Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 127


Oberst Kornelius kommt und bittet um Erweckung seiner soeben verstorbenen Lieblingstochter.

01] Es will aber nun auch Judas, den der Wein etwas mehr, als es sein sollte, warm gemacht hat, seine Stimme erheben und seinen Nachbarn, den Jüngern Johannis nämlich, etwas sagen. Aber Thomas, sein noch gleichmäßiger Gegner, kommt ihm zuvor und sagt: »Freund, wenn die Meister reden, da müssen die Jünger schweigen und bloß hören, aber ja nichts reden! Denn hier wäre jedes Wort aus unserem Munde eine große und grobe Torheit! Wenn's dich aber drückt zum Reden, da gehe hinaus ins Freie und schreie, was du kannst und magst, und wenn sogestaltig dein Mund müde geworden ist, dann komme wieder!«

02] Sagt Judas: »Was hast du denn mit mir? Habe ich dir doch nichts zuleide getan! Werde ich denn nie reden dürfen?«

03] Sagt Thomas: »Deine Weisheit kennen wir seit Jahren durch und durch und sind neben der Weisheit unseres großen Meisters wahrlich nicht aufgelegt, sie hier vernehmen zu müssen zum tausendsten Male, und so weise wie du sind wir alle von Hause aus! Du kannst sonach keine weitere und bessere Lehre geben, als wir sie ohnehin haben, und so wirst du es hoffentlich wohl einsehen, dass es hier gar nicht nötig ist, dass auch du reden sollest! Wir Jünger haben nur dann zu reden, wann wir um etwas gefragt werden; wir können wohl auch selbst fragen, aber dann heißt es, sich wohl zusammennehmen, dass unsere Frage auf ein rechtes und wahres Bedürfnis sich stützt! Fragen wir aber pur aus Neugierde, um unserer redelustigen Zunge Luft zu verschaffen, dann sind wir des Stäupens wert; denn ein wahnwitziger Tor sollte allzeit mit Ruten gezüchtigt werden!«

04] Sagt Judas: »Schon gut, schon gut! Ich bin ja schon stille; denn ich weiß es ja, dass ich in deiner Gegenwart nichts reden kann und darf. Denn du bist ja die Weisheit des Propheten Elias selbst! Es ist nur schade, dass du nicht vor Salomo gelebt hast! Wie weit hätte es Salomo in deiner Schule in der Weisheit noch bringen können! Aber nun nichts weiter, ich bin schon stille!«

05] Thomas hätte dem Judas gern noch etwas erwidert, aber Ich deutete ihm, dass es genug sei und Thomas schwieg.

06] Einer der Jünger Johannis aber konnte noch immer nicht das ins Gleichgewicht mit seinem Gemüte bringen, weil Ich ihn und seine Gefährten mit einem alten, zerrissenen Kleide, das man mit neuen Lappen ausstopft, und mit alten, morschen Schläuchen derart verglich, dass sie zur Aufnahme des Mostes nicht taugen. Er wandte sich daher mit einer etwas plumpen Frage an Mich und sagte: »Ich sehe nun wohl auch, dass du ein Prophet sein magst; aber wie ich merke, so schmeckt dir der Wein aus alten Schläuchen besser als der junge Most aus den neuen Schläuchen, und kommt es mir auch vor, dass dein Rock eben auch kein neuer ist; sollte er etwa bald mehrerer Lappen bedürfen, so kann ich dir damit dienen, denn ich besitze eine Menge Hadern (Lumpen). Wenn ich dir dienen kann, so wende dich nur an mich!«

07] Für diese plumpe Frage wollten ihn seine Gefährten hinauswerfen. Ich aber nahm Mich seiner an und erklärte ihm diesen Vergleich faßlicher, und er ward beruhigt.

08] Zu den andern aber sagte Ich: »So ihr einen Blinden seht, wie er über einen Graben stolpert und fällt und durch seinen Fall das am kleinen Wasserleitgraben hochstehende Gras niederdrückt und ein wenig beschädigt, werdet ihr weise sein, so ihr darob den Blinden zur Verantwortung und Strafe ziehen möchtet?! seht, dieser euer Bruder sieht wohl, wie ihr, mit seinen fleischlichen Augen, aber an den Augen der Seele ist er noch stark blind, und es wäre, so wir das wissen, doch gar zu überaus hart, einen blinden Bruder zu strafen deshalb, dass er vor uns ein wenig gestolpert ist!«

09] Nach solchen Worten riefen Mir alle ein vollstes Lebehoch und »Heil dir!« zu und sagten: »Das ist eine rechte Rede, und wer so handelt, wie er gut und weise redet, ist wert, ein Mensch der Menschen genannt und gekrönt zu werden! Heil dir und hoch lebe du Mensch der Menschen!«

Mt.09,18] Als er dies mit ihnen redete, siehe, da kam einer von den Obersten, fiel vor ihm nieder und sprach: »Herr, meine Tochter ist eben gestorben, aber komm und lege deine Hand auf sie, so wird sie lebendig.« (a Mt.09,18];  ⇒ jl.ev01.127,10-11;  gm.pred.049)

10] a Als diese Worte noch kaum zu Ende sind und Ich ihnen noch einiges über die alten Kleider und über den Most und über die Schläuche sage, da kommt in hastiger Eile der Obersten einer aus Kapernaum (es war der römische Oberste Kornelius), stürmt förmlich auf Mich hin, fällt vor Mir nieder und sagt nahe außer Atem: »Herr! Freund! Du göttlicher Meister und Heiland! Meine liebste Tochter, die meinen Namen trägt, meine herrliche, gute und schönste Tochter ist mir gestorben!« Hier weinte der Oberste und konnte lange vor Weinen nicht reden. Nach einer Weile einiger Erholung erst sprach er weiter:

11] Herr, Dem nichts unmöglich ist, a komme mit mir hin in mein Haus und lege Deine Wunderhand auf sie, und sie wird sicher wieder lebendig, gleichwie das b Töchterlein des Schulobersten Jairus, das auch völlig tot war und lebendig geworden ist! Ich bitte Dich als meinen erhabensten Freund: Komme und erweise mir diese Gnade!« (a Matthäus.09,18*; b Markus.05,22-24; Markus.05,35-43*; Lukas.08,41-42; Lukas.08,49-56; jl.ev01.111,06a-07; jl.ev01.112,01-20)

  • Matthäus.09,19] Und Jesus stand auf und folgte ihm mit seinen Jüngern.

    12] Sage Ich: »Sei getrost, Ich komme und werde dir tun, um was du Mich ersucht hast! Es ist aber die Tochter wohl völlig tot und auch schon kalt, aber Ich werde sie dennoch erwecken, auf dass sie dann die Herrlichkeit Gottes den armen Menschen verkünden möge! a Und so gehen wir!« (a Mt.09,19*)

    13] Es fragten aber Meine Jünger, ob sie Mich hier erwarten oder ob sie auch mitgehen sollten. Ich aber sagte: »Ihr alle, die ihr Meine Jünger seid, und du auch Matthäus, der du ein Zöllner warst, folge Mir! Für dein irdisches Haus habe Ich gesorgt und werde fortan sorgen; du aber sollst dafür auch, wie diese hier, Mein Jünger sein!«

    14] Matthäus wirft sogleich sein Wirtsgewand von sich, zieht seinen guten Rock an und folgt Mir, ohne zuvor daheim die gewöhnlichen hausherrlichen Verordnungen zu machen, was die Seinen in seiner Abwesenheit tun sollen.

    15] Nota bene (merke wohl): Also muß auch ein jeder es tun, der Mir folgen will! Er muß dem irdischen Sach- und Fachleben ganz absterben und seiner irdischen Lebensverhältnisse nicht gedenken, ansonst er nicht taugt für und in Mein Reich! a Denn wer die Hand an den Pflug legt und seine Augen nach rückwärts richtet, ist nicht geschickt zum Reiche Gottes! (a Lukas.09,62; Philipper.03,13)



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