Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


276. Kapitel: Des Dumas fragendes Staunen ob des Kindes. Die sokratisch philosophischweise Antwort Josephs. Des Dumas Philosophenlob. Des Kindleins Rede an Dumas über Propheten und Philosophen. (10.08.1844)

01] Joseph aber, da er sah, wie sich Dumas gar sehr bemühte, das zu erfahren, woher das Kindlein solche wunderbare Eigenschaft habe, sagte zu ihm:

02] »Bruder, ich weiß ja noch gar wohl, daß du die Weisheit der Griechen studiertest und hast da des weisen Sokrates Sätze mir gar oft vorgesagt.

03] Und da hieß es: Der Mensch brauche nichts zu lernen, sondern nur sein Geist werde erweckt, auf dem Wege der Erinnerung.

04] und der Mensch habe dann alles, was er brauche für die ganze Ewigkeit.

05] Siehe, das hast du mir, als ein weiser Lehrer der Jugend, gar oft gesagt.

06] Nun siehe, wenn solcher dein Grundsatz sicher richtig ist, was braucht es dann mehr?!

07] Hier siehst du demnach nichts als eine lebendige Bestätigung deines sokratenischen Satzes.

08] In diesem meinem Kinde ist Der Geist sehr früh durch einen eigenen Vorgang in Dessen Natur geweckt worden, und so hat dieser Kindmensch auch nun schon für die Ewigkeit zur Genüge,

09] und wir brauchen Ihm daher nichts mehr zu geben, als was Er hat aus Sich.

10] Findest du das nicht also richtig, als wie richtig da eins und eins zwei sind?«

11] Hier griff sich Dumas auf die Stirne und sprach mit einem gewissen pathos:

12] »Ja, also ist es; denn also war ich es, der da von solcher Weisheit den jüdischen Dummköpfen etwas zum Riechen gebracht hat!

13] Dich aber meine ich nicht etwa auch darunter; denn du bist ja eben fast der einzige, mit dem ich wohlverstandenermaßen habe über den göttlichen Sokrates, Aristoteles, Plato und dergleichen mehrere reden können.

14] Wir haben zwar wohl auch sehr große Männer, als da sind die Propheten und die ersten großen Könige dieses Volkes;

15] aber fürs Praktische sind sie nicht so gut zu gebrauchen wie die alten Weisen der Griechen.

16] Denn unser Propheten führen stets eine Sprache, die sie selbst vielleicht so wenig als wir nun verstanden haben.

17] Aber ganz was anderes dagegen sind die alten Griechen.

18] diese reden doch klar und deutlich, was sie wollen, und sind daher auch für praktische Menschen vom größtem Nutzen.

19] Das rührt aber auch sicher daher, weil sie gleich mir Lehrer des Volkes waren.«

20] Joseph lächelte hier bei dieser Gelegenheit; denn er ersah noch ganz unverändert seinen alten Verehrer der Griechen, aber dabei auch den alten Eigenlobler.

21] Er gab ihm daher recht, um sein Kind nicht zu verdächtigen.

22] Aber das Kindlein Selbst lief zu Dumas hin und sagte zu ihm:

23] Aber Freund! Du bist noch sehr dunstig und dumm, so du die jüdischen Weisen den Philosophen der Griechen nachsetzest;

24] denn die ersten redeten aus Gott, - diese aber reden aus der Welt.

25] Und da du noch voll des Weltgeistes bist und leer am Geiste Gottes, so verstehst du auch das Weltliche besser als das Göttliche!«

26] Das gab dem Dumas einen gewaltigen Rippenstoß. Er mußte einen gelehrten Gähner machen und sagte zu Joseph nichts, als im Latein: »Dixit puer ille! Ergo autem intelligo eius ironiam quam acerbam. Dixi!« (Er hat gesprochen, jener Knabe! - Ich aber merke, wie scharf dessen Spott ist! Ich habe gesprochen) - Darauf entfernte er sich und ließ den Joseph sitzen; dieser aber zog auch weiter.



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