Jakob Lorber: 'Sterbeszenen - Jenseits der Schwelle'


Dritte Szene: Tod eines Reichen (Niederschrift am 03. August 1847))


Inhaltszusammenfassung: Schilderung der Charakterstärken und -Schwächen eines Reichen, der Jesu Gottheit anerkannte und Leser von Swedenborgs Schriften war (JL.Jens.003,01). Sein Tod durch Übermaß an Speisen und sexueller Überanstrengung. (JL.Jens.003,03). Unwissenheit des Verstorbenen um den plötzlich erfolgten Tod, Erleben der Umgebung wie zu Erdenzeiten. (JL.Jens.003,07). Auffallende Änderung des Schlafempfindens (JL.Jens.003,08). Gespräch mit der fiktiven Ehefrau, in deren Rolle Jesus ihn zur Rechenschaft zieht wegen seiner sexuellen Escapaden während der Ehezeit. (JL.Jens.003,09-17). Seine Reue und Bitte um Vergebung (JL.Jens.003,18). Jesus enthüllt seine wahre Identität, warnt ihn, besser zu leben und klärt ihn über seinen Übergang ins Jenseits auf. (JL.Jens.003,19). Vergebung durch Jesus wegen seiner großen Liebe. Übergabe des Verstorbenen an Engel zur weiteren Führung und Reinigung von allem Weltlichen. Not und Armut der irdischen Nachkommen durch Engelseinfluß zur Läuterung. (JL.Jens.003,21). Wirkung von guten Taten aus Liebe und ernsthafter Reue. (JL.Jens.003,22).

Originaltext 1. Auflage 1895 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text u. Verseinteilung nach 7. Auflage 1990 Lorber-Verlag

01] Da sind wir schon wieder am Sterbebette eines Mannes, der sehr reich war, seinen Reichthum rechtmäßig verwaltete, seine Kinder möglichst wohl erzog, und anbei der Armen stets bestens gedachte; freilich mitunter auch manchmal zu einem sogenannten vergnügten Stündchen bei jenen armen, aber jungen Schwesterchen, die um einen Herzogs-Pfennig (Dukaten) für allerlei lustige Dinge zu haben sind, sich einfand. Daneben aber hielt er im Ernste große Stücke auf die Heilige Schrift, las oft und fleißig darin, und glaubte fest, daß Jesus der eigentliche Jehova ist; denn er lernte solches aus Swedenborg's Werken, von denen er in den Musestunden bis auf einige kleine alle gelesen hatte.

02] Solche seine Belesenheit aber machte ihn auch sehr aufbrausend, so er Jemand über Jesum gleichgültig oder gar schmählich reden hörte; und befand sich irgend ein solcher Antichrist in seiner Gesellschaft, so mußte dieser sich bei Zeiten aus dem Staube machen, ansonst er wohl die übelsten und sehr handgreiflichsten Folgen zu befürchten hatte; kurz und gut, unser Mann war ein sehr vollkommener strenger Held für's reine Christenthum.

03] Dieser Mann erkrankte in seinem bedeutend vorgerückten Alter, und zwar in Folge einer großen Festtafel, bei der er des Guten schon ohnehin zu viel that, und nach der Tafel, besonders ob des durch die vielen starken Weine zu sehr aufgereizten Blutes, wegen gepflogenen zweimaligen Beischlafes mit einer jungen, fleischlich sehr üppigen Schwester.

04] Als unser Mann nach solchem nach Hause kam, empfand er einen leichten Schwindel, den er für ein Räuschel hielt; aber er irrte sich. Kaum war er im Begriffe, ins Bette zu steigen, als ihm schon die Füße den Dienst versagten; er stürzte für die Welt bewußtlos zusammen, und war, wie ihr zu sagen pfleget, auch schon mausetodt.

05] Daß die Seinigen tief erschreckt, augenblicklich Alles aufboten, ihren Hausvater zu erwecken, versteht sich von selbst; aber es war vergebliche Mühe; denn was einmal von den Engelsgeistern geholt wird, das erwacht für diese Welt nimmer.

06] Es ist daher bei diesem Manne diesseits nicht viel mehr zu beschauen und zu behorchen, darum wollen wir uns auch sogleich in die Geisterwelt begeben, und sehen, wie sich unser Mann dort ausnimmt, und was er beginnt, und wohin er sich wendet.

07] Vor allem aber sollet ihr wißen, daß Menschen, die von einem Totalschlage gerührt werden, durchaus nicht wissen, und auch nicht im Geringsten merken, daß, und wie sie gestorben sind. Sie finden keine Veränderung, weder ihres Hauswesens, wie sie es auf Erden hatten, noch in ihrem Befinden; außer, daß sie ganz gesund sind, was sie aber gewöhnlich auf der Welt auch waren; deßgleichen sehen sie auch keine Engel, obschon diese knapp bei ihnen sich befinden, und vernehmen auch nicht das Geringste aus der Geisterwelt, in der sie sich doch vollkommen befinden, kurz und gut, sie sind ganz in Allem und Jedem, wie noch ganz auf der Welt; sie essen und trinken, sie leben in ihrem wohlbekannten Orte, in ihrem Hause, da ihnen sozusagen kein theures Haupt fehlt.

08] Also war und ist es auch mit unsrem Manne der haargleiche Fall wie im lebhaften Traume. Ihr seht ihn nun schon in der Geisterwelt, er steigt ganz guter Dinge in sein Bett, in seinem wohlbekannten Schlafzimmer, das hier ganz auf ein Haar mit allem dem eingerichtet ist, wie das auf der Erde. Sehet, wie ganz gemächlich er sich im Bette ausstreckt, und den Schlaf sucht und erwartet; aber dieser einzige Umstand macht unsern Mann etwas stutzig, daß er diesmal zu keinem Schlafe kommt; denn der Schlaf ist den Geistern fremd; sie haben wohl auch einen entsprechenden Zustand, der alldort Ruhe heißt; aber im Wesentlichsten nicht die leiseste Ähnlichkeit mit dem irdischen Schlafe hat.

09] Behorchen wir nun aber unsern Mann selbst, und sehen, wie er sich nun in seinem neuen Zustande benimmt, und wie er ihm vorkommt. Hört, was er nun im Bette spricht: „Du Lini! (sein Weib) schläfst du?" Die Lini richtet sich auf und fragt: „Was willst du, lieber Leopold, fehlt dir etwas?" (NB. Weib und Kinder und sonstige Domestiken werden durch eigens dazu beordnete Geister wie verdeckt vorgestellt.) Spricht der Mann: „Nein, mir fehlt gerade nichts; ich bin, Gott sei Dank ganz kerngesund; nur kein Schlaf, aber auch nicht die leiseste Anmahnung zum Schlafe will sich meiner bemächtigen; geh und gib mir meine Schlafpillen, ich werde ein paar verschlucken; vielleicht wird sichs nachher thun."

10] Die Lini steht sogleich auf und erfüllt den Willen ihres Mannes. Die Pillen sind nun verschluckt; aber der Schlaf bleibt noch immer aus!

11] Der Mann spricht nach einer Weile: „Lini! geh, gib mir noch ein Paar; denn siehe, mir kommt noch kein Schlaf; ich werde nur stets munterer, statt schläfriger."

12] Lini spricht: „Geh, laß die Pillen, könntest dir damit noch den Magen verderben; pflege dafür mit mir lieber einen Beischlaf, und du wirst dadurch vielleicht eher zu einem Schlafe kommen, wenn du denn schon durchaus schlafen willst."

13] Spricht der Mann etwas betroffen: „Ja, liebe Lini, mit solchem Akte wird's nun mit mir etwas hart hergehen; denn du weißt es ja schon, aus langer Erfahrung, daß ich nach einem großen Schmause dazu nie disponirt bin; denn da versagt mir die Natur dazu allezeit den gewissen erforderlichen Dienst; daher gib mir doch lieber noch ein paar Pillen!"

14] Spricht das Weib: „Sonderbar, mein lieber Herr Gemahl! man spricht aber doch, daß sich der reiche, gottesfürchtige Leopold gewöhnlich nach solchen Festtafeln zu einer gewissen Cilli begebe, und dort seinen Mann derart stellen soll, daß davon ein Jüngling ein Exempel nehmen könnte; aber so nachher daheim die treue, freilich wohl schon etwas mehr bejahrte Lini merken läßt, daß sie des Leopolds Weib ist, und manchmal aus gewissen Gründen auch zu keinem Schlafe kommen kann, da hat der Leopold dann allezeit tausend theosophische, philosophische und Gott weiß was als noch für Gründe, des Weibes billiges und ohnehin sehr seltenes Verlangen zu beschwichtigen! Schau Leopold, du treuer Freund der Wahrheit! wie kommt es dir denn (verstehe es so geheim bei dir) vor, so du mich, dein allezeit getreuestes Weib, so schnöde und wahrhaft scheinheilig anlügst? Wie oft hast du mir die Schändlichkeit des Ehebruchs mit den grellsten Farben ausgemalt! was sagst du aber nun zu dir selbst, so ich es dir sonnenklar bezeugen kann, daß du selbst ein Ehebrecher bist?"

15] Spricht der Mann ganz verdutzt: „Lini, liebes Weib, woher weißt du denn solche Thaten von mir? Wahrlich, sowas könnte ich nur in einem dicksten Rausche gethan haben, und habe ich's gethan, so rechne ich darauf, daß du mit einer menschlichen Schwäche an mir auch eine christliche Geduld haben wirst, und wirst davon weiter keinen unser ganzes Haus entehrenden Gebrauch machen! Sei gescheidt, liebes Weib, sei gescheidt, und rede nicht mehr davon; denn siehe, deßwegen habe ich dich dennoch überaus lieb! Sei nur wieder gut; sei gut, mein liebes Weiberl, ich werde sowas in meinem ganzen Leben nimmer thun!"

16] Spricht die Lini: „Ich glaub's auch, wenn man schon sein ganzes Leben hindurch so gelebt hat, und sein theures Weib wenigstens alle 14 Tage einmal betrogen, und ein paarmal sich sogar eine abscheuliche Krankheit abgeholt hatte, da wird es vielleicht freilich wohl an der Zeit sein, von derlei Verrichtungen abzustehen, von denen es in der Schrift geschrieben steht: ‚Hurer und Ehebrecher werden in das Himmelreich nicht eingehen!' Sage mir du, mein in aller Gottesgelehrtheit wohlunterrichteter Mann! was wohl würdest du nun thun, so dich der HErr plötzlich abriefe? Wie sähe es da mit deiner Seligkeit aus? Oder hast du es vom HErrn etwa schriftlich, daß Er dich so lange wird leben lassen, bis du dich bessern wirst, aus deines Lebens Fundamente? Ich möchte aber noch wegen der gewissen Schwester Cilli nichts sagen; aber die unverkennbare sinnliche Neigung, die du zu unserer eigenen ältesten Tochter auf eine Weise kundgethan hast, bevor sie heirathete, die dir einen unvergänglichen Schandfleck vor Gott und allen Menschen, so sie es wüßten, auf deine gottesgelehrte Stirne gedrückt hat, sage, was soll ich denn dazu sagen? oder was wird Gott dazu sagen?"

17] Spricht der Mann noch viel mehr verdutzt: „O Weib, du fängst an, mich im Ernste zu quälen, zwar freilich leider mit allem Rechte; denn es wäre mehr als läppisch von mir, so ich es dir leugnen möchte; aber wehe thut es mir dennoch, und ich begreife überhaupt gar nicht, wie du meines Wissens davon durch unsere ganze Ehezeit nichts davon erwähntest, und nun alle Schleußen auf einmal öffnest, und mich förmlich vernichten willst!

18] Bedenke, daß alle wir Menschen schwach sind in unserem Fleische, wenn wir auch den willigsten Geist haben, und du wirst mir alle meine Schwächen leicht verzeihen! Bedenke, daß der HErr die Ehebrecherin nicht gerichtet hat, so wird wohl auch ein reuiger Ehebrecher bei Ihm Erbarmung finden, und also richte auch du, liebes Weib, mich nicht; denn ich erkenne und bereue ja meine große Schuld an dir, samt dem leidigen Vergehen an unserer verheiratheten Tochter! Der HErr vergebe es mir, wie du es mir vergibst!"

19] das Scheinweib spricht: „Gut denn, so sei dir alles Geschehene vollends vergeben; siehe aber zu, daß du in der Zukunft von deiner vorgeschützten Schwäche keinen Gebrauch mehr machst, sonst wirst du wenig Segen von dieser meiner vollsten Nachsicht haben; Ich werde dich daher noch eine Zeit ertragen und zusehen; aber schlafen wirst du nimmer; denn sieh und höre: - Du bist nicht mehr auf der Erde, sondern hier in der Geisterwelt, und Ich, die du nun als dein oft berücktes Weib ansahest, bin nicht dein Weib, sondern, siehe her! Ich bin dein HErr, und dein Gott! Belasse dich aber, so du es willst, wie du nun bist; willst du aber weiter, so folge mir hinaus aus diesem alten Schandgemache!"

20] Der Mann erkennt Mich, und fällt wortlos auf sein Angesicht!

21] Ich aber sage zu ihm: „Richte dich empor; denn deine Liebe ist größer, denn deine Sünde, daher sei dir alles vergeben; aber bei mir kannst du noch nicht Wohnung nehmen, so lange dir noch Irdisches anhängt! Siehe aber, dort stehen Engel in Bereitschaft, die werden dich führen die rechten Wege, und wenn dein irdisches Hauswesen wird von diesen deinen Führern mit Noth und Armuth geschlagen sein, dann wirst du bei mir ein neues Wohnhaus finden, für ewig, Amen!"

22] Sehet, das ist wieder ein anderes Wasser; Manche verharren länger in dem Naturzustande, wie da war dieser unseres Exempelmannes; dieser aber war darum sehr kurz, weil er da auf der Welt viel Liebegutes that, und weil er für sein Vergehen sogleich ernstliche Reue bezeugte.

Nächstens wieder ein anderes!

01] Da sind wir schon wieder am Sterbebett eines Mannes, der sehr reich war, seinen Reichtum rechtmäßig verwaltete, seine Kinder möglichst wohlerzog und dabei die Armen stets bestens bedachte, - freilich mitunter auch manchmal für ein sogenanntes vergnügtes Stündchen jene armen, aber jungen Schwesterchen, die um einen Herzogspfennig (Dukaten) für allerlei lustige Dinge zu haben sind. Daneben aber hielt er im Ernste große Stücke auf die Heilige Schrift, las oft und fleißig darin und glaubte fest, daß Jesus der eigentliche Jehova ist, denn er lernte solches aus Swedenborgs Werken, von denen er in seinen Musestunden bis auf einige kleine Werkchen alle gelesen hatte.

02] Solche seine Belesenheit aber machte ihn auch sehr aufbrausend, so er jemanden über Jesus gleichgültig oder gar schmählich reden hörte, und befand sich irgend ein solcher 'Antichrist' in seiner Gesellschaft, so mußte dieser sich beizeiten aus dem Staube machen, ansonst er wohl die übelsten und sehr handgreiflichen Folgen zu befürchten hatte. Kurz und gut, unser Mann war ein vollkommener strenger Held fürs reine Christentum.

03] Dieser Mann erkrankte in seinem bedeutend vorgerückten Alter, und zwar infolge einer großen Festtafel, bei der er des Guten schon ohnehin zuviel tat, und nach der Tafel besonders ob des - wegen des durch die vielen starken Weine zu sehr aufgereizten Blutes - gepflogenen zweimaligen Beischlafes mit einer jungen, fleischlich sehr üppigen Schwester.

04] Als unser Mann nach solcher Expedition nach Hause kam, empfand er einen leichten Schwindel, den er für ein 'Ruschel' hielt. Aber er irrte sich. Kaum war er im Begriff ins Bett zu steigen, als ihm schon die Füße den Dienst versagten. Er stürzte für die Welt bewußtlos zusammen und war - wie ihr zu sagen pflegt - auch schon mausetot.

05] Daß die Seinigen - zutiefst erschreckt - augenblicklich alles aufboten, ihren Hausvater zu erwecken, versteht sich von selbst. Aber es war vergebliche Mühe, - denn was einmal von den Engelsgeistern geholt wird, das erwacht für diese Welt nimmer.

06] Es ist daher bei diesem Manne diesseits nicht viel mehr zu beschauen und zu behorchen, darum wollen wir uns aber auch sogleich in die Geisterwelt begeben und sehen, wie sich unser Mann dort ausnimmt, was er beginnt und wohin er sich wendet.

07] Vor allem aber müßt ihr wissen, daß Menschen, die von einem Totalschlag gerührt werden, durchaus nicht wissen und auch nicht im geringsten merken, daß und wie sie gestorben sind. Sie finden keine Veränderung - weder ihres Hauswesens, wie sie es auf der Erde hatten, noch in ihrem Befinden, außer daß sie ganz gesund sind, was sie aber gewöhnlich auf der Welt auch waren. Desgleichen sehen sie auch keine Engel, obschon diese nahe bei ihnen sich befinden, und vernehmen auch nicht das Geringste aus der Geisterwelt, in der sie sich doch vollkommen befinden. Kurz und gut, sie sind in allem und jedem wie noch ganz auf der Welt. Sie essen und trinken, sie leben in ihrem wohlbekannten Ort, in ihrem Hause und vollends in ihrem Familienkreis, da ihnen sozusagen kein teures Haupt fehlt.

08] Also war und ist es auch mit unserem Manne der haargleiche Fall, - seht, nun schon in der Geisterwelt! Er steigt ganz guter Dinge in sein Bett in seinem wohlbekannten Schlafzimmer, das hier ganz auf ein Haar mit all dem ein gerichtet ist wie das auf der Erde. Seht, wie ganz gemächlich er sich im Bette ausstreckt und den Schlaf sucht und erwartet! Aber dieser einzige Umstand macht unseren Mann etwas stutzig, daß er diesmal zu keinem Schlafe kommt, - denn der Schlaf ist den Geistern fremd. Sie haben wohl auch einen entsprechenden Zustand, der dort Ruhe heißt, aber im wesentlichen nicht die leiseste Ähnlichkeit mit dem irdischen Schlafe hat.

09] Behorchen wir nun aber unseren Mann selbst und sehen, wie er sich in seinem neuen Zustande benimmt und wie er ihm vorkommt. Hört, was er nun im Bette spricht: 'Du, Lini, schläfst du?' Die Lini (sein Weib) richtet sich auf und sagt: 'Was willst du, lieber Leopold, fehlt dir etwas?' (N.B. Weib und Kinder und sonstige zum Hause Gehörige reden durch eigens dazu beorderte Geister wie verdeckt dargestellt.) Spricht der Mann: 'Nein, mir fehlt gerade nichts, ich bin, Gott sei's gedankt, ganz kerngesund. Nur kein Schlaf, aber auch nicht die leiseste Anmahnung zum Schlafe will sich meiner bemächtigen. Geh und gib mir meine Schlafpillen, ich werde ein paar verschlucken, vielleicht wird sich's nachher tun.'

10] Die Lini steht sogleich auf und erfüllt den Willen des Mannes. Die Pillen sind nun 'verschluckt', aber der Schlaf bleibt noch immer aus.

11] Der Mann spricht nach einer Weile: "Lini, geh, gib mir noch ein paar, denn sieh, mir kommt noch kein Schlaf, ich werde nur stets munterer statt schläfriger."

12] Lini spricht: "Geh, laß die Pillen, könntest dir damit noch den Magen verderben. Pflege dafür lieber mit mir einen Beischlaf, und du wirst dadurch vielleicht eher zu einem Schlafe kommen, wenn du denn schon durchaus schlafen willst."

13] spricht der Mann etwas betroffen: "Ja liebe Lini, mit dem Akte wird's nun bei mir etwas hart hergehen; denn du weißt es ja schon aus langer Erfahrung, daß ich nach einem großen Schmause dazu nie disponiert bin. Denn da versagt mir die Natur allzeit den gewissen erforderlichen Dienst. Daher gib mir doch lieber noch ein paar Pillen!"

14] Spricht das Weib: "Sonderbar, mein lieber Herr Gemahl! Man spricht aber doch, daß sich der reiche, gottesfürchtige Leopold gewöhnlich nach solchen Festtafeln zu einer gewissen Cilli begebe und dort seinen Mann derart stellen soll, daß sich daran ein Jüngling ein Beispiel nehmen könnte. Aber so nachher daheim die treue, freilich wohl schon etwas mehr bejahrte Lini merken läßt, daß sie des Leopolds Weib ist und manchmal aus gewissen Gründen auch zu keinem Schlafe kommen kann, da hat der Leopold dann allzeit tausend theosophische, philosophische und Gott weiß was alles noch für Gründe, des Weibes billiges und ohnehin sehr seltenes Verlangen zu beschwichtigen! Schau Leopold, du Freund der Wahrheit, wie kommt es dir denn so geheim bei dir vor, so du mich, dein allzeit getreuestes Weib, so schnöde und wahrhaft scheinheilig anlügst? Wie oft hast du mir die Schändlichkeit des Ehebruches mit den grellsten Farben ausgemalt! Was sagst du aber nun zu dir selbst, so ich es dir sonnenklar bezeigen kann, daß du selbst ein Ehebrecher bist?!"

15] Spricht der Mann ganz verdutzt: "Lini, liebes Weib, woher weißt du denn solche Taten von mir? Wahrlich, so etwas könnte ich nur in einem dicksten Rausche getan haben, - und habe ich's getan, so rechne ich darauf, daß du mit einer menschlichen Schwäche an mir auch eine christliche Geduld haben wirst und wirst davon weiter keinen unser ganzes Haus entehrenden Gebrauch machen! Sei gescheit, liebes Weib, sei gescheit und rede nicht mehr davon; denn sieh, deswegen habe ich dich dennoch überaus lieb! - Sei nur wieder gut, sei gut, mein liebes Weiberl, ich werde so was in meinem ganzen Leben nimmer tun!"

16] Spricht die Lini: "Ich glaub's auch. Wenn man schon sein ganzes hindurch so gelebt hat und sein treues Weib wenigstens alle vierzehn Tage einmal betrogen und ein paarmal sich sogar eine abscheuliche Krankheit geholt hat, da wird es freilich wohl an der Zeit sein, von derlei Verrichtungen abzustehen, von denen in der Schrift geschrieben steht: ,Hurer und Ehebrecher werden in das Himmelreich nicht eingehen!` Sage mir du, mein in aller Gottesgelehrtheit wohlunterrichteter Mann! - was wohl würdest du nun tun, so dich der Herr plötzlich abriefe? Wie sähe es da mit deiner Seligkeit aus? Oder hast du es vom Herrn etwa schriftlich, daß Er dich so lange wird leben lassen, bis du dich bessern wirst aus deines Lebens Fundament? - Ich möchte aber noch wegen der gewissen Schwester Cilli nichts sagen; aber die unverkennbare sinnliche Neigung, die du zu unserer eigenen ältesten Tochter, bevor sie heiratete, auf eine Weise kundgetan hast, die dir einen unvergänglichen Schandfleck vor Gott und allen Menschen, so sie es wüßten, auf deine gottesgelehrte Stirne gedrückt hat, - sage, was soll ich denn dazu sagen?! Oder was wird Gott dazu sagen?!"

17] Spricht der Mann noch viel mehr verdutzt: "O Weib, du fängst an, mich im Ernste zu quälen. Freilich, leider mit allem Recht, denn es wäre mehr als läppisch von mir, so ich es dir negieren möchte. Aber weh tut es mir dennoch, und ich begreife überhaupt gar nicht, wie du, meines Wissens, durch unsere ganze Ehezeit nichts davon erwähntest und nun alle Schleusen auf einmal öffnest und mich förmlich vernichten willst!?

18] Bedenke, daß wir Menschen alle schwach sind in unserem Fleische, wenn wir auch den willigsten Geist haben, und du wirst mir alle meine Schwächen leicht verzeihen! Bedenke, daß der Herr die Ehebrecherin nicht gerichtet hat, so wird wohl auch ein reuiger Ehebrecher bei Ihm Erbarmung finden! Und also richte auch du, liebes Weib, mich nicht; denn ich bekenne und bereue ja meine große Schuld an dir samt dem leidigen Vergehen an unserer verheirateten Tochter! Der Herr Jesus vergebe es mir, wie du es mir vergibst!"

19] Das Scheinweib spricht: "Gut denn, so sei dir alles Geschehene vollends vergeben. Sieh aber zu, daß du in Zukunft von deiner vorgeschützten Schwäche keinen Gebrauch mehr machst, sonst wirst du wenig Segen von dieser meiner vollsten Nachsicht haben! Ich werde dich daher noch eine Zeit ertragen - und sehen! - Aber schlafen wirst du nimmer, denn sieh und höre! Du bist nicht mehr auf der Erde, sondern hier in der Geisterwelt! Und Ich, die du nun als dein oft berücktes Weib ansahst, bin nicht dein Weib, sondern - siehe her! - Ich bin dein Herr und dein Gott! Belasse dich aber, so du willst, wie du nun bist; willst du aber weiter, so folge Mir hinaus aus diesem deinem alten Schandgemach!"

20] Der Mann erkennt Mich und fällt wortlos vor Mir auf sein Angesicht.

21] Ich aber sage zu ihm: "Richte dich empor; denn deine Liebe ist größer denn deine Sünde, daher sei dir alles vergeben! Aber bei Mir kannst du noch nicht Wohnung nehmen, solange dir noch Irdisches anhängt. Siehe aber, dort stehen Engel in Bereitschaft, die werden dich führen die rechten Wege. Und wenn dein irdisch Haus wird von diesen deinen Führern mit der Not und Armut geschlagen sein, dann wirst du bei Mir ein neues Wohnhaus finden für ewig. Amen!"

22] Seht, das ist wieder ein anderes 'Wasser'. Manche verharren länger in dem Naturzustand, wie da der war dieses unseres Exempel-Mannes; dieser aber war nur darum sehr kurz, weil er auf der Welt viel Liebe-Gutes tat, und weil er für sein Vergehen sogleich ernstliche Reue bezeigte.

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