Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 56. Kapitel: Henochs Anweisung, wie man sich im Herzen umsehen soll. Der Unterschied zwischen Verstandeslicht und Herzenslicht. Zeitliche Liebe und ewige Liebe.

01] Nach dieser Rede Abedams aber traten die zwölfe nach der Weisung des Henoch einige Schritte zurück, der sie auch begleitete, bei ihnen bleibend, geistig in ihre Herzen, und zeigte durch eine kurze Rede, was das heißt, sich im eigenen Herzen umsehen und dann dessen gewahr werden, was entweder im Herzen ist oder vorgeht. - Die Rede aber lautete also:

02] »Höret, liebe Brüder, der allerheiligste, liebevollste Vater Abedam Jehova Emanuel Abba hat zu euch geredet, nachdem Er sattsam angehört hatte euer kindliches Lob:

03] ,Sehet euch in euren Herzen um; und was ihr darinnen werdet finden, das gebet treulich Mir kund!' Also war der Sinn der überheiligen Rede.

04] Es hat aber auch der allerheiligste Vater gar wohl gesehen, daß ihr diesen Sinn nicht fassen werdet; darum gab Er mir heimlich im Herzen die Weisung, daß ich euch geleiten soll in euer Herz und also auch in den verborgenen Sinn dieser Seiner letzten Worte, die Er da am Schlusse an euch alle gerichtet hatte.

05] Solches nimmt euch zwar ein wenig wunder; aber ihr werdet es alle gar bald ersehen, wie es eben nicht zu leicht ist, alsogleich seine Augen in sein eigenes Herz zu richten und dann das selbe vollkommen zu beschauen.

06] Denn sehet, bis jetzt war bei euch allen nur vorzugsweise der Verstand eures Kopfes die Leuchte eurer Seele, aber der ewig lebendige Geist, der da wohnt im Herzen der Seele, und der da ist das alleinig wahre, innerste, lebendige Licht des Lebens, der ist bei euch noch nie geweckt worden!

07] Ist aber dieser nicht geweckt, dann ist es auch umsonst, in sein Herz zu schauen; denn wo kein Licht ist, was sollte da wohl gesehen werden?! Oder kann da jemand bei einer allerstockfinstersten Nacht nur eine Spanne weit vor sich hin sehen?!

08] Also aber ist es auch um so mehr mit dem Geistesschauen im eigenen Herzen, daselbst niemand etwas zu er schauen vermag, so da nicht vorher lebendig geweckt wurde sein Geist.

09] Aber, werdet ihr nun fragen, wie und wodurch kann denn der Geist geweckt werden?

10] Sehet, eben darum erhielt ich die Weisung, euch alle zu geleiten hierher; da wir aber schon bis hierher glücklich gelangt sind, da werden wir mit der Hilfe Dessen, der uns allen diese heilige Weisung gab, auch dahin gelangen, wohin wir alle nach dem allerhöchst besten und allervollkommensten heiligsten Willen Dessen gelangen müssen, der uns allen diese Weisung gab!

11] Also aber ist der Weg, und das ist das alleinige Weckmittel des Geistes, daß ihr alle euch im Herzen, das heißt in der allervollkommensten Liebe, an den allerheiligsten Vater wendet voll Vertrauen und voll gerechter, uneigennütziger Treue.

12] Wenn ihr aber gewahren werdet, daß es da in eurem Herzen heißer und heißer wird, dann achtet auf euer Herz; denn dann ist die Entzündungs- und Lichtzeit auch schon da. Und so dann eure Herzen alle erbrennen werden zu Gott, dem allerheiligsten, liebevollsten Vater, da schauet in euch, und ihr werdet die Wunder des ewigen Lebens in euch erschauen!

13] Aber solches merket euch gar wohl hinzu, daß ihr etwa ja nicht darum allein den allerheiligsten Vater zu lieben beginnet; denn der allerheiligste Vater will Seiner Selbst willen geliebt sein. Und daß eure Liebe nicht also sich gestalte, als möchte sie nur dauern von heute bis morgen; denn mit einer sich nur zeitlich gestaltenden Liebe ist ja nicht einmal das schwache Weib zufrieden, geschweige erst der ewige Gott!

14] Es wird aber das Leben beschaffen sein, wie da beschaffen ist die Liebe. Ist die Liebe zeitlich, so wird auch das Leben ein vergängliches sein gleich der Liebe, welche da ist die alleinige Bedingung des Lebens; in solcher Liebe aber ist kein Licht.

15] Ist aber die Liebe für ewig gestaltet, so ist auch das Leben gleich ihr; und sehet, solche ewige Liebe ist erst das lichte Wachwerden des ewigen Geistes, der da selbst nichts als pur Liebe ist.

16] Nun wisset ihr alles; tuet danach, so werdet ihr euch gar wohl und bald innerlich zu beschauen vermögen! Amen.«

17] Und der Besediel ergriff alsbald die Hand des Henoch und sagte zu ihm: »Mein mir über alles teurer Bruder! Mit welchen Ergießungen meines Herzens soll ich dir nun danken für diesen so überaus herrlichen Dienst, den du unseren allerbedürftigsten Herzen erwiesen hast?!

18] Siehe, in diesem Punkte war ich, wenigstens für mich genommen, noch bis auf diesen gegenwärtigen Augenblick blind; denn, wie du es wenigstens an mir sehr genau erraten hast, bis jetzt habe ich nur allein den Verstand zu bilden gesucht und suchte daher alles zu zergliedern, was mir nur immer untergekommen ist, da ich mir dachte:

19] Gottes Vollkommenheit unterscheidet sich von unserer Unvollkommenheit bloß nur im allein allervollkommensten Verstande, - daher wir uns dann auch nur durch die alleinige Ausbildung unseres Verstandes Gott nähern können.

20] Daß ich dann zufolge dieses höchst irrigen Grundes das Herz nie beachtet habe, brauche ich dir hier nicht noch mit leeren Worten zu bekräftigen, indem du schon ohnehin zuvor gar trefflich gesehen hast, wie es mit unserem Herzen steht.

21] Aber wie ganz töricht und rein umsonst diese oft schauerliche Mühe war, sehe ich erst jetzt ein; denn was sollte dem Toten doch alle endlose Wissenschaft nützen?!

22] Für tausend hohle Atemzüge wäre die Nacht ja ums unaussprechliche besser; der Lebendige aber bedarf der Wissenschaft nicht.

23] Oder wozu sollte dem Todblinden wohl das Licht dienen, und wozu dem Lebendigen, dessen Geist selbst ein allerhellstes Licht ist?!

24] Siehe, Bruder, solches war mir früher fremd; da du aber jetzt durch die Gnade des allerheiligsten Vaters nun an meine Brust gepocht hast, so hat sich in mir auch alsbald das Herz gemeldet und sagte:

25] ,Liebe, Liebe, Liebe ist das große Wort alles Seins; hast du diese für ewig in Gott, so hast du auch alles Leben in und aus Gott und alles, was desselben ist.

26] Hast du aber diese nicht, dann hast du nichts als den puren Tod in dir.'

27] O Bruder, siehe, nun ist aber der Tod aus mir gewichen; was Großes hast du daher mir und sicher uns allen dadurch getan, daß du uns die Hauptquelle unseres Todes enthüllt hast!

28] Welches Dankes bist du daher auch von uns allen würdig!

29] Doch ich weiß nun schon, Wem aller Dank gebührt; daher lasse mich nun hineilen zum allerheiligsten Vater!«

30] Der Henoch aber erwiderte ihm: »Gedulde dich nur noch ein weniges der Zeit, bis die anderen auch werden wie du, und du aber völlig leuchtend in deinem Herzen! Amen.«



Home  |    Inhaltsverzeichnis  |   Werke Lorbers