Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


194. Kapitel: Des Jesusknäbleins Zwiegespräch mit dem stutzigen, eigensinnigen Mädchen. (26.04.1844 )

01] Nach einer Weile kam auch das Mädchen wieder, und das Kindlein fragte es sogleich, ob es wieder mitspielen wolle.

02] Das Mädchen aber sagte: »Zusehen will ich wohl, aber mitspielen will ich nicht; denn mich ärgert geschwind etwas, und dann bist du so gleich schlimm!

03] Und so mag ich nicht mitspielen; denn ich habe zu große Furcht vor dir, weil du sogleich mit den Mäusen und Ratten da bist.«

04] Das Kindlein aber sprach: »Ja warum bist du denn aber auch so dumm und ärgerst dich über Dinge, bei denen du nichts verlierst, ob sie so oder so ausfallen?

05] Sei zufrieden mit dem, was dir durchs Los zukommt, und es werden hinfort keine Mäuse und Ratten über dich kommen!

06] Siehe Mich an! Ich schiebe allezeit zuletzt, und Ich murre nicht, da Mir doch der Vorrang gebührt.

07] Warum murrst denn du, da du doch als Mädchen die Geduld selbst sein solltest?«

08] Und das Mädchen sprach: »Was kann denn ich dafür? Warum habe ich denn ein solches Gemüt? Ich selbst habe mir es nicht gegeben, und so bin ich, und kann nicht anders sein!

09] Da ich aber weiß, daß ich also bin, darum spiele ich nun lieber nicht mit, als daß ich mich wieder ärgern soll, um von dir dann wieder mit den Mäusen bestraft zu werden!«

10] Das Kindlein aber wandte Sich hinweg und sprach wie zu Sich: »Siehe, die Kinder der Welt begehren auf mit Dir und tadeln an sich Dein Werk, weil sie Dich nicht kennen!

11] Doch ein Wurf und noch ein Wurf, und die Kinder der Welt sollen anders von Dir denken!«

12] Darauf wandte Sich das Kindlein wieder um und sprach zum Mädchen: »Wem aber gibst du dann die Schuld, daß du also ärgerlich bist und bist jetzt nicht zufrieden mit deinem Lose?«

13] Das Mädchen aber sprach: »Wahrhaftig, wenn du, mein lieber Jesus, einen einmal zu fragen anfängst, dann nimmt es kein Ende,

14] und du wirst dadurch dann ein ganz entsetzlich lästiges Kind!

15] Was weiß ich, wer daran schuld ist, daß ich also bin?! Du bist ja selbst so ein kleiner Prophet und bist ein Wunderkind, das mit Gott reden kann!

16] Frage Diesen, wenn solches möglich ist, der wird es dir am besten zu sagen wissen, warum ich also bin!«

17] Hier trat das Kindlein näher zum Mädchen und sprach: »Du Mädchen, so du Mich kenntest, da würdest du anders reden!

18] Da du Mich aber nicht kennst, da redest du, wie dir die Zunge gewachsen ist!

19] Da sieh einmal hinauf zur Sonne! Was meinst du, was diese ist, und von wem sie ihren Glanz hat?«

20] Das Mädchen aber sprach schon ganz ungeduldig: »Aber daß du gerade auf mich es abgesehen hast, mich förmlich zu matern mit deinen Fragen!

21] Da siehe, dort sind noch sieben; diese haben Ruhe vor dir! Gehe auch einmal zu ihnen, und belästige sie mit deinem ewigen Gefrage!«

22] Und das Kindlein sprach: »O Mädchen, siehe, diese sind gesund und bedürfen keiner Arznei; du aber bist krank in deiner Seele, darum möchte Ich dir wohl helfen, wenn du nicht so stüzig (störrisch) wärest!

23] Da du aber so sehr stützig bist, so wird dir schwer zu helfen sein.

24] Das aber merke du dir: So ein Engel der Himmel Gottes die Gnade hätte, von Mir dir gleich gefragt zu werden, so würde er vor großer Seligkeit also entbrennen, daß er durch sein Liebefeuer die ganze Erde im Augenblicke zerstören würde!

25] Gehe aber nun von Mir, Ich mag dich nicht mehr, darum du so stutzig und eigensinnig bist!« - Hier ging das Mädchen davon und weinte heimlich; Jesus aber dirigierte als König fort seine Spielgenossen.



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