Die Feldpostbriefe des Andreas Rill
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Inhaltsübersicht:
Anfang der fünfziger Jahre wurden diese "Feldpostbriefe aus dem ersten Weltkrieg" des oberbayerischen Soldaten Andreas Rill in Familienbesitz gefunden. Ihre Echtheit wurde bei verschiedenen Untersuchungen bestätigt.
Rill war Schreinermeister in Untermühlhausen. Er schildert in diesen beiden Briefe die Begegnung mit einem hellsichtigen Franzosen und dessen Vorhersagen über die Zukunft.
Der erste Feldpostbrief vom 24. August
1914
Meine Lieben! Habe Deine Karte erhalten und bin noch gesund,
was ich auch von Euch allen hoffe. Sonst geht der Krieg weiter
und vorwärts. Wir sind heute in Ruhe, und da will ich
Euch von dem Komplizen schreiben, den ich im letzten Brief
erwähnt habe. Ein sonderbarer Heiliger, denn es ist nicht
zum Glauben, was der alles gesagt hat. Wenn wir wüßten,
was alles bevorsteht, würden wir heute noch die Gewehre
wegwerfen, und wir dürfen ja nicht glauben, daß
wir von der Welt was wüßten.
Der Krieg — sagte er — ist für Deutschland
verloren und geht ins fünfte Jahr, dann kommt Revolution,
aber sie kommt nicht recht zum Ausbruch; der eine geht und
der andere kommt; und reich wird man; alles wird Millionär,
und soviel Geld gibt's, daß man's beim Fenster rauswirft
und klaubt's niemand mehr auf.
Der Krieg geht unter der Fuchtel weiter und es geht den
Leuten nicht schlecht, aber sie sind nicht zufrieden.
Unter
dieser Zeit — sagt er — wird der Antichrist
geboren im äußersten Rußland, von einer
Jüdin, und er tritt erst in den fünfziger Jahren
auf. Dann sagte er, an dem Tage, wo Markustag auf Ostern
fällt. Wann das sein soll, weiß ich nicht.
Vor
dem kommt ein Mann aus der niederen Stufe, und der macht
alles gleich in Deutschland, und die Leute haben nichts
Rechtes zu reden, und zwar mit seiner Strenge, daß
es uns das Wasser bei allen Fugen raustreibt.
Denn der nimmt den Leuten mehr, als es gibt, und straft
die Leute entsetzlich, denn um diese Zeit verliert das Recht
sein Recht, und es gibt viel Maulhelden und Betrüger.
Die Leute werden wieder ärmer, ohne daß sie es
merken. Jeden Tag gibts neue Gesetze, und viele werden dadurch
manches erleben oder gar sterben. Die Zeit beginnt zirka
1932 und dauert neun Jahre, alles geht auf eines Mannes
Diktat — sagt er — dann kommt die Zeit 1938;
werden überfallen und zum Kriege gearbeitet.
Der Krieg dauert nicht ganz drei Jahre und endet schlecht
für diesen Mann und seinen Anhang. Das Volk steht auf
mit den Soldaten. Denn es kommt die ganze Lumperei auf und
es geht wild zu in den Städten.
Er sagte, man soll
unter dieser Zeit kein Amt oder dergleichen annehmen, alles
kommt an den Galgen oder wird unter der Haustür aufgehängt,
wenn nicht an Fensterblöcke hingenagelt; denn die Wut
unter den Leuten sei entsetzlich, denn da kommen Sachen
auf, unmenschlich.
Die Leute werden sehr arm, und die Kleiderpracht hat ihr
Höchstes erreicht und die Leute sind froh, wenn sie
sich noch in Sandsäcke kleiden können. Vom Krieg
selbst, sagt er, daß keiner was bekommt vom anderen,
und wenn sich die Schweiz an Deutschland anschließt,
dann dauert es nicht mehr lange, und der Krieg ist aus.
Deutschland wird zerrissen, und ein neuer Mann tritt zutage,
der das neue Deutschland leitet und aufrichtet. Wer das
fleißigste Volk besitzt, erhält die Weltherrschaft,
England wird dann der ärmste Staat in Europa, denn
Deutschland ist das fleißigste Volk der Welt.
Am Schluß
kommt noch Rußland und fällt über Deutschland
her, wird aber zurückgeschlagen, weil die Natur eingreift,
und da wird in Süddeutschland ein Platz sein, wo das
Ereignis sein sollte, wo die Leute von der ganzen Welt hinreisen,
zuschauen.
Dann sagt er, daß der regierende Papst dabei sei
beim Friedensschluß, muß aber zuvor in Italien
fliehen, da er als Verräter hingestellt wird, und er
kommt nach Köln, wo er nur einen Trümmerhaufen
findet, alles kaputt.
Und im Jahre 1943 kommt erst der Aufstieg.
Dann kommen gute Zeiten.
Auch von Italien sagt er, daß
es gegen uns geht und in einem Jahr den Krieg erklärt
und beim 2. Krieg mit uns geht. Italien wird furchtbar zugerichtet
und viele deutsche Soldaten finden dort ihr Grab.
Wir sagen, der hat's doch nicht ganz recht, oder er spinnt.
Ihr werdet darüber lachen, denn das ist doch nicht
zum glauben. Der Mann sprach mehrere Sprachen; wir haben
ihn ausgelacht, aber der Leutnant sprach mit ihm die ganze
Nacht, und was er noch alles gesagt hat, könnt Ihr Euch
nicht denken.
Jetzt habe ich genug am Schreiben, und Ihr
braucht da nichts zu glauben. Ich schreibe nur, damit Ihr
seht, was es für Menschen gibt. Sonst weiß ich
heute wenig, bin gesund, und morgen gehts weiter; man ist
halt im fremden Land; hoffentlich geht der Krieg bald zu
Ende und nicht, wie der sagte.
Was gibt's Neues zuhause, und sind schon wieder welche
fortgekommen? Sonst habe ich noch keinen getroffen. Ich
hoffe, der Brief wird Euch alle gesund antreffen; und gebt
mir bald wieder Antwort. Die Adresse ist noch die gleiche.
Haben die Leute schon bald alles Zuhause vom Feld, da die
Leute doch fehlen jetzt mit dem Krieg? Kommt der Vater auch
hie und da rauf...? Nun muß ich schließen und
sende Euch allen die herzlichsten Grüße aus weiter
Ferne und macht Euch keine Sorgen, es wird schon durchgehen.
Viele Grüße an alle im Dorfe. Die werden sich
den Krieg ganz leicht vorstellen. Aber da haben die Leute
keine Ahnung.
Vorgestern Hauptmann Bauchschuß und viele verwundete
Soldaten. Viele Grüße Euer Vater. Bald schreiben!
Frankreich, den 30. August 1914
Liebe Anna und Kinder! Habe endlich Euren Brief vom 17.
mit Dank erhalten, und nun wird's schnell Zeit, einige Zeilen
zu schreiben. Hoffentlich habt Ihr meinen Brief schon in
Händen. Sonst gibt es nichts Neues bei uns. Man sagt,
der Krieg ist bis Weihnachten zu Ende. Hoffentlich geht
es Euch gut...
Den Brief vom prophetischen Franzosen werdet
Ihr auch schon haben. Da werde ich nicht fertig, was der
alles gesagt hat. Denke immer an ihn. Es scheint fast unglaublich,
und ich will noch einiges Euch mitteilen. Denn ob das wirklich
kommen soll, ist wie ein Hirngespinst.
Da hat er immer wieder betont von den dunklen Männern,
die dieses Unheil bringen sollen; und die sind in der ganzen
Welt verteilt, an der Zahl sieben. Und die Zahl sieben hat
eine große Bedeutung, und der Stuhl 12, den dieser
Mann zur Zeit bekleidet, ist voll Schrecken und Morden.
Er spricht und mahnt die Völker zur Rückkehr,
aber alles umsonst. Die Menschen werden immer wieder ins
Unglück getrieben und schlechter, und alles will nur
Ware und Besitz haben.
Steht an der Jahreszahl vier und fünf, dann wird Deutschland
von allen Seiten zusammengedrückt, und das zweite Weltgeschehen
ist zu Ende. Und der Mensch verschwindet, und das Volk steht
da und wird noch vollständig ausgeraubt und vernichtet
bis ins Unendliche...
Aber die Feinde stehen auch nicht
gut miteinander...
Die Dunklen werden bestrebt sein, die
Völker mit großen Versprechungen zu beruhigen,
und die Sieger kommen in das gleiche Ziel wie die Besiegten.
In Deutschland kommen dann Regierungen, aber sie können
ihr Ziel nicht ausführen, da ihr Vorhaben immer wieder
vereitelt wird.
Der Mann und das Zeichen verschwinden, und
es weiß niemand wohin; aber der Fluch im Innern bleibt
bestehen, und die Leute sinken immer tiefer in der Moral
und werden immer schlechter. Die Not wird noch viel größer
und fordert viele Opfer.
Die Leute bedienen sich sogar aller möglichen Ausflüchte
und Religionen, um die Schuld an dem teuflischen Verbrechen
abzuwälzen.
Aber es ist den Leuten alles gleich, denn
der gute Mensch kann fast nicht mehr bestehen während
dieser Zeit und wird verdrängt und verachtet.
Dann
erheben sich die Leute selbst gegeneinander, denn der Haß
und Neid wachsen wie das Gras und die Leute kommen noch
immer weiter in den Abgrund.
Die Besatzungen lösen sich voneinander und ziehen
ab mit der Beute des Geraubten, was ihnen auch sehr viel
Unheil bringt, und das Unheil des dritten Weltgeschehens
bricht herein.
Rußland überfällt den Süden
Deutschlands, aber kurze Zeit, und den verfluchten Menschen
wird gezeigt werden, daß ein Gott bestehe, der diesem
Geschehen ein Ende macht.
Um diese Zeit soll es furchtbar
zugehen, und es soll den Leuten nichts mehr helfen, denn
die Leute sind zu weit gekommen und können nicht mehr
zurück, da sie die Ermahnungen nicht gehört haben.
Dann werden die Leute, die noch da sind, ruhig, und Angst
und Schrecken wird unter ihnen weilen. Denn jetzt haben
sie dann Zeit, nachzudenken und gute Lehren zu ziehen, was
sie zuvor nicht gewollt haben.
Am Schluß dieser Teufelszeit
werden dann die geglaubten Sieger an die Besiegten kommen
um Rat und Hilfe, denn auch ihr Los ist schrecklich, denn
es liegt alles am Boden wie ein Ungeheuer. Er sagte, das
soll im Jahre 1949 sein.
47 und 48 sollen die Jahre dieser wilden Einkehr sein.
Wer weiß, ob wir bis dort noch leben, und es ist ja
nicht zum glauben, und ich schreibe es nur, damit Ihr seht,
was der alles gesagt hat, und von den Kindern erlebt die
Zeit doch eines.
Beim dritten Geschehn soll Rußland
in Deutschland einfallen und zwar im Süden bis Chiemgau,
und die Berge sollen da Feuer speien, und der Russe soll
alles zurücklassen an Kriegsgerät. Bis zu Donau
und Inn wird alles dem Erdboden gleich gemacht und vernichtet.
Die Flüsse sind alle so seicht. daß man keine
Brücke mehr braucht zum Hinübergehen. Von der
Isar an wird den Leuten kein Leid mehr geschehen, und es
wird nur Not und Elend hausen.
Die schlechten Menschen werden
zugrunde gehen als wie wenn's im Winter schneit; und auch
die Religion wird ausgeputzt und gereinigt. Aber die Kirche
hält den Siegestriumph, sagt er.
In Rußland werden alle Machthaber vernichtet. Die
Leichen werden dort nicht begraben und bleiben liegen. Hunger
und Vernichtung ist in diesem Lande zur Strafe für
ihre Verbrechen.
Da muß man doch lachen über
diese Reden; und wir lachten.
Aber er sagte, von uns erlebt's nur einer, und der wird
an mich denken. Nun, was soll das werden? Es ist fast nicht
glaubhaft.
Im Jahre 1948 geht die Strafe Gottes zu Ende,
und die Menschen werden sein wie die Lämmer und zufrieden
wie noch nie. Und von Siegerträumen hört es auf,
und es ist ausgestorben in den Ländern. Ich glaub,
bis dahin leb ich nicht mehr. Macht Euch aber keine Gedanken
darüber! Was gibt es bei Euch Neues? Wie gehts meiner
Schwester? (Nachschrift): Die Buben werden lachen über
den Schwafel von dem Mann.
Spezielle Seite zu den Feldpostbriefen