Jakob Lorber: 'Himmelsgaben', Band 1


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Um ihre heil'gen Spitzen häufig frohe Nebel kreisen
und helfen dankend ihnen still den großen Vater preisen.
Und heitre Winde rauschen mächtig über hohe Zinnen,
um anzuzeigen, daß die Felsen dort Mein Lob beginnen.

2. Es bangt dir, du matter Seher, vor den ries'gen Höhen,
du schauerst, wenn der Alpen reine Geister dich umwehen,
als kühle Winde deinem Auge manche Trän' entlocken!
Doch wenn du sehen möchtest, wie Äonen weißer Flocken
sie emsig aus den müden Wolken freudig formen, bilden
und sie dann sorglich streu'n auf all den hohen Moosgefilden,
und möcht'st du sehen all dies noch mit deines Geistes Augen
und seh'n, wozu all diese Geisterarbeit möchte taugen -
sodann erst möcht'st du rufen: »Wer da achtet Gottes Werke,
hat eitle Lust! Sie zeigen ihm des heil'gen Vaters Starke!«

3. Ihr habt geseh'n des Oberlandes kühn gestellte Berge
und auch geschaut auf deren Schoß die niedern stein'gen Zwerge.
Den hohen »Schwab« und »Reiting« saht ihr alle duftend prangen,
den »Pred'ger-Stuhl« und andre Berge, die mit Wolken rangen.
O hört diese selt'nen Berggebilde sprechen!
Vernehmt ihr Wort in eures stein'gen Herzens sand'gen Schwächen!
Es lautet kurz also: »Du schwacher Mensch auf dieser Erde!
Du schaust ganz wonnetrunken, stumm für unsere Beschwerde,
die hehre Pracht an uns. Doch würdest du uns näher treten,
dann möcht'st du schauern wohl vor unsern schweren Prüfungsketten!«

4. Und also weiter legen Worte euch aus Herz die Berge, also verständlich:
»Seht uns an und schaut die alten Särge,
wie wir dasteh'n und majestätisch in die Lüfte ragen,
also auch eine Unzahl Tote stets in uns wir tragen.
Und wenn die Barmlieb' Gottes uns nicht möchte kühlen,
fürwahr des Grimmes Wüten würde bald das Land erfüllen.
Denn die wir fest in unsern harten Leibern müssen halten,
die möchten, flammend, schier in einer Stund' die Erd' umstalten.
Doch solches zu verhüten und zu wahren euch den Frieden,
drum tragen wir an eurer Statt die große Last hienieden!«



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