Jakob Lorber: 'Kindheit und Jugend Jesu'


173. Kapitel: Das federleichte Jesuskind. Jonathas Verwunderung. Des Kindleins tiefweise Worte über die Last des Gesetzes Mosis. (23.03.1844)

01] Als aber Jonatha das Kindlein also herzte und koste, da sprach dasselbe zu ihm:

02] »Jonatha, versuche Mich jetzt einmal zu tragen; jetzt werde Ich dir sicher nicht so schwer vorkommen als über den Meeresarm!«

03] Und Jonatha nahm voll Freud und Liebe das Kindlein auf sein Arme und fand Es so leicht wie ein Flaume (Flaumfeder).

04] Da sprach er zum Kindlein: »Mein Gott und mein Herr, wie wohl sollte ich das fassen?

05] Dort beim Meere warst Du mir zu einer Weltenlast; hier aber bis Du mir eine Federflaume!«

06] Und das Kindlein sprach: »Jonatha, also wie dir wird es jedem ergehen!

07] Denn Meine große Last liegt nicht in Mir, sondern im Gesetz Mosis!

08] Als du Mich nicht kanntest, sondern nur das Gesetz, und hattest Mich auf deiner Achsel, da drückte nicht Meine, sondern des Gesetzes Last nur deine Schultern weltenschwer.

09] Nun aber hast du Mich, den Herrn über Moses und über das Gesetz, erkannt in deinem Herzen, und siehe, des Gesetzes Last ist nicht mehr mit Mir, dem Herrn des Gesetzes!

10] Also aber wird es geistig in der Zukunft allen Gesetzesträgern ergehen!

11] Wahrlich sage Ich dir: Die Gerechten aus dem Gesetze werden heulen und mit den Zähnen knirschen;

12] aber der Herr wird in den Häusern der Sünder zu Tische sitzen und wird sie heilen und annehmen zu Seinen Kindern!

13] Die Verlorenen werde Ich suchen, die Kranken, die hart Gefangenen und Bedrängten werde Ich heilen, erlösen und befreien;

14] aber die Gerechten am Gesetze sollen ungerechtfertigt aus Meinem Hause ziehen!

15] Wahrlich sage Ich dir: Den Zöllner und Sünder werde Ich preisen in Meinem Hause;

16] aber den Gerechten werde Ich mit einer starken Bürde belasten vor Mir in Meinem Hause!

17] Ja, eine Hure soll Mich salben, und einer Ehebrecherin Schuld will Ich in den Sand zeichnen, und die Sünder sollen Mich anrühren;

18] aber verflucht soll sein ein Gesetzesritter und ein Schriftgelehrter, so er Mich anrühren wird!

19] Die des Gesetzes Last getötet hat, die werde Ich aus den Gräbern ziehen;

20] aber vor den Buchstabenfressern des Gesetzes werde Ich das Tor zum Leben so eng wie ein Nadelöhr machen!«

21] Ob dieser Worte entsetzte sich Joseph und sprach: »Aber Kindlein was sprichst Du für schreckliche Dinge?

22] Das Gesetz hat ja auch Gott gegeben, wie sollte da ein Sünder besser sein denn ein Gerechter?!«

23] Das Kindlein aber sagte: »Wohl hat Gott das Gesetz gegeben; aber nicht für den Weltverstand, sondern für das Herz! Und Moses selbst hat das ganze Gesetz in der Liebe zu Gott gesetzt!

24] Das Gesetz wohl ist geblieben, - aber die Liebe ist lange schon erstorben!

25] Ein Gesetz aber, in dem keine Liebe mehr ist, ist nichts nütze, und der es hält ohne Liebe, ist ein toter Sklave desselben!

26] Darum ist Mir nun ein Heide und ein freier Sünder lieber als ein toter gefesselter Sklave des Gesetzes!«

27] Hier schwieg Joseph und dachte über diese Worte nach; das Kindlein aber fing wieder von kindlichen Dingen an zu plaudern mit Jonatha und Seinem Jakob.



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