Jakob Lorber: 'Die Haushaltung Gottes', Band 2


Kapitelinhalt 224. Kapitel: Henochs feurige Liebesrede an den heiligen Vater. Die Billigung der Liebesschwärmerei Henochs durch den heiligen Vater. Die Bekehrung Lamechs als ein Zeugnis von der Macht der göttlichen Liebe.

01] Ganz liebeglühend stürzte der Henoch hin zum Vater, und sagte in seinem Herzen: »O Du überguter, überheiliger, überliebevollster Vater, welch ein überschwenglichstes Glück hast Du meinem Herzen bereitet! Ich, ein schwacher Mensch der Erde, darf Dich geleiten?!

02] Wenn ich auch der von Dir gestellte und berufene Hohepriester bin, was aber ist dennoch solches gegen Dich, Du allerheiligster, liebevollster Vater?!

03] Doch nicht ich, ja ewig nicht ich habe mich selbst dafür gewürdigt, sondern - o heiliger Vater! - Deine unendliche Milde, Gnade, Liebe und Erbarmung hat ja solches an mir getan; darum aber möchte ich mich gerade auch zu Tode in Dich hinein lieben!

04] O wäre es mir doch möglich, Dich mit der Kraft und Mächtigkeit aller Himmel zu lieben; wie endlos seligst gerne möchte ich solches tun!

05] O Vater, Du ewige, allerreinste und allmächtigste Liebe, laß mich noch zu Unfähigen für solch allerhöchste Genüsse der Himmel doch hier nicht gar so unaussprechlich selig sein; denn beinahe verträgt mein Herz solch einen Liebebrand kaum mehr!

06] Aber was rede ich doch alles zusammen in meinem Taumel?!

07] Es ist solches ja alles Dein heiligster Wille; darum geschehe auch allzeit alles also, wie es Dir angenehm ist!

08] O Du heiliger Vater! Wie gut mußt Du in Dir sein, da ich, ein Nichts vor Dir, schon so unmäßig viel von dieser Deiner unendlichen Güte empfinde!

09] O du Erde, erbebe vor zu großer Entzückung; denn der Schöpfer, der dich lebendig erschuf, wandelt nun auf dir! Und du, arme Sonne, mit deinem Lichte getraust du dich wohl jetzt deine Strahlen herabzusenden auf den Erdboden, wenn Der über denselben wandelt, dessen leisester Hauch dich einst werden hieß?

10] Aber ich rede ja schon wieder wie ein Liebeverwirrter! Die Erde schweigt ja vor übergroßer, erhabenster Ehrfurcht; denn sie empfindet es ja, wer Der ist, den sie nun trägt! Und die Sonne bringt dem Herrn mit ihren sanften Strahlen ein ihr möglich liebegrößtes Lob dar!

11] Alles, alles ist von einem erhabenen, andächtigen und ehrfurchtsvollsten Stillschweigen ergriffen; nur ich plappere beständig in mir!

12] Ich fehle offenbar gegen die gebührendste Ehrfurcht, - aber ich kann mir aber ja auch nicht helfen; denn ich liebe Ihn zu sehr, als daß es mir möglich wäre, das stets mehr und mehr liebegesprächige Herz im Zaume zu halten!

13] Welche Wonne und welche Seligkeit aber kann der auch in Ewigkeit gleichen: bei Ihm zu sein, an Seiner liebevollsten, väterlichen, allmächtigen Seite zu wandeln, und Ihn aus allen Kräften lieben zu dürfen?!

14] Doch nun stille, mein Herz; denn Er macht ja eine Miene, als wollte Er mir etwas sagen!

15] O freue dich, mein ganzes Wesen; denn du wirst wieder aus dem allerheiligsten Munde des Vaters Worte des Lebens vernehmen!«

16] Bei der Gelegenheit gelangten die nun neun Personen auch in die Ebene vom Berge herab, und der Herr an der Seite Henochs blieb stehen und sagte zu allen:

17] »Freunde, hier wollen wir ein wenig anhalten! Denn Ich sehe, daß einige von euch etwas müde geworden sind; und du, Mein geliebter Henoch, bist am müdesten, - denn dein Herz hätte sich ja beinahe vergriffen an Mir!

18] Ich sage dir aber: Überschwenglich groß ist deine Liebe zu Gott, deinem Vater; aber wäre es dir möglich, die Freude des Vaters zu verkosten über die große Liebe eines Kindes zu Ihm, und dann zu ermessen Seine großen Liebesphantasien und Gedanken, in denen Er allmächtig, unendlich und ewig große Pläne macht, ein solch Ihn über alles liebendes Kind auch so unendlich glücklich zu machen, als es nur immer Seiner unendlichen Allmacht möglich ist, da würdest du wohl vergehen schon bei der leisesten Annäherung zu einem solchen Gedanken Gottes!

19] Schwärme aber du in deiner reinen Liebe zu Gott nur immer also fort, wie du, Mein geliebter Henoch, bis jetzt geschwärmt hast, so wird aus solch einer Schwärmerei einst eine große Wirklichkeit hervorgehen, über die sich dein Geist höchst erstaunen wird!«

20] Nach dem aber wandte sich der Herr zum Kisehel und sagte zu ihm: »Kisehel, erkennst du jetzt die Macht der Liebe des Vaters?

21] Siehe, als du gesandt warst herab in die Tiefe, da zweifeltest du noch heimlich an dem Gelingen und dachtest nach dem ersten Auftritte heimlich bei! dir:

22] »Des Herrn Macht ist zwar endlos größer, als sie je auch ein allervollkommenster Geist nur im allergeringsten Teile zu begreifen vermag; aber was den Lamech betrifft, da wird nicht viel auszurichten sein - und auf dem Wege der Liebe schon am allerwenigsten!

23] Es müßte nur der Lamech getötet und dann neu belebt werden mit einem ganz anderen Willen, - sonst wird hier jeder Versuch scheitern!'

24] Nun siehe, wir haben aber nichts gebraucht als eben nur die Liebe, und die ganze Tiefe steht gereinigt nun vor uns!

25] Also bleibe es auch ewig dabei! Wo die Liebe nichts mehr wird auszurichten und zu gewinnen vermögen, da soll auch keine andere Macht etwas zu bewirken imstande sein!

26] Sind doch alle Werke der Schöpfung aus der Liebe hervorgegangen; wie sollten die Werke dann wohl mächtiger sein denn die Liebe als ihr Urgrund?! Also bleibet nur allezeit bei der Liebe, und es soll am Ende doch alles gewonnen sein!

27] Da wir uns aber nun erholt haben, so lasset uns wieder weiterziehen; denn es gibt schon eine große Menge der Harrenden.

28] Darum gehen wir, auf daß unser Segen sie zur gerechten Zeit treffe! Amen.«



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