt nichts weniger als etwa mit Honig überladen sind, sondern desto mehr mit Bitterkeiten aller Art.

07] Da erst wirst du Mir recht danken für die Mitgabe der Kraft, Macht und Gewalt, darum (indem) du erst einsehen wirst, wie arm du wärest in deinem Amte ohne diese Mitgabe.

08] Daher erhebe dich, und danke Mir erst, wenn du alle Süßigkeiten Meines dir nun gegebenen Amtes gekostet haben wirst. Amen.

09] Und nach diesen Worten erhob sich der Abedam, der bekannte, aus seiner Betäubung und fragte den hohen Abedam, ob er nun nicht etwas reden dürfte.

10] Und der hohe Abedam fragte ihn entgegen: »Untersuche zuvor deine Zunge, ob Ich sie mit irgendeinem Stricke an den Gaumen oder an die Zähne angebunden habe!«

11] Und der bekannte Abedam erwiderte: »O Herr und Vater, solches ist mitnichten der Fall!«

12] Und der hohe Abedam sagte zu ihm: »Wenn solches nicht der Fall ist, so magst du ja immerhin reden, wie dir die Zunge gewachsen ist; aber verstehe: nur nicht gar zu stark von der Leber weg, wo die Galle ihr Haus hat, sondern dafür lieber etwas mehr vom Herzen weg, wo das Leben sein Haus hat; verstehe es wohl! Amen.«

13] Und der bekannte Abedam entwand folgende Worte seinem Herzen und sagte: »Abedam, Du großer, heiliger, allmächtiger, liebevollster, gnädigster, sanftmütigster, allerbester Vater, jetzt erst kann ich Dir danken; jedoch nicht mit Worten, nicht mit Gebärden, nicht mit den Händen, nicht mit den Füßen, nicht mit dem Bauche, nicht mit dem Rücken und nicht mit dem Kopfe will ich Dir danken, sondern allein in der stets größeren Demut, Geduld und Liebe meines Herzens will ich Dir danken, und in der Tat will ich Dir ein Opfer darbringen, ein Opfer der Ergebung in Deinen heiligen Willen, ein Opfer der Geduld, ein Opfer der Sanftmut, der Liebe, der Erbarmung und ein Opfer der Beharrlichkeit. Und möchtest Du auch Feuerbrände und glühende Steine auf mich herniederregnen lassen, wahrlich, sage ich Dir, Abedam wird nicht weichen, sondern in Deiner Treue beharren bis ans Ende seiner Tage, und möchten deren noch so viele folgen, als da ist des Sandes im Meere; denn Du wirst mir doch sicher nicht über meine Kraft Lasten auferlegen?!

14] Was aber mit meinen Kräften übereinkommt, das mag ja schon aussehen, wie es nur immer will; es wird alsbald auf meine Schulter genommen werden und dann allergeduldigst getragen bis ans Ende meiner von Dir bestimmten Zeit!

15] Versuche nur eine Probe mit mir zu machen! Stelle mich ins Feuer, oder schicke mich ins Wasser, oder lasse mich den Blitzen nachjagen, oder lasse, was Du, o Vater, nur immer willst magst, über mich kommen, und ich werde es aus Liebe zu Dir geduldigst ertragen!

16] Doch nicht darum verlange ich solches von Dir, als wollte ich Dich von meiner Beharrlichkeit gewisserart überweisen, - denn Du weißt es ja schon von Ewigkeit her, wieviel ich standhaft werde zu ertragen imstande sein; sondern nur darum bitte ich Dich mir eine solche Probe zuzulassen, damit ich daraus für mich selbst ersehen möchte, inwieweit sich meine Stärke der Beharrlichkeit erstreckt, und wieviel der Schwäche noch in mir verborgen ist, und ob ich bei der vielen Bitterkeit Deines Amtes an mir dasselbe völlig zu ertragen werde imstande sein. Dein heiliger Wille! Amen.«

17] Und der hohe Abedam blickte ihn liebernstlich an und sagte dann zu ihm, ihn am Arme fassend:

18] »Abedam, Abedam, du nimmst dir viel vor! Aber bedenke auch dabei wer Der ist, dem du solche Verheißungen machst!

19] Kennst du alle die unendlichen Versuchsmittel, die alle ewig Meinem Willen zu Gebote stehen? Meinst du, es hängt von dir ab, ob du stehen bleibst, oder ob du dich zerfallest zu Tode?

20] Daher bleibe du nur getreu bei dem, was Ich dir anvertraut habe, und bitte dir nicht Lasten von Mir aus, die du in der Wirklichkeit nicht einmal mit halbgeöffneten Augen dir anzublicken getrauen möchtest, und Ich werde mit dir zufrieden sein! Und wenn du Mich schon um etwas bittest, so bitte Mich lieber darum, daß Ich alle Versuchung von dir abwenden möchte, statt dich in Versuchungen zu führen! Dann wirst leichter du bestehen und wirst Mir wohlgefälliger sein, wenn du Mir in dem getreu verbleibest, über was Ich dich gestellt habe, als wenn du, von und neuen Lasten zu Tode gedrückt, dann in aller Verzweiflung zu Mir rufen würdest: ,Herr, errette mich, oder ich gehe zugrunde!'

21] Damit du aber die Torheit deiner Bitte so recht einsiehst, so will Ich dir nur eine Stechfliege auf eine Minute lang auf dein Angesicht setzen, und dir wird diese Minute lang genug werden! Und also geschehe deinem Wunsche nach Amen.

22] Und im Augenblicke saß eine große Stechfliege dem bekannten Abedam im Gesichte und fing ihn an gewaltig zu stechen. Der Abedam erschrak darüber also heftig, daß er beinahe in die Verzweiflung übergegangen wäre, da er der unaufhörlich stechenden Fliege nicht loswerden konnte, hätte ihn der hohe Abedam nicht vor der Zeit davon befreit.

23] Als er von der kleinen Last los war, fiel er dem Abedam alsbald zu den Füßen und dankte Ihm wie ein Neugeborener für diese Errettung vom nahen Untergange.

24] Und der hohe Abedam fragte ihn darauf: »Na, - möchtest du nun auch noch eine kleine Feuerprobe machen?

25] Und der bekannte Abedam erwiderte, am ganzen Leibe zitternd: »O Herr, verschone mich in alle ewige Zukunft nicht nur mit der jetzt versprochenen Feuerprobe, sondern lasse auch nimmer eine solche hartnäckige Fliege über mein Gesicht kommen; denn Deine Versuchungen sind erschrecklich!«

26] Und der hohe Abedam sagte ihm darauf: »Du sollst verschont bleiben ewig; aber verschone auch du Mich mit jeder noch viel erschrecklicheren Torheit vor Mir und bleibe Mir getreu, Amen.«



Home  |    Inhaltsverzeichnis  |   Werke Lorbers