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Kapitelinhalt 17. Kapitel: Jesus wendet ein: "Seid untertan der Obrigkeit!" Robert bezweifelt dieses Gebot und vermutet darin menschliche Rücksichten. Er wünscht Ausschluß über die gottmenschliche Natur Jesu.

Originaltext 1. Auflage 1898 durch Project True-blue Jakob Lorber

Text nach 2. Auflage 1929 Lorber-Verlag

Versnummerierung nach 3. Aufl. 1963, Lorber-Verlag

01] Rede Ich (Jesus): „Höre du Mein lieber Freund und Bruder, Ich kann deine Denk- und Handlungsweise durchaus nicht tadeln; und wo zwischen Herrscher und ihren beherrschten Völkern Verhältnisse obwalten, wie du sie soeben Mir vorgezählet hast, da freilich hast du ganz vollkommen Recht - so zu reden und zu handeln, wie du geredet und gehandelt hast nach deiner Anschauung und nach deiner Ueberzeugung; aber so sich die Sachen aber dennoch ganz anders verhielten, als wie du sie nach deinen Ansichten und Begriffen wahrgenommen und aufgefasset hast; wie würdest du dann urtheilen über die mannichfachen Verhältnisse der Herrscher zu ihren ihnen untergeordneten Völkern?!

02] Wohl sagtest du Mir ganz treu und offen, daß du alle Verhältnisse der Menschen zu den Menschen nur nach Meinem Gesetze der Liebe beurtheilest, und dich überirdische Einfließungen nichts angehen; aber siehe, in diesem Punkte kann Ich dir aus gar vielen Gründen nicht beipflichten.

03] Ein Grund wäre z. B. schon das, nehmlich auch ein Gebot von Mir Selbst, laut dem Ich Selbst Mich pro primo jeder weltlichen Gewalt als unterwürfig bezeigte, da Ich doch Macht genug gehabt hätte, einer jeden den waidlichsten Trotz bieten zu können; und wo Ich Selbst im Tempel bei der Vorweisung des Zinsgroschens eigens gebot, dem Kaiser zu geben, was sein ist, und Gott, was Dessen ist! Also sagte Ich auch durch Paulum, jeder Obrigkeit zu gehorchen, ob sie mild oder strenge ist; denn keine habe eine Gewalt, außer die von Oben! Was wohl sagst du zu diesen ebenfalls Meinen Geboten?"

04] Spr. Robert: „Edelster Menschenfreund! weißt Du, aus rein menschlich klugen Rücksichten diese Sache näher betrachtet, scheint die damalige Nothwendigkeit Dir - zur größeren Sicherung Deiner Lehre - wie auch mitunter Deiner Person selbst, und ebenso der Person Pauli diese Gebote abgedrungen zu haben; denn hättest Du, wie im alten Judentestamente ein Jehova durch den Mund Samuels wider die Könige geeifert, so hätte Deine an sich selbst noch so erhabene und makelloseste Moral unter der allerstolzesten Weltherrschaft Roms wohl schwerlich die nahe 2000 Jahre erlebt, außer auf einem rein übernatürlichen Wege, von dem wohl die finstern Römlinge eine große Menge zu erzählen wissen; wie viel aber daran Wahres sein mag, darüber wirst du hoffentlich besser zu urtheilen verstehen als ich, der ich nicht Dir gleich von all den Gräueln dieses neuen Babels Zeuge habe sein können!

05] Denn siehe, alleredelster Freund! Ich beurtheile die Sache also, und sage: Wenn es Dir mit dem Gebote, allen weltlichen Obrigkeiten zu gehorchen, ob sie gut oder böse seien, vollends Ernst gewesen wäre, da hättest Du ja schon im Voraus wegen der sichern Präpotenz dieses Gebotes auf Deine ganze andere im höchsten Grade liberale Lehre und deren Ausbreitung ja doch so nothwendig als 2 mal 2 = 4 ist, rein Verzicht leisten müssen, und zugeben, daß man auch für alle Zeiten ein finsterer Heide sein und bleiben müßte, sobald es Einem Menschen oder Volke eine wenn gerade nicht böse heidnische Obrigkeit geboten hätte - bei der Lehre der Väter zu verbleiben, die alten Götter zu verehren, und ja um alles in der Welt nicht Deiner damals aufkeimenden Lehre Gehör zu geben?!

06] Freilich wohl sagtest Du nur: Gebet dem Kaiser, was sein ist, und Gott, was Gottes ist; aber Du bestimmtest damals zu wenig die Grenzen, was eigentlich im Gesamtkomplexe des Kaisers, und was daneben Gottes ist, daher es dann dem Kaiser ein gewisserart gewissenlos Leichtes war, und noch ist, sich Prärogative (Vorrechte) anzueignen, die rein nur einem Gott gebühren sollen, und wieder jene ganz unbeachtet zu lassen, in denen er sich so ganz eigentlich bewegen sollte.

07] Dessen ungeachtet aber läßt Dein damaliger durch die Zeitumstände gebotener Tempelausdruck sich noch viel eher begrenzen, als jenes gar nach einer zu großen Weltfürstenfurcht riechende Paulische Gebot, laut dem man streng genommen sogar ein Christ zu sein aufhören muß, sobald einem solchen Weltfürsten aus gewissen seinen Thron gefährdenden Rücksichten für nöthig dünken möchte, Deine Lehre, wie sie in ihrer Reinheit ist, als seinen herrscherischen Absichten gefährlich und nicht zusagend zu betrachten, wie solches die allerderbst veratheisirte Roms Lehre auch mehr als himmelschreiend durch viele 100 Jahre gezeigt hat, und noch gegenwärtig zeigt!

08] Es müßten nur ganz andere, jeder meiner Vernunft bisher noch unauszumittelnde höhere Rücksichten, besonders den guten und sonst überaus weisen Paulus, dazu veranlaßt haben, ein solches Mandat ergehen zu lassen, was allerdings auch möglich ist; aber die Sache mit ganz natürlichen gesunden Sinnen betrachtet, erscheint es streng genommen offenbar als ein Unsinn; denn auf der einen Seite heißt es: ihr alle (Menschen nehmlich) seid Brüder, und Einer (Gott nehmlich) ist euer Herr! Auf der andern aber ein Gebot, weltlichen Obrigkeiten, bei denen da facto das Brüderthum eine reine Chimäre (Wahn) ist, streng - sage in Allem zu gehorchen!

09] Freund! das muß sich ja gegenseitig nothwendig aufheben! Entweder kann nur das eine bestehen, und das andere nicht?! - Ist man aber beides zu befolgen genöthigt, so ist das im Grunde nichts anderes, als entweder Zweien Herren dienen; ein Dienst, den Du selbst als unmöglich bezeichnet hast! Oder man müßte sich darauf eigens einstudieren, eine Doppelnatur bei sich zu bewerkstelligen, welcher eben nicht gar zu löblichen im wahrsten Sinne heuchlerischen Eigenschaft zufolge man dann blos äußerlich thäte, was die Fürsten wollen, innerlich aber müßte man es dennoch verfluchen, und im Geheimen thun, was Dein liberaler Theil Deiner Hauptlehre verlangt; was natürlich nicht nur sehr schwer, manchmal sogar unmöglich, oder doch wenigstens äußerst gefährlich wäre!?

10] Glaube es mir, edelster Freund, ich habe, wie vielleicht Wenige, jeden Punkt Deiner Lehre genau erwogen, und glaube so ziemlich im Klaren zu sein darüber, was Du frei gelehret hast, und was Dein eigentlicher Hauptsinn war, und was dagegen Du, wie auch Deine Jünger durch die damals drohenden Zeitumstände gedrungen, einzuflechten genöthigt wardst! Aber alles dessen ungeachtet bin ich doch Dein glühendster Verehrer, und weiß, was ich von Dir und Deiner reinsten Lehre zu halten habe! Freilich sagtest Du ehedem auch, daß Du, trotzdem Dir eine alle Weltregenten bezwingende Macht eigen war, dennoch auch den weltlichen Obrigkeiten gehorsam warst; das will ich Dir schon dadurch und darum nicht streitig machen, da Du selbst Dich durch das Gesetz der Welt mußtest ans Kreuz hängen lassen!

11] Ob Du, mein allerwerthester Freund, Dich aber auch durch eine in Dir verborgene übersinnliche Macht den Weltgesetzen hättest widersetzen können, als Dich diese einmal ernstlich gefangen nahmen, das zu beurtheilen ist wohl zu hoch über meinen bisher noch sehr natürlichen Erkenntnißhorizont! Es ist möglich, und so Deine Thaten Deiner Lehre nicht als heidnische Halbgötterfabeln untergeschoben sind (?) sogar sicher und gewiß, daß Dir, als einem größten Weisen, der Du mit den innersten Kräften der Natur sicher sehr vertraut warst, auch außerordentliche Kräfte zu Gebote standen; aber wie gesagt, Deine letzte Gefangennehmung und endliche Hinrichtung hat bei sehr vielen Helldenkern dies, Dein wunderbares Kraftvermögen, in ein sehr schiefes Licht gestellt, und es haben sich Viele daran gestoßen und gewaltig geärgert. Aber wie gesagt, ich und noch eine Menge Andere haben am Ende blos nur Deine reinste Lehre excerpirt (ausgezogen), und haben alles daraus verbannt, was uns blos nur als eine in der spätern Zeit eingeschobene heidnische Fabel zu sein schien.

12] Ob wir recht oder nicht recht gehandelt haben, das hoffe ich nun von Dir, Du mein edelster Freund, als dem Urheber solcher Lehre in der Fülle der Wahrheit zu erfahren! Wie auch, ob an Deiner, besonders dermal noch in der römischen Kirche gelehrten, und ganz besonders durch einen gewissen Schwedenburg im 18] Jahrhunderte sogar mathematisch erwiesen sein sollenden, Gottheit etwas und wie daran sei?! - Was freilich a priori schwerlich ein rein gebildeter Denker annehmen wird, weil diese Sache allem natürlichen Anscheine nach denn doch etwas zu burlesk aussieht!

13] Denke Dir nur selbst ein endloses unbegrenztes Gottwesen, dessen Intelligenz, Weisheit und Macht nothwendig die allerausgedehntest allgemeinste sein muß, und es daher auch sogar logisch unmöglich ist, daß dies Endlose und Allumfassendste sich je verendlichen und auf die Person eines Menschen einschränken und einzwängen könnte, ob man es nur bei einigem weiseren Nachdenken überzeugend annehmen kann, daß Du und die endlose allumfassende Gottheit logisch richtig identisch sein könnet? - Ja als ‚Sohn Gottes'! da habe ich wenig oder nichts dawider; denn das kann ein jeder bessere Mensch von sich mit gleichem Rechte behaupten; aber Gott und Mensch zugleich!? das geht denn doch offenbar etwas zu weit hinaus!

14] Uebrigens habe ich auch da nichts entgegen, wenn mir die Sache evident bewiesen werden kann; denn wie ich schon früher einmal bei mir selbst erwähnt habe, daß es zwischen der Sonne und dem Monde noch Dinge geben könne, von denen sich keine menschliche Weisheit noch je etwas hatte träumen lassen! Warum solle zu solchen außerordentlichen Dingen nicht auch das gehören, daß Du im Ernste das allerhöchste Gottwesen gar leicht sein kannst!? Ich wenigstens würde ewig nichts dagegen haben! Vielleicht ist nach Hegel bei und in Dir die früher gewisserart schlafende Gottheit zum ersten Male erwacht, und ins klare Bewußtsein ihrer selbst übergegangen?!

15] Oder vielleicht hat sie in sich selbst die alte Nothwendigkeit gefühlt, Sich Selbst als ein Mensch seinen geschaffenen Menschen gegenüber zu manifestiren, um von den Menschen begriffen und erschaut werden zu können, ohne dadurch von ihrer allumfassenden, allerhöchsten Willenskraft etwas zu vergeben!? Wie gesagt, das ist alles möglich! besonders hier, wo überhaupt das Sein einen so höchst rätselhaften Charakter annimmt.

16] Aber wie sich dann, und warum, die in Dir als Gottmensch manifestirende Gottheit hatte von einem Häuflein böser und wahnwitziger Juden zum Tode, und das zum schmählichsten am Schandpfahle können verurtheilen lassen, und das auf einem der unansehnlichsten Planeten noch dazu?! Freund! So was kommt zwischen Sonne und Mond wohl schwerlich vor! Solch ein Wunderding müßte man schon zwischen Nebelsternen zu suchen anfangen!

17] Ich glaube aber auch, daß Du im Ernste so was von Dir wohl auch sogar nicht einmal in einem Traume behauptet hast?! Denn ich weiß es nur zu gut, was Du darauf erwidertest, als man Dich fragte, ob Du im Ernste Gottes Sohn seist? Siehe, da war Deine Antwort, wie sie von einem Weisen Deines Gleichen zu erwarten war, nehmlich: Nicht ich, sondern ihr selbst saget es! Wer aber im entscheidenden Momente so spricht, der weiß auch, was er spricht, und warum?! Ich aber glaube diese Deine Antwort gehörig gewürdiget, und soweit es menschlichen Kräften gestattet ist, auch verstanden zu haben, und daraus entnommen, daß Du in allem ein wahrster Agatodaimon (guter Geist) als reinster Mensch, aber durchaus kein heidnischer Halbgott seist.

18] Daß aber zu Deiner Zeit, wo man noch an ein Orakel zu Delphi glaubte, und mit der Apotheosis (Vergötterung) bei nur etwas ungewöhnlich praktisch weisen Männern nur zu leicht fertig war, wo der Thumim und Urim weissagten, und des Arons nahe über 1000 Jahre alter Stab in der Lade grünte, u. dergl. mehr, man auch einem ersten Weisen, wie Du Einer warst, und seit nahe 2000 Jahren noch von keinem andern übertroffen wurdest, eine Vergöttlichung beilegte, das finde ich überaus begreiflich! - Denn schon die sonst weisen Römer, die heimlich auf ihre Götter eben nicht gar zu große Stücke hielten, behaupteten und sagten: non existit vir magnus sine aflatu divino! So sie aber jeden großen Mann, als von Gottes-Geiste angehaucht betrachteten, um wie viel mehr Deine beinahe noch wundersüchtigeren Landsleute Dich, der Du vor ihren blitzdummen Augen mitunter doch Dinge wirktest, von deren sicher höchst natürlichem Grunde sie noch seit Abraham nicht die allerleiseste Ahnung hatten! Was würden sie zu einer Lokomotive gesagt haben - exempli gratia?

19] Freund! ich meine, Deine Fragen nun hinreichend erschöpft beantwortet zu haben!? Nun käme wieder die Reihe an Dich; ich werde mit der gespanntesten Aufmerksamkeit jedes Deiner Worte anhören und tiefst würdigen!"

01] Rede Ich: "Höre, du Mein lieber Freund und Bruder, Ich kann deine Denk- und Handlungsweise durchaus nicht tadeln. Und wo zwischen Herrschern und ihren beherrschten Völkern Verhältnisse obwalten, wie du sie Mir soeben vorgezählet hast, da freilich hast du ganz vollkommen recht, so zu reden und zu handeln, wie du nach deiner Anschauung und Überzeugung geredet und gehandelt hast. Aber so sich die Sachen dennoch ganz anders verhielten, als wie du sie nach deinen Ansichten und Begriffen wahrgenommen und aufgefaßt hast, wie würdest du dann urteilen über die mannigfachen Verhältnisse der Herrscher zu ihren untergeordneten Völkern?!


02] Wohl sagtest du Mir ganz treu und offen, daß du alle Verhältnisse der Menschen zu den Menschen nur nach Meinem Gesetze der Liebe beurteilest und dich überirdische Einfließungen nichts angehen. Aber siehe, in diesem Punkte kann Ich dir aus gar vielen Gründen nicht beipflichten.

03] Ein Grund wäre z.B. schon das eine Gebot von Mir Selbst, laut dessen Ich Selbst Mich pro primo (zum ersten) jeder weltlichen Gewalt als unterwürfig bezeigte während Ich doch Macht genug gehabt hätte, einer jeden den weidlichsten Trotz bieten zu können. Und (ferner jener Fall) wo Ich Selbst im Tempel bei der Vorweisung des Zinsgroschens eigens gebot, dem Kaiser zu geben, was sein ist, und Gott, was Dessen ist! - Ebenso sagte Ich auch durch Paulus, jeder Obrigkeit zu gehorchen, ob sie mild oder strenge ist; denn keine habe eine Gewalt außer die von oben! - Was sagst du wohl zu diesen ebenfalls Meinen Geboten?"

04] Spricht Robert: "Edelster Menschenfreund, weißt du, aus rein menschlich klugen Rücksichten diese Sache näher betrachtet, scheint die damalige Notwendigkeit dir zur größeren Sicherung deiner Lehre wie auch mitunter deiner Person selbst und ebenso der Person Pauli diese Gebote abgedrungen zu haben. Denn hättest du, wie im alten Judentestamente ein Jehova durch den Mund Samuels, wider die Könige geeifert, so hätte deine an sich selbst noch so erhabene und makelloseste Moral unter der allerstolzesten Weltherrschaft Roms wohl schwerlich die nahezu 2014 Jahre erlebt, außer aus einem rein übernatürlichen Wege, - von dem wohl die finstern Römlinge eine große Menge zu erzählen wissen; wieviel aber daran Wahres sein mag, darüber wirst du hoffentlich besser zu urteilen verstehen als ich, der ich nicht dir gleich von all den Greueln dieses neuen Babels habe Zeuge sein können!

05] Denn siehe, alleredelster Freund, ich beurteile die Sache also und sage: Wenn es dir mit dem Gebote, allen weltlichen Obrigkeiten zu gehorchen, ob sie gut oder böse seien, völlig Ernst gewesen wäre, so hättest du wegen der sichern Präpotenz dieses Gebotes ja schon im voraus aus deine ganze andere im höchsten Grade liberale Lehre und deren Ausbreitung so notwendig als 2 mal 2 = 4 ist rein Verzicht leisten und zugeben müssen, daß man auch für alle Zeiten ein finsterer Heide sein und bleiben müßte,- sobald es einem Menschen oder Volke eine wenn gerade nicht böse heidnische Obrigkeit geboten hätte, bei der Lehre der Väter zu verbleiben, die alten Götter zu verehren und ja um alles in der Welt nicht deiner damals aufkeimenden Lehre Gehör zu geben?!


06] Freilich wohl sagtest du nur: »Gebet dem Kaiser, was sein ist, und Gott, was Gottes ist«. Aber du bestimmtest damals zu wenig die Grenzen, was eigentlich im Gesamtkomplexe des Kaisers und was daneben Gottes ist, daher es dann dem Kaiser ein gewisserart gewissenlos leichtes war und noch ist, sich Vorrechte anzueignen, die rein nur einem Gott gebühren sollen, und wieder jene (Pflichten) ganz unbeachtet zu lassen, in denen er sich so ganz eigentlich bewegen sollte.

07] Dessenungeachtet aber läßt dein damaliger, durch die Zeitumstände gebotener Tempelausdruck sich noch viel eher begrenzen als jenes gar nach einer zu großen Weltfürstenfurcht riechende paulische Gebot, laut dessen man streng genommen sogar ein Christ zu sein aufhören muß, sobald es einem solchen Weltfürsten aus gewissen, seinen Thron gefährdenden Rücksichten für nötig dünken möchte, deine Lehre, wie sie in ihrer Reinheit ist, als seinen herrscherischen Absichten gefährlich und nicht zusagend zu betrachten, wie solches die allerderbst ver-atheisierte (entgottete) Lehre Roms auch mehr als himmelschreiend durch viele 100 Jahre gezeigt hat und noch gegenwärtig zeigt!

08] Es müßten nur ganz andere, jeder Vernunft bisher noch unauszumittelnde, höhere Rücksichten dem guten und sonst überaus weisen Paulus dazu veranlaßt haben, ein solches Mandat ergehen zu lassen, was allerdings auch möglich ist, aber die Sache mit ganz natürlichen, gesunden Sinnen betrachtet, erscheint es streng genommen offenbar als ein Unsinn. Denn aus der einen Seite heißt es: »Ihr alle seid Brüder, und Einer ist euer Herr!« Auf der andern aber (steht) ein Gebot, weltlichen Obrigkeiten, bei denen de facto das Brüdertum eine reine Chimäre ist, streng, ja in allem, zu gehorchen!


09] Freund, das muß sich ja notwendig gegenseitig aufheben! Entweder kann nur das eine oder das andere bestehen! Ist man aber beides zu befolgen genötigt, so ist das im Grunde nichts anderes, als entweder zweien Herren dienen, ein Dienst, den du selbst als unmöglich bezeichnet hast! Oder man müßte sich darauf eigens einstudieren, eine Doppelnatur bei sich zu bewerkstelligen, welcher eben micht gar zu löblichen, im wahrsten Sinne heuchlerischen Eigenschaft zufolge man dann bloß äußerlich täte, was die Fürsten wollen, innerlich aber müßte man es dennoch verfluchen und im Geheimen tun, was der liberale Teil deiner Hauptlehre verlangt, - was natürlich nicht nur sehr schwer, manchmal sogar unmöglich oder doch wenigstens äußerst gefährlich wäre!


10] Glaube es mir, edelster Freund, ich habe, wie vielleicht wenige, jeden Punkt deiner Lehre genau erwogen und glaube so ziemlich darüber im klaren zu sein, was du frei gelehrt hast, Und was dein eigentlicher Hauptsinn war, und was dagegen du, wie auch deine Jünger, durch die damals drohenden Zeitumstände einzuflechten genötigt warst! Aber alles dessenungeachtet bin ich doch dein glühendster Verehrer und weiß, was ich von dir und deiner reinsten Lehre zu halten habe! Freilich sagtest du ehedem auch, daß du, trotzdem dir eine alle Weltregenten bezwingende Macht eigen war, dennoch auch den weltlichen Obrigkeiten gehorsam warst. Das will ich dir schon dadurch und darum nicht streitig machen, da du selbst dich durch das Gesetz der Welt mußtest ans Kreuz hängen lassen!

11] Ob du, mein allerwertester Freund, dich aber auch durch eine in dir verborgene, übersinnliche Macht den Weltgesetzen hättest widersetzen können, als dich diese einmal ernstlich gefangennahmen, das zu beurteilen ist wohl zu hoch über meinem bisher noch sehr natürlichen Erkenntnishorizont! Es ist möglich und, so deine Taten deiner Lehre nicht als heidnische Halbgötterfabeln untergeschoben sind, sogar sicher und gewiß, daß dir, als einem größten Weisen, der du mit den innersten Kräften der Natur sicher sehr vertraut warst, auch außerordentliche Kräfte zu Gebote standen. Aber wie gesagt, deine letzte Gefangennehmung und endliche Hinrichtung hat bei sehr vielen Helldenkern dies dein wunderbares Kraftvermögen in ein sehr schiefes Licht gestellt, und es haben sich viele daran gestoßen und gewaltig geärgert. Aber wie gesagt, ich und noch eine Menge andere haben am Ende bloß nur deine reinste Lehre excerpirt (entnommen) und haben alles daraus verbannt, was uns bloß nur als eine in der spätern Zeit eingeschobene, heidnische Fabel zu sein schien.

12] Ob wir recht oder nicht recht gehandelt haben, das hoffe ich nun von dir, du mein edelster Freund, als dem Urheber solcher Lehre, in der Fülle der Wahrheit zu erfahren! Wie auch, ob an deiner, besonders dermal noch in der römischen Kirche gelehrten und ganz besonders durch einen gewissen Swedenborg im 18. Jahrhundert sogar mathematisch erwiesen sein sollenden Gottheit etwas daran sei und wie?! Was freilich a priori (von vornherein) schwerlich ein reiner Denker annehmen wird, weil diese Sache allem natürlichen Anscheine nach denn doch etwas zu burlesk aussieht!

13] Denke dir nur selbst ein endloses, unbegrenztes Gottwesen, dessen Intelligenz, Weisheit und Macht notwendig die allerausgedehntest allgemeinste sein muß! (Bedenke, daß) es daher auch sogar logisch unmöglich ist, daß dies Endlose und Allumfassende sich je verendlichen und auf die Person eines Menschen einschränken und einzwängen könnte! (Und frage dich,) ob man es bei nur einigem weiseren Nachdenken überzeugend annehmen kann, daß du und die endlose, allumfassende Gottheit logisch richtig identisch (eins) sein könnet? Ja, als »Sohn Gottes« da habe ich wenig oder nichts dawider; denn das kann ein jeder bessere Mensch von sich mit gleichem Rechte behaupten. Aber Gott und Mensch zugleich - das geht denn doch offenbar etwas zu weit hinaus!

14] Übrigens habe ich auch da nichts entgegen, wenn mir die Sache klar bewiesen werden kann. Denn wie ich schon früher einmal bei mir selbst erwähnt habe, daß es zwischen der Sonne und dem Monde noch Dinge geben könne, von denen sich keine menschliche Weisheit noch je etwas hätte träumen lassen - warum sollte zu solchen außerordentlichen Dingen nicht auch das gehören, daß du im Ernste das allerhöchste Gottwesen gar leicht sein kannst!? Ich wenigstens würde ewig nichts dagegen haben! Vielleicht ist nach Hegel bei und in dir die früher gewisserart schlafende Gottheit zum ersten Male erwacht und ins klare Bewußtsein ihrer selbst übergegangen?~

15] Oder vielleicht hat sie in sich selbst die alte Notwendigkeit gefühlt, sich selbst ihren geschaffenen Menschen gegenüber als ein Mensch zu manifestieren, um von den Menschen begriffen und erschaut werden zu können, ohne dadurch von ihrer allumfassenden, allerhöchsten Willenskraft etwas zu vergeben!? Wie gesagt, das ist alles möglich! Besonders hier, wo überhaupt das Sein einen so höchst rätselhaften Charakter annimmt.

16] Aber wie und warum sich dann die in dir als Gottmensch manifestierte (verkörperte) Gottheit von einem Häuflein böser und wahnwitziger Juden zum Tode, und das zum schmählichsten am Schandpfahle, hat können verurteilen lassen, und das noch dazu auf einem der unansehnlichsten Planeten Freund, so was kommt zwischen Sonne und Mond wohl schwerlich vor! Solch ein Wunderding müßte man schon zwischen Nebelsternen zu suchen anfangen!

17] Ich glaube aber auch, daß du so was von dir im Ernste wohl auch nicht einmal in einem Traume behauptet hast?! Denn ich weiß es nur zu gut, was du darauf erwidertest, als man dich fragte, ob du im Ernste Gottes Sohn seist? Siehe, da war deine Antwort, wie sie von einem Weisen deinesgleichen zu erwarten war, nämlich: »Nicht ich, sondern ihr selbst saget es!« Wer aber im entscheidenden Momente so spricht, der weiß auch was er spricht und warum!? Ich aber glaube, diese deine Antwort gehörig gewürdigt und, soweit es menschlichen Kräften gestattet ist, auch verstanden zu haben; und habe daraus entnommen, daß du als reinster Mensch in allem ein wahrster Agathodaimon (Engelsgeist), aber durchaus kein heidnischer Halbgott seist.

18] Daß aber zu deiner Zeit, wo man noch an ein Orakel zu Delphi glaubte und mit der Apotheosis (Vergötterung) bei nur etwas ungewöhnlich praktisch-weisen Menschen nur zu leicht fertig war, wo der Thumim und Urim weissagten, und des Aarons nahe über 1000 Jahre alter Stab in der Lade grünte u. dergl. mehr, - man auch einem ersten Weisen, wie du einer warst und seit nahe 2014 Jahren noch von keinem andern übertroffen wurdest, eine Vergöttlichung beilegte, das finde ich überaus begreiflich! - Denn schon die sonst weisen Römer, die heimlich auf ihre Götter eben nicht gar zu große Stücke hielten, behaupteten und sagten: non existit vir magnus sine aflutu divino (Kein großer Mensch besteht ohne göttlichen Anhauch)! So sie aber jeden großen Mann als vom Gottesgeiste angehaucht betrachteten, um wieviel mehr deine beinahe noch wundersüchtigeren Landsleute dich, der du vor ihren blitzdummen Augen mitunter doch Dinge wirktest, von deren sicher höchst natürlichem Grunde sie noch seit Abraham nicht die allerleiseste Ahnung hatten! Was würden sie zu einer Lokomotive gesagt haben - exempli gratia (um ein Beispiel zu nennen)?

19] Freund, ich meine, deine Frage nun hinreichend beantwortet zu haben!? Nun käme wieder die Reihe an dich, Ich werde mit der gespanntesten Aufmerksamkeit jedes deiner Worte anhören und tiefst würdigen!"

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