Jakob Lorber: 'Das große Evangelium Johannes', Band 01, Kapitel 126
Jesu Speisewunder im Hause des Zöllners Matthäus. Einsicht der Jünger des Johannes. 01] Da kommt die Küchenmagd ganz außer Atem und sagt zum Matthäus: »Herr, Herr, komme und schaue! Soeben kamen eine Menge junger Männer und brachten allerlei Mundvorräte in solcher Menge, dass wir es in einem Jahre kaum verzehren werden! Und alles sieht so frisch und gut aus! Auch die Kornkammern sind von oben bis unten angefüllt, und die Schläuche im Keller sind voll des besten Weines! Herr, Herr, woher kam denn nun heute am Sabbate der Juden das alles?«
02] Matthäus und alle im Zimmer sind ganz wie von Sinnen über diese Kunde, und die Jünger Johannis, von denen sich ein paar früher völlig überzeugt hatten, dass die Speisekammern leer waren, fragten sogleich den Matthäus, ob er irgend dergleichen Alimente (Nahrungsmittel) bestellt habe.
03] Sagt Matthäus: »Ich nicht; denn da müßte natürlich ich ja vor allem davon etwas wissen. Und mein Weib auch nicht; denn diese ließ mir früher eben durch diese Magd sagen, dass unser geringer Vorrat so gut wie vollends aufgezehrt sei. Denn ich habe außer einem Garten und einigen gepachteten Äckern keinen Grund zum Anbau von Früchten in großer Menge und hätte zu diesem Geschäfte auch wenig Zeit, da ich fürs erste mit dem Zoll viel zu tun habe und daneben fürs zweite hier in diesem meinem Gasthause für die Bewirtung der Gäste sorgen muß. Ich habe daher gewöhnlich von Woche zu Woche dies mein Gasthaus mit Mundvorrat versehen und ließ mir diesen zumeist ums Geld von Kapernaum bringen, und mit Fischen habt ihr mich zumeist versehen; Wein und Getreide aber kaufte ich zumeist von meinen bisherigen Glaubensgenossen, den Griechen. Das ist in Kürze die Art und Weise, wie ich bisher mein Haus versah mit dem Nötigen; aber von dieser Bestellung weiß ich und mein Haus keine Silbe!
04] Es müßte denn sein, dass solches mir ein unbekannter großer Freund getan hätte, ansonst ist und bleibt es ein offenbares Wunder! Wo aber und wer dieser Freund ist, das natürlich weiß ich so wenig als ihr. Ich will aber nun alle meine Leute hereinrufen und sie vor euch fragen, ob sie von den Trägern wohl niemanden gekannt haben!«
05] Nun werden Weib und alle Mägde und Knechte gerufen und befragt, aber alle legen einstimmig das Zeugnis ab, dass sie niemanden auch nur von ferne hin gekannt hätten: »Die Männer sahen aus wie zartgebaute Jünglinge; denn nicht bei einem einzigen war irgend ein Bart wahrzunehmen gewesen, wohl aber hatten alle ein schöngelocktes langes Haar, und ihre Tracht glich mehr der römischen als der jüdischen. Ihrer waren viele gewesen, gleich in den Speisekammern wie auf dem Schüttboden und im Keller. Sie legten das Gebrachte schnell nieder und sagten: >Dies ist eine Gabe an den Zöllner Matthäus, den heute der große Meister berief!< Dann entfernten sie sich eiligst, und wir sahen nicht, wohin sie sich vom Haus gewendet haben.«
06] Sagt dazu ein Pharisäer: »Die Sache klingt ganz ungewöhnlich seltsam und ist doch wahr!? Da wären wir wirklich sehr dafür, dieser Begebenheit auf den Grund zu kommen!«
07] Zum Matthäus gewendet spricht derselbe Pharisäer weiter und sagt: »Wirt, laß uns von den Weinen eine Kost bringen, und wir werden dir sagen, woher sie sind; denn wir wissen es aus dem Geschmack und aus der Farbe, wo er gewachsen ist!«
08] Man geht sogleich in den Keller und bringt alle Trinkgefäße voll. Und als die Pharisäer und Schriftgelehrten die Weine verkosten, sagen sie voll Staunens: »Nein, solch einen Wein, wie dieser ist, haben wir noch nie verkostet! Er ist von unbeschreiblicher Güte und Lieblichkeit! Wir haben doch alle Weine, die nur irgendwo auf der uns bekannten Erde wachsen, getrunken, die mitunter auch sehr gut und wohlschmeckend waren, aber gegen diesen Wein wären sie kaum ein laues Wasser zu nennen! Das ist sonach ein Rätsel und bleibt ein Rätsel!
09] Da du aber nun einen großen Vorrat von diesen unübertrefflich herrlichen Weinen hast, möchtest du denn uns nicht gegen Geld und gute Worte einige Schläuche zukommen lassen? Da würde es sich wahrlich der Mühe lohnen, dem Hohenpriester nach Jerusalem eine Sendung zu machen!«
10] Sagt Matthäus: »Umsonst habe ich's empfangen und gebe es auch wieder also; aber dem Hohenpriester nach Jerusalem nicht einen Tropfen! Außer er käme zufällig als ein Gast hierher, so soll er bedient werden wie jeder andere; aber wohlgemerkt, nur als Mensch jedem andern gleich, nie aber als jüdischer Oberpriester, der für mich ein Greuel aller Verwüstung ist und ein Mörder des Geistes der Menschen, die seines Glaubens sind!«
11] Sagt ein Schriftgelehrter: »Freund, da beurteilst du den Oberpriester von Jerusalem wohl ganz falsch und hast keine Kenntnis von seinem Wesen und seinem Amte!«
12] Sagt Matthäus: »Lassen wir diese Sache ruhen, weil sie mich am ersten in eine wahrste und gerechteste Zornhitze bringt! Ihr seid seine Augen und seht daher das am wenigsten, was euch am nächsten steht, nämlich die eigene Nase, Stirn und das ganze Gesicht; wir, die wir euch gegenüberstehen, sehen das alles nur zu gut und genau! Aber nun nichts Mehreres und Weiteres davon, sonst käme ich in die Hitze und möchte euch als nun meine gleichrespektierten Gäste nicht beleidigen!«
13] Sagt ein mehr gemütlicher Pharisäer: »Nun, nun, so lassen wir diese Sache ruhen und besprechen uns darum lieber mit dem Meister Jesus, der wird uns über diese Begebenheit vielleicht den besten Aufschluß zu geben imstande sein; denn er überragt uns alle hoch mit aller Wissenschaft und Weisheit!« Zu Mir sich wendend: »Was sagst denn du zu dieser Geschichte? Denn du scheinst darüber wohl irgend einen Wind zu haben, weil dein vorheriges Gespräch mit den Jüngern Johannis nahe darauf hinzudeuten scheint. Denn nahe im selben Momente, als du den Jüngern Johannis sagtest, wie Gott für die sorge, die Ihn wahrhaft lieben und ganz lebendig auf Ihn vertrauen, und wie du die Häßlichkeit und Verwerflichkeit der Selbstsucht so recht durchstäuptest, geschah das, und so kommt es mir ganz heimlich vor, dass du darüber von irgendwoher Kunde eingezogen hast oder heimlich gar selbst der Urheber bist!«
14] Sage Ich: »Gut! So ihr das von Mir vermutet, so wendet eure Vermutung auch dahin, was Ich den Jüngern Johannis gesagt habe, und bekennt es in euren Herzen, dass Ich die vollste Wahrheit geredet habe!
15] Wer aus euch also handeln wird aus dem Grunde seines Herzens, der wird von Gott aus auch allzeit das erfahren, was nun unser Freund und Bruder Matthäus erfahren hat!
16] Denn glaubt es Mir: Gott bleibt Sich stets gleich in Seinem Herzen! Wie Er war, als am Firmamente noch lange keine Sonne, kein Mond und keine Sterne leuchteten, so ist Er noch in diesem Augenblicke und wird ewig also verbleiben!
17] Wer am rechten Wege Ihn sucht, der wird Ihn auch finden und wird gesegnet in alle Ewigkeiten der Ewigkeiten!«
18] Diese Worte gehen allen tief zu Herzen, und die Jünger Johannis fangen an, sehr in sich zu gehen und sagen: »Er muß denn doch ein bei weitem größerer Prophet sein, als da war unser Johannes! Denn wir waren zehn volle Jahre um ihn, aber so was haben wir an seiner Seite nicht erlebt! - Der Pharisäer hat recht, so er behauptet, dieser Nazaräer wisse davon! -Ich aber möchte nahe behaupten, dass das alles von und durch ihn auf einem uns unbekannten Wege herrühre, und das Ganze ist ein handgreiflicher Beweis gegen unsere nun ersichtliche Blindheit samt unserem großen Meister Johannes!«
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